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HitzkirchGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Luzern, Wahlkreis Hochdorf, am Fusse des Lindenbergs gelegen. Hitzkirch umfasst seit 2009 Gelfingen, Hämikon, Mosen, Müswangen, Retschwil und Sulz sowie seit 2021 Altwis. 1230 Hiltschilche. 1678 413 Einwohner; 1798 632; 1850 766; 1900 738; 1950 1000; 2000 2293; 2009 4619; 2010 4712; 2020 5454.

Hitzkirch (Gemeinde): Situationskarte 2021 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2021 HLS.
Hitzkirch (Gemeinde): Situationskarte 2021 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2021 HLS.

Ur- und Frühgeschichte

Um das Nordende des Baldeggersees erstrecken sich in einem lockeren Bogen mehrere unausgegrabene Freilandstationen aus dem Mesolithikum (ca. 8000-5000 v.Chr.). Durch die Seeabsenkung von 1871 ist in der Flur Seematt östlich des Aabaches eine bedeutende und mehrphasige Seeufersiedlung der Cortaillodkultur sichtbar geworden. 1938 fand eine grössere Grabung statt, die ausser Keramik und Steingeräten auch ein reiches Fundgut an Hirschgeweihartefakten lieferte. Als wichtigster Grabungsbefund konnten erstmals zwei sich überlagernde Siedlungsschichten festgestellt werden. Die erste, untere Siedlungsschicht gehört der älteren Cortaillodkultur (ca. 3900 v.Chr.) an, während das darüberliegende Schichtpaket vor allem der Phase des Cortaillod classique (ca. 3800 v.Chr.) zuzuordnen ist. Es handelt sich um den bis anhin östlichsten Siedlungsplatz dieser Kultur. Weitere Seeufersiedlungen des Neolithikums (u.a. der Horgener Kultur) und aus der Spätbronzezeit (ca. 11.-10. Jh. v.Chr.) sind durch unzählige Funde (Keramik, Steinbeilklingen und Bronzeobjekte) bezeugt. Unter der Kirche von Hitzkirch bzw. in deren Krypta wurden ausserdem die Fundamente eines römischen Gutshofes sowie alemannische Gräber aus der Zeit um 600 n.Chr. entdeckt.

Mittelalter und Neuzeit

Im Hochmittelalter war Hitzkirch Sitz der Herren von Hitzkirch; dieser gelangte um 1235 samt Kirchenpatronat an den Deutschorden. Aus dieser Zeit sind für 1452 und 1554 erste Hinweise auf eine Schule überliefert; der Schulmeister und Organist wurde damals von der Kommende Hitzkirch angestellt. Die romanische Ordenskirche des 13. Jahrhunderts wich 1684 einem Neubau von Kaplan Jeremias Schmid, der 1914-1917 erweitert und von Wilhelm Hanauer mit einer neubarocken Fassade versehen wurde. Unter dem Einfluss des Komturs wandte sich Hitzkirch 1529 der Reformation zu, wurde aber nach dem Zweiten Kappelerkrieg durch Luzern rekatholisiert. Im Mettenberg ist von 1483 bis ins 17. Jahrhundert ein Waldbruderhaus bezeugt.

Die ausgedehnte Pfarrei Hitzkirch bildete 1425-1803 das Amt Hitzkirch bzw. Richensee/Hitzkirch (Vogteien) in den Freien Ämtern, in dem Hitzkirch allmählich Hauptortsfunktion übernahm. Hitzkirch blieb im Luzerner Amt Hochdorf (1803-2012, danach Wahlkreis) Zentrum eines aus der Pfarrei gebildeten Gerichtsbezirks, von dem Schongau und Aesch 1803-1814 abgetrennt waren, diesem 1814-1913 aber wieder angehörten. Seit 1897 zählen Richensee und die 1883 eröffnete Bahnstation zur Gemeinde Hitzkirch.

Gewerbsmässig waren in Hitzkirch vor allem Gerber und Schmiede tätig, in der Frühneuzeit auch Chirurgen, Maler, Krämer, Färber, Glaser und Uhrmacher. Um 1650 existierte im Amt Hitzkirch eine Bruderschaft der Schuhmacher, Gerber und Sattler. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts interessierten sich Handelsherren für die an einem Verkehrsknotenpunkt auf der Achse Zürich-Bern gelegene Gemeinde, unter anderen Carl Anton Corragioni, der 1761 einen Barockbau als Niederlassung erstellen liess. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Brüder Meyer von Hitzkirch als Seidenverleger tätig. Um 1833 bestand eine Vaterländische Gesellschaft von Hitzkirch und Hochdorf. Der in Hitzkirch erst verbreitete, ab dem 19. Jahrhundert schwindende Weinbau wurde 1976 wiederbelebt. 1902 erfolgte die Gründung der luzernischen Obstverwertungsgenossenschaft Hitzkirch (bis 2005 Granador AG). Ab 1963 siedelte sich Industrie in den Bereichen Wohnbedarf, Metallverarbeitung, Messgeräte und Klimatechnik an, ab 1970 auch Verlage und der Buchdruck (Comenius-Verlag, Zeitung Hitzkirchertaler). Anfang des 21. Jahrhunderts befand sich in Hitzkirch das Oberstufenzentrum für zwölf Gemeinden. Es hatte sich aus einer 1825 eröffneten Sekundarschule und dem 1868 errichteten kantonalen Lehrerseminar (ab 1877 mit Primarschule) entwickelt. Das Dorf, das 1663 abbrannte, weist ein Ortsbild von nationaler Bedeutung auf.

Quellen und Literatur

  • Reinle, Adolf: Das Amt Hochdorf, 1963, S. 94-128 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, 6).
  • Achermann, Emil: Hundert Jahre Lehrerseminar Hitzkirch, 1868-1968. Ein Beitrag zur Luzerner Schulgeschichte, 1969.
  • Achermann, Emil: Mein Tal. Jugenderinnerungen. Heimatkundliches und Kulturgeschichtliches aus dem Hitzkirchertal, 1976.
  • Glauser, Fritz; Siegrist, Jean-Jacques: Die Luzerner Pfarreien und Landvogteien. Ausbildung der Landeshoheit, Verlauf der Landvogteigrenzen, Beschreibung der Pfarreien, 1977, S. 142-143.
  • Büchler-Mattmann, Helene; Gross, Franz et al.: Hitzkirch. Pfarrkirche St. Pankratius, Deutschordenskommende, Interkantonale Polizeischule, 1984.
  • Wey, Othmar: «Seeufersiedlungen am Hallwiler- und Baldeggersee», in: Schweizerisches Landesmuseum (Hg.): Die ersten Bauern, Bd. 1, 1990, S. 285-292 (Ausstellungskatalog).
  • Büchler-Mattmann, Helene; Häfliger, Bruno: Familien im Hitzkirchertal 1678. Baubuch der Pfarrei St. Pankratius Hitzkirch, 1678, 1991.
  • Wey, Othmar: Die Cortaillod-Kultur in der Zentralschweiz. Studien anhand der Keramik und des Hirschgeweihmaterials, 2001, S. 88-115, S. 145-159.
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Waltraud Hörsch; Othmar Wey: "Hitzkirch (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.06.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000601/2021-06-15/, konsultiert am 19.03.2024.