AdolfOgi

18.7.1942 Kandersteg, reformiert, von Kandersteg. Sportfunktionär, Berner Nationalrat und Bundesrat der Schweizerischen Volkspartei, UNO-Sonderberater für Sport. 

Porträt von Adolf Ogi. Studioaufnahme aus dem Jahr 1995 (KEYSTONE / Martin Rütschi, Bild 744).
Porträt von Adolf Ogi. Studioaufnahme aus dem Jahr 1995 (KEYSTONE / Martin Rütschi, Bild 744).

Adolf Ogi ist der Sohn des Adolf Ogi und der Anna geborene Wenger. Die Herkunft aus dem Berner Oberland prägte ihn zeitlebens. Der Vater war als Förster, Bergführer, Skilehrer und nebenberuflicher Gemeindepräsident tätig, die Mutter war Hausfrau. 1972 heiratete er Katharina Marti, die Tochter des Hans Marti und der Greti geborene Messer, Bauersleute und Besitzer des Landgasthofs Löwen in Fraubrunnen. Der Ehe entsprangen ein Sohn und eine Tochter. 

Nach der Grundschule in Kandersteg besuchte Ogi 1958-1961 die Höhere Handelsschule in La Neuveville und bildete sich anschliessend in Grossbritannien weiter. Seine berufliche Tätigkeit begann er 1963 als Leiter des Verkehrsvereins Meiringen-Hasliberg. 1964-1981 arbeitete er beim Schweizerischen Skiverband in Bern, 1975-1981 als dessen Direktor; daneben amtierte er 1971-1983 als Vizepräsident des alpinen Welt- und Europakomitees der Fédération internationale de ski (FIS). National bekannt wurde er als Delegationsleiter des erfolgreichen Schweizer Teams bei den Olympischen Winterspielen 1972 in Sapporo. 1981-1987 leitete Ogi als Direktor und Verwaltungsrat die Intersport Schweiz Holding AG, einen Zusammenschluss von Unternehmen des Sportfachhandels. Im Militär stieg er zum Major auf.

1978 trat Ogi der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bei, der seine Schwiegereltern seit Langem angehörten; 1979 eroberte er als Liebling der Boulevardpresse auf Anhieb einen Sitz im Nationalrat. Dort war er unter anderem Mitglied der Militärkommission, die er 1986-1987 präsidierte. 1984 wurde er zum Präsidenten der nationalen SVP gewählt. Als Leon Schlumpf seinen Rücktritt aus dem Bundesrat ankündigte, nominierte die SVP-Fraktion Ogi mit deutlicher Mehrheit als Kandidaten für seine Nachfolge. Im ersten Wahlgang am 9. Dezember 1987 verweigerten ihm noch einzelne bürgerliche Politiker der Vereinigten Bundesversammlung die Stimme, um ihn für sein Eintreten für Lilian Uchtenhagen bei den Bundesratswahlen 1983 zu bestrafen, sodass Ogi das absolute Mehr trotz grossen Vorsprungs auf seine Mitkandidaten verfehlte. Im zweiten Wahlgang setzte Ogi sich mit 132 Stimmen – bei einem absoluten Mehr von 121 Stimmen – gegen seine Parteikollegen Hans Rudolf Nebiker, Ulrich Gadient und Ulrich Siegrist durch.

Von seinem Vorgänger übernahm Ogi 1988 das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED). Er erreichte 1990 die Verankerung des Artikels 89 in der Bundesverfassung, der Bund und Kantone zur Sicherstellung einer breitgefächerten Versorgung sowie zum sparsamen Umgang mit Energien verpflichtet (Energiepolitik), die Schaffung des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM) 1992, die 1993 verabschiedete Revision des Luftfahrtgesetzes sowie Schritte zur Liberalisierung der Radio-, TV- und Telekommunikationsmärkte. Zu Ogis Erfolgen zählen die Annahme der Vorlage über die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) mit zwei Routen via Lötschberg und Gotthard 1992 sowie das 1993 in Kraft getretene Transitabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Schwerverkehr (Verkehrspolitik). Politische Rückschläge stellten für ihn 1990 bzw. 1994 die Annahmen des 10-jährigen Moratoriums für den Ausbau der Atomenergie und der Alpeninitiative durch Volk und Stände dar (Alpen).

Bundesrat Adolf Ogi (Mitte) präsentiert vor den Medien in Bern die Botschaft über den Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) mit zwei Routen durch den Gotthard und den Lötschberg. Fotografie vom 28. Mai 1990 (KEYSTONE / Hans Schlegel, Bild 273762547).
Bundesrat Adolf Ogi (Mitte) präsentiert vor den Medien in Bern die Botschaft über den Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) mit zwei Routen durch den Gotthard und den Lötschberg. Fotografie vom 28. Mai 1990 (KEYSTONE / Hans Schlegel, Bild 273762547). […]

Die Eskalation des Streits um die Neat-Finanzierung im Sommer 1995 führte einerseits zum Rücktritt Otto Stichs, andererseits zum Departementswechsel Ogis; dieser stand ab Oktober 1995 dem Eidgenössischen Militärdepartement (EMD) vor, das 1998 zum Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) erweitert wurde. Er lancierte den 1996 erfolgten Beitritt zum Programm Partnerschaft für den Frieden der Nato und initiierte zwei internationale Zentren, das Geneva Centre for Security Policy (GCSP, 1995 gegründet) und das Geneva Centre for Security Sector Governance (DCAF, 2000). 1999 war er massgebend am Entscheid des Gesamtbundesrats beteiligt, die Kosovo Force (KFOR) durch ein schweizerisches Truppenkontingent, die sogenannte Swisscoy, zu verstärken (Kosovo, Landesverteidigung). Der erste Entwurf zur Planung der Armee XXI erwies sich dagegen noch als unausgegoren. Getrübt wurde Ogis Amtsführung durch eine wenig glückliche Hand im Umgang mit den Betrugsaffären um Friedrich Nyffenegger 1996 und Dino Bellasi 1999, die zum Rücktritt von Generalstabschef Arthur Liener bzw. Nachrichtendienstchef Peter Regli führten. Auch scheiterte die Bewerbung um die Durchführung der Winterspiele 2006 im Wallis, für die er sich engagiert hatte. 1993 und 2000 amtierte er als Bundespräsident.

Ogi wurde während seiner Amtszeit wegen seiner internationalen Ausrichtung immer wieder von der eigenen, vom nationalkonservativen Flügel dominierten Partei angegriffen. Sein Eintreten für eine Teilnahme der Schweiz am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union (EU) widersprachen grundlegend der von Christoph Blocher geprägten politischen Linie der SVP. Die zunehmenden Spannungen überdauerten seinen Rücktritt aus dem Bundesrat Ende 2000: Sein Nachfolger Samuel Schmid gewann 2001 gegen die SVP die Referendumsabstimmungen über die noch von Ogi lancierten Gesetzesänderungen, die eine Bewaffnung von Soldaten im Auslandseinsatz und die Zusammenarbeit bei der militärischen Ausbildung mit befreundeten Staaten vorsahen.

Nach seinem Rücktritt übernahm Ogi viele Aufgaben, namentlich im sportlichen Bereich. 2001 scheiterte er mit einer Kandidatur für einen Sitz im Internationalen Olympischen Komitee, wurde aber schon bald darauf von Kofi Annan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO), zum Sonderberater für Sport im Dienst für Entwicklung und Frieden ernannt; diese Funktion hatte er bis 2007 inne. Ogi wurde mehrfach ausgezeichnet; er erhielt zahlreiche Ehrungen, mehrere Ehrendoktorate und Ehrenbürgerrechte.

Adolf Ogi im Gespräch mit dem Astronauten Claude Nicollier. Beitrag in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 7. August 1992 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).
Adolf Ogi im Gespräch mit dem Astronauten Claude Nicollier. Beitrag in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 7. August 1992 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF). […]

Das für einen Schweizer Politiker unkonventionelle Auftreten von Adolf Ogi führte zu unterschiedlichen Wahrnehmungen: Während bildungsbürgerliche Kreise anfangs an seiner Eignung zum Bundesrat zweifelten und sich gelegentlich über seine Auftritte lustig machten, wurde er in der breiten Bevölkerung wegen seines mitreissenden Wesens und seiner offenen Art, auf Leute zuzugehen, immer populärer. Die beiden Alpendurchstiche gelten als seine wichtigsten Hinterlassenschaften. Ogi trug zudem mit seiner Verteidigungspolitik, die auf Sicherheit durch internationale Kooperation abzielte, auch zur Überwindung der Sinnkrise der Armee nach dem Ende des Kalten Kriegs bei.

Quellen und Literatur

  • Gerbex, Claude; Schaller, Claude-Henri: Dölf hat gesagt...! Bundespräsident Ogi hautnah, 2000.
  • Hubacher, Helmut: Ogi – Macht und Ohnmacht, 2001.
  • Zurlinden, Urs: Der Ogi, 2001.
  • Häfliger, André; Wüthrich, Georges: Dölf Ogi. So wa(h)r es!, 2012.
  • Heim, Lukas; Weber, Annette (Hg.): Unser Dölf. 75 Wegbegleiter und Zeitzeugen würdigen alt Bundesrat Adolf Ogi, 2017.
  • Zeller, René: «Adolf Ogi», in: Altermatt, Urs (Hg.): Das Bundesratslexikon, 2019, S. 619-625.
Weblinks
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Zitiervorschlag

Diego Hättenschwiler: "Ogi, Adolf", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.03.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004741/2022-03-11/, konsultiert am 19.03.2024.