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Schattenhalb

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Oberhasli, Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli. Die 31 km2 grosse Berggemeinde erstreckt sich von der Aareschlucht im unteren Haslital über das Reichenbachtal bis zum Rosenlauigletscher und den hochalpinen Gipfeln Dossen und Wellhorn; sie umfasst die Dörfer Willigen im Tal (auf 600 m), Geissholz am Kirchet (786 m) sowie Falchern, Schwendi und Lugen auf der Talterrasse (auf 850 m). 1764 298 Einwohner; 1850 767; 1880 850; 1900 772; 1950 954; 2000 574.

Einzelfunde (bronzezeitliche Randaxt am Grindelgrat, bronzezeitliche Lanzenspitzen am Kirchet, römischer Münzhortfund) bezeugen eine Begehung des Gebiets in prähistorischer Zeit. Im Mittelalter teilten die genossenschaftlich organisierten Bäuerten des Kirchspiels Meiringen die Geschicke der Reichsvogtei Hasli und kamen mit ihr 1334 an Bern. Haupterwerb war bis ins 20. Jahrhundert die Alp- und Viehwirtschaft (Rinder-, Pferdezucht, Alpkäserei) mit privaten Heimbetrieben im Tal oder auf Talterrassen sowie mit privaten (Rosenlaui, Seili) und genossenschaftlichen Alpen (Grindel, Kaltenbrunnen). Die Einwohner waren stets nach Meiringen kirchgenössig. Die Einwohnergemeinde Schattenhalb wurde 1834 aus den Bäuerten Willigen, Geissholz, Falchern und Lugen geschaffen.

Im 18. und 19. Jahrhundert entdeckten und beschrieben Gelehrte (u.a. Karl Viktor von Bonstetten, Jakob Samuel Wyttenbach) die Naturschönheiten wie Reichenbachfälle, Rosenlauigletscher, Rosenlaui- und Aareschlucht. Am alten Passweg (spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Saumweg teilweise erhalten) über die Grosse Scheidegg entstanden Ende 18. Jahrhundert erste Gasthäuser, die dank Reiseberichten und Stichen zu Weltruf kamen. Das Rosenlauibad (Badewirtschaft 1788 konzessioniert) entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu Touristenherberge und Kurhaus. Das Reichenbachbad (Heilbad vor 1800, ab 1835 auch Gasthaus) erschloss die Wasserfälle durch Fusswege und ab 1899 durch eine Drahtseilbahn (mit drei Kleinkraftwerken); nach dem Brand von 1901 wurde es zu einem Grandhotel umgebaut und 1919 in eine psychiatrische Klinik umgewandelt (heute Privatklinik Meiringen). 1888 wurde die Aareschlucht als Touristenattraktion begehbar gemacht; die Trambahn Meiringen-Reichenbach-Aareschlucht verkehrte 1912-1956. Das Rosenlauibad ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts durch eine Fahrstrasse mit dem Haslital verbunden (später über die Grosse Scheidegg weitergeführt); das nahe Kletterparadies Engelhörner zieht viele Besucher an. Mit Meiringen bildet die Gemeinde einen gemeinsamen Post- und Telefonkreis. Die meisten Betriebe (u.a. Holz-, Bau-, Gastgewerbe) befinden sich im Dorf Willigen, in dem auch die Gemeindeverwaltung ihren Sitz hat. Heute erlauben Strassen die Bewirtschaftung der Alpen mehrteils vom Talhof aus (Alpkäserei in Kaltenbrunnen). Der 3. Sektor stellte 2005 76% der Arbeitsplätze in Schattenhalb. Die Gemeinde führte 2009 nur noch die 1714 gegründete Schule in Willigen; die 1659 in Falchern bzw. 1788 in Geissholz eingerichteten Schulen waren 1970 bzw. 2004 aufgegeben worden.

Quellen und Literatur

  • G. Kurz, C. Lerch, Gesch. der Landschaft Hasli, bearb. von A. Würgler, 1979
  • Auf den Spuren früher Touristen, Ausstellungskat. Kiesen, 1990
  • P. Bannwart, Bauinventar der Gem. Schattenhalb, 2000

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Schattenhalb", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000472/2012-11-14/, konsultiert am 29.03.2024.