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Innertkirchen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Oberhasli, Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli, seit 2014 mit Gadmen. Die grosse Berggemeinde (121 km2 bzw. mit Gadmen 238 km2) im Talboden an der Einmündung von Urbach- und Gadmerwasser in die Aare umfasst im Südwesten das Urbachtal mit dem Gauligletscher und dem Hochgebirge am Wetterhornmassiv, im Nordosten den Eingang zum Gadmental und das Gental mit der Engstlenalp und im Nordwesten den Talriegel des Kirchet mit einem Anteil an der Aareschlucht. 1834 wurde die Einwohnergemeinde Innertkirchen aus den Bäuerten Grund, Bottigen, Wyler-Schattseite, Wyler-Sonnseite und der Gütergemeinde Äppigen geschaffen. Innert dem Kirchen/Kirchet. 1764 656 Einwohner; 1850 1375; 1880 1438; 1900 1105; 1950 1194; 1960 1230; 2000 936.

Der sogenannte Grund war zur Römerzeit begangen (Münzfunde); im Wyler (Gasthof Tännler) lassen römische Mauerfunde eine Raststation (mutatio oder mansio) vermuten. Im Mittelalter teilten die Bäuerten die Geschicke der Reichsvogtei Hasli und kamen mit ihr 1334 an Bern. Der spätmittelalterliche Besitz auswärtiger Grundherren (Ringgenberg, Seftigen, Bubenberg, Scharnachtal) kam sukzessive an die Bäuerten, die zum Kirchspiel Meiringen gehörten. 1713 wurden sie mit Gadmen und Guttannen zur Kirchgemeinde Hasle im Grund vereint. Als Kirchen dienten jene von Gadmen und Guttannen; als diese 1816 selbst Kirchgemeinden wurden, kamen die Bäuerten wieder zu Meiringen. 1835 wurde im Grund eine Helferei errichtet, 1860 die Kirchgemeinde Innertkirchen; bei der 1840 erbauten Kirche im Hof (Grund) entstand das Gemeindezentrum. Haupterwerbszweig war bis ins 20. Jahrhundert die Alp- und Viehwirtschaft (Export von Rindern, Pferden, Käse) im Wechsel zwischen privatem Heimbetrieb in den Dorfschaften im Tal, privaten Vorsassen und Alpen in Bäuertbesitz. Die Bäuerten der Landleute (gmein pursami lüt) sicherten ihre Rechte oft im Streit mit Nachbarn (z.B. 1406 die Sieben Dörfer ihre Rechte am Gental) und regelten unter anderem die Alpnutzung, den Auftrieb und die Weidetermine (z.B. 1562 Ordnung der Bäuert Grund). Die Einwohnergemeinde Innertkirchen übernahm ab 1834 sukzessive die öffentliche Aufgaben der Bäuerten (heute private Körperschaften).

Die Bäuerten Innertkirchens um 1783

BäuertDorfschaftAnzahl Häuser
GrundBrügg32
 Winkel15
 Unterstock15
BottigenBottigen14
 im HofPinte, Pfarrhaus
Äppigen GütergemeindeÄppigen3
Wyler SonnseiteWyler15
 Mühletal7
Wyler Schattseite Einzelhöfe
Die Bäuerten Innertkirchens um 1783 -  Autorin

Seit dem Mittelalter liegen Alpen und Wälder der Bäuert Grund im Urbachtal (auf Mattenalp Ruinen eventuell mittelalterliche Einraumhütten), die der Bäuert Bottigen auf Blattenalp, die der Wyler-Schattseite auf Speicherbergalp und die der Wyler-Sonnseite auf Färrichalp. Die Kuhrechte im Gental und auf Engstlenalp (Genossenschaften) sind in Privat- und Bäuertbesitz. Im Spätmittelalter hatten Landleute Alprechte hüben und drüben – Hasler auf Tannalp, Unterwaldner (u.a. Kloster Engelberg) auf Engstlenalp; im 15. Jahrhundert begann deren Ausscheidung, 1828-1829 erfolgte die definitive Grenzbereinigung mit Unterwalden.

Nebenerwerb fanden Einheimische als Säumer im Passverkehr und als Waldarbeiter im Bergwerk. Von der Säumerei (Umladestation, heute Gemeindehaus) im Grund liefen Handelsrouten als Saumwege zum Grimselpass und zum weniger frequentierten Sustenpass sowie lokale Wege zum Jochpass, bis im 19. Jahrhundert erste Fahrstrassen entstanden: ab 1814 Meiringen-Innertkirchen-Gadmen-Susten, ab 1873 Innertkirchen-Guttannen-Grimsel, 1957 Innertkirchen-Engstlenalp (ohne Jochpass).

Das Eisenwerk im Mühletal mit Hochofen, Hammerschmiede, Sägerei und Personalhäusern – ein Knappenhaus ist in Wyler erhalten – wurde als Lehen der bernischen Obrigkeit vom 16. Jahrhundert an von Auswärtigen betrieben; Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es stillgelegt. Raubbau an den Bergwäldern gefährdete Alpen durch Wildwasser und Lawinen. Nach 1800 verbreitete sich Armut unter der wachsenden Bevölkerung; Heimarbeit (Handweberei, Holzschnitzerei) brachte zu wenig ein, so dass viele Familien nach Amerika auswanderten.

Neue Verdienstmöglichkeiten schuf der Kraftwerkbau durch die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO, 1925 gegründet), die ihren Sitz und ihre Zentralen in Innertkirchen hat. Die von ihr 1926 angelegte Werkbahn Meiringen-Innertkirchen förderte auch den Fremdenverkehr, der zu Beginn des 21. Jahrhundert vor allem aus Passantentourismus bestand. Postautokurse versehen den öffentlichen Personen- und Gütertransport bis Guttannen und Gadmen ganzjährig, den Ausflugsverkehr sommers über Grimsel- und Sustenpass und zur Engstlenalp. Neben Holz-, Bau- und Metallgewerbe ist die KWO AG die wichtigste Arbeitgeberin; die Landwirtschaft wurde zum Nebenerwerb, wobei sich Alpkäsereien zu touristischen Attraktionen entwickelten.

Quellen und Literatur

  • G. Kurz, C. Lerch, Gesch. der Landschaft Hasli, bearb. von A. Würgler, 1979
  • U. Schneeberger, Bauinventar der Gem. Innertkirchen., 2004
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Innertkirchen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.09.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000470/2016-09-15/, konsultiert am 28.03.2024.