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Glattfelden

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Bülach, die das gleichnamige Dorf am Unterlauf der Glatt, die Ortschaften Zweidlen, Schachen und Rheinsfelden sowie die Exklave Neuhaus umfasst. 1130 Glatevelden. 1634 593 Einwohner; 1771 634; 1836 1098; 1850 1247; 1880 1756; 1900 1584; 1950 2209; 2000 3544.

Ein spätbronzezeitliches Urnengrab wurde beim Bahnhof Glattfelden entdeckt. Römische Wachttürme aus dem 4. Jahrhundert flankierten die Glattmündung bei Rheinsfelden, wo im Hochmittelalter eine Doppelburg der seit 1310 erwähnten Herren von Rheinsfelden stand. 1398 gehörte der eine Teil dem Grafen von Habsburg-Laufenburg, der andere dem Bischof von Konstanz, der die Feste 1410 zerstören liess, um deren Verkauf an Zürich zu verhindern. Bei der Burg befand sich eine dem heiligen Nikolaus geweihte, ursprünglich dem Kloster Rheinau zugehörige Kapelle, die um 1539 profaniert wurde. Die 1130-1396 bezeugten Herren von Glattfelden waren Dienstmänner der Freiherren von Tengen, die im Hochmittelalter das Niedergericht besassen. Dieses wurde 1496 mit der Herrschaft Eglisau von Zürich übernommen. Das Hochgericht kam über die Grafen von Habsburg-Laufenburg und die habsburgische Grafschaft Kyburg 1424 bzw. 1452 an Zürich. Bis 1798 gehörte Glattfelden mit Ausnahme Schachens (ab 1442 im Neuamt) zur Landvogtei Eglisau; das Hochgericht stand jedoch dem Landvogt von Kyburg zu und wurde erst 1678 auf Verlangen Glattfeldens der Landvogtei Eglisau übertragen. Die 1275 erstmals erwähnte Kirche war eine Filiale Hohentengens, wurde um 1400 aber von Kaiserstuhl aus bedient. 1421 wurde Glattfelden zur Pfarrei erhoben, der bis 1546 auch Seglingen und Tössriedern angehörten. Die Kollatur blieb auch nach der Reformation beim Bischof von Konstanz und kam 1804 an den Kanton Zürich. Von 1526 datiert der Einzugsbrief, von 1657 die Offnung 1798 wurde im Pfarreigebiet die politische Gemeinde Glattfelden geschaffen und diese dem Distrikt bzw. 1803 dem Bezirk Bülach zugeteilt. 1814 kam sie zum Oberamt Embrach; 1831 wurde sie wieder dem Bezirk Bülach zugeschlagen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildeten sich die Zivilgemeinden Glattfelden und Zweidlen, die 1917 aufgelöst wurden.

Das Scheuchzerhaus, das Gottfried Kellers Familie mütterlicherseits bewohnt hatte, fotografiert kurz vor dem Abbruch 1956 © KEYSTONE/Photopress.
Das Scheuchzerhaus, das Gottfried Kellers Familie mütterlicherseits bewohnt hatte, fotografiert kurz vor dem Abbruch 1956 © KEYSTONE/Photopress. […]

Während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit dominierten der Getreideanbau und die grossen Rebkulturen am Laubberg; eine Mühle ist 1254, eine Taverne 1548 belegt. 1758 wurde beim Dorf die Glattbrücke errichtet; Brückengeld wurde bis 1835 erhoben. Um 1840 erfolgte die Anlage der Kantonsstrasse nach Rorbas und Weiach und 1876 der Anschluss an die Nordostbahnlinie Winterthur-Koblenz mit den Stationen Glattfelden und Zweidlen. Die Textilindustrie an der Glatt (1855 und 1868 Spinnereien, 1867 Weberei, 1896 Zwirnerei) führte zu starken Veränderungen der Bevölkerungsstruktur; 1920 waren 60% der Erwerbstätigen im 2. Sektor beschäftigt; erst nach der Schliessung der Textilfabriken (1964-1983) überwog allmählich der 3. Sektor (1995 52%). Das 1919 eröffnete Rheinkraftwerk hatte die Versetzung der Ortschaft Rheinsfelden zur Folge. Seit ca. 1960 werden die Grosskiesgruben zwischen Glattfelden und Zweidlen ausgebeutet. In den 1960er und 1980er Jahren entstanden im Norden und Osten von Glattfelden neue Wohnquartiere. 1978 wurde eine Umfahrungsautobahn eröffnet. Glattfelden ist der Heimatort Gottfried Kellers, der sich in seiner Jugendzeit oft im Dorf aufgehalten und dieses im Roman "Der grüne Heinrich" beschrieben hat. Zu Ehren des Dichters wurde 1985 im Dorfkern eine kulturelle Begegnungsstätte eingeweiht.

Quellen und Literatur

  • A. Näf, Gesch. der Kirchgem. Glattfelden, 1863 (Nachdr. 1985)
  • H. Glattfelder, Glattfelden in alten Zeiten, 1971
  • Gottfried-Keller-Zentrum Glattfelden, 1985
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Ueli Müller: "Glattfelden", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.12.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000046/2006-12-28/, konsultiert am 28.03.2024.