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NidauGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Nidau. Kleinstadt am östlichen Ende des Bielersees an den Ausflüssen der Zihl und des Nidau-Büren-Kanals. Zentrum der ehemaligen gleichnamigen Herrschaft bzw. Landvogtei, seit 1803 Bezirkshauptort. Die Gemeinde umfasst Altstadt, Schloss und Quartiere des 20. Jahrhunderts. 1196 Nidowe. 1764 350 Einwohner; 1850 614; 1900 1578; 1950 2800; 1970 7964; 2000 6798. Am Seeufer (Steinberg im Strandbad, Zihl, Schlossmatte, Mühleruns) fanden sich Reste von Ufersiedlungen vom Neolithikum bis zur Spätbronzezeit. Im Zihlkanal wurden ein latènezeitlicher Einzelfund, in der alten Zihl vermutlich römische Eisenbarren entdeckt.

Ansicht des Schlosses am Zihlausfluss. Kolorierte Aquatinta von Jakob Suter aus dem Jahr 1825 nach einer Zeichnung von Johann Jakob Wetzel (Neues Museum Biel).
Ansicht des Schlosses am Zihlausfluss. Kolorierte Aquatinta von Jakob Suter aus dem Jahr 1825 nach einer Zeichnung von Johann Jakob Wetzel (Neues Museum Biel). […]

Zwischen den Zihlarmen entstand um 1140 die erste und um 1180 die zweite Holzburg, die dann im frühen 13. Jahrhundert durch einen massiven Steinbau (heute unterer Teil des Schlossturms) ersetzt wurde. Um diese bildete sich eine Vorburg oder eventuell ein Burgstädtchen (nördlicher Stadtteil), die bzw. das vor dem Laupenkrieg 1338 erweitert und befestigt wurde. Die ungleichseitige Dreieckanlage, deren Spitze gegen die im Norden liegende Burg zeigt, bestand aus der von Norden nach Süden verlaufenden Hauptgasse parallel der Zihl und drei rechtwinklig gegen Westen abgehenden Nebengassen, deren südlichste die Schulgasse war. Stadt und Burg waren von der Grossen Zihl sowie natürlichen und künstlichen Zihlarmen umflossen. Die zwei Tortürme wurden 1829 und 1866 abgebrochen. Zur städtischen Infrastruktur zählten das Rathaus (heutiger Bau von 1759), das Markt-, Kauf- oder Kornhaus (ab 1411 erwähnt, 1507 und um 1640 Neubauten, ca. 1834-1863 als Schule genutzt), das Spital (1430 erwähnt, 1840 aufgehoben) und das Siechenhaus (ab 1474 erwähnt, auf dem Gebiet der Gemeinde Port gelegen, bis 1773 genutzt). Lange war nur ein Streifen längs der Haupt- und der Schulgasse im Gebiet innerhalb der Mauern bebaut; im Westen erfolgte die Überbauung grösstenteils erst ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert, obwohl auch die beiden nördlichen Quergassen schon in der mittelalterlichen Anlage ansatzweise ausgebildet waren.

Aus gräflicher Zeit ist kein Stadtrecht erhalten, und dasjenige, das 1425 Bern erteilte, ist nur in der Fassung von 1548 überliefert. Das älteste Stadtsiegel stammt von 1363. Dem Rat stand ein gräflicher Beamter (Schultheiss, 1363 erwähnt) vor; unter Bern präsidierte der Landvogt das Stadtgericht, den zwölfköpfigen Kleinen wie den Grossen Rat, der im Ancien Régime aus den Kleinräten und zehn Burgern bestand. Oberste städtische Chargen waren der Venner, der Stellvertreter des Landvogts, und der Bürgermeister, der zugleich als Säckelmeister fungierte. Der Stadtschreiber war meist auch Schreiber der Landvogtei. Die Politik des gräflichen Stadtherrn trug Nidau Besetzungen durch die von Enguerrand de Coucy geführten Gugler (1375, 1388) und durch Truppen des Bischofs von Basel (1387) sowie die Belagerung durch Bern und Solothurn ein (1388). Stadtbrände verursachten 1388, 1413, 1513 und 1743 grosse Schäden.

Die strategische Lage an den Transitstrassen Bern-Jura-Basel und Genf-Bodensee sowie die Rolle eines Umschlagplatzes von der See- auf die Flussschifffahrt verhalfen Nidau zu ausserordentlichem Gewicht im bernischen Staat, dem es auch lange als Bastion gegen die ins Seeland ausgreifenden Basler Fürstbischöfe diente. Projekte aus dem 17. und 18. Jahrhundert, Stadt und Schloss zu einer grossen Festung auszubauen, wurden aber nicht realisiert.

Im Marktort Nidau (Wochen-, Kornmarkt, zwei bis drei Jahrmärkte) mit Stadtzoll, Fuhr-, Schiff- und Gastgewerbe war das Handwerk mit Ausnahme der Gerberei bloss von lokaler Bedeutung. Sie waren in einer einzigen, kurz vor 1485 gegründeten Zunft, der "Gesellschaft", zusammengefasst und verfügten ab ca. 1500 über ein Zunfthaus. Fischfang, Weinbau (auf Boden von Tüscherz-Alfermée) sowie Acker- und Gartenbau (Burgerbeunden) waren Nahrungsgrundlage. 1436 erwarb Nidau die Sömmerungsalp Landerswilberg (Gemeinde Péry-La Heutte).

Die Stadt gehörte ursprünglich zur Pfarrei Bürglen (Gemeinde Aegerten); ihre Kirche (1368 erwähnt, Erhardpatrozinium, 1678 Umbau zur Saalkirche) mit Nikolauskapelle war Filiale von Bürglen und wurde erst 1482 selbstständige Pfarrkirche. Der Kirchensatz lag in den Händen des Klosters Gottstatt und ging in der Reformation 1528 an die Stadt Bern über, die in Nidau eine Helferei einrichtete. 1706 kamen die Patronatsrechte wieder an die Stadt Nidau. Seit der Reformation gehören auch die Bewohner von Bellmund und Port zur Kirchhöre, seit dem späten 17. Jahrhundert auch diejenigen von Ipsach. 1879-1989 zählte auch Sutz-Lattrigen zur Kirchgemeinde Nidau, innerhalb der die Gemeinden Bellmund, Port und Ipsach heute eigene Pfarrkreise bilden.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Nidau immer öfter überschwemmt. Die erste Juragewässerkorrektion (1868-1891) legte die Stadtumgebung trocken und erweiterte die Seeuferzone; die Nebenarme der Zihl wurden zugeschüttet. Der Nidau-Büren-Kanal, 1868-1875 durch Allmendland gebaut, ersetzte die Zihl als Wasserstrasse. Nachdem Biels Anschluss an die Eisenbahn (1857) und dessen neuer Hafen Nidaus Rolle als Umschlagplatz ein Ende gesetzt hatten, richtete sich das Städtchen stark auf die Industriestadt Biel und deren Arbeitsplatzangebot aus. Das 1877 eröffnete Rösslitram Nidau-Biel-Bözingen wurde 1940 durch einen Trolleybus ersetzt. Tiefere Landpreise in Nidau lösten bald eine rege Bautätigkeit in den Neuquartieren Weyermatten (1895-1907) und Hofmatten (Eisenbahner-Baugenossenschaft, 1911-1929) aus. 1916 brachte die Linie Nidau-Täuffelen-Ins, die 1926 nach Biel verlängert wurde, den Anschluss an das Eisenbahnnetz. Massiver Zuzug nach 1945 führte zu einem Bauboom, in dessen Verlauf die Neuquartiere Aalmatten (ab 1950), Weidteile und Burgerbeunden (ca. 1960-1990) entstanden. Heute gehen die Aussenquartiere Nidaus nahtlos in jene Biels über.

Das Landstädtchen Nidau war für neue Strömungen offen, was sich unter anderem 1762 in der Gründung der ökonomischen Gesellschaft und 1824 in derjenigen der Ersparniskasse niederschlug. 1832 wurde aus der Latein- die Sekundarschule. Aus Nidau stammen mehrere wichtige Promotoren des bernischen Radikalismus. Vom 19. Jahrhundert an zählte die Exekutive sieben Gemeinderäte; 1922 wurde die Gemeindeversammlung durch einen Grossen Gemeinderat (30 Mitglieder, heute Stadtrat) ersetzt. 1920 hatten Biel und Nidau einer Fusion zugestimmt, doch der bernische Grossrat genehmigte diese nicht.

Die eigene industrielle Entwicklung setzte vor 1900 ein (ehemalige Karbidfabrik, Brückenbauwerkstätten, Metallwaren-, Möbel-, Piano-, Wannen-, Chemie-, Kartonagefabrik). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren neben einigen Industriebetrieben (Maschinenfabrik, Niederlassung der BKW, Elektro-, Oberflächen-, Umwelttechnik) und Klein- und Mittelgewerbe Unternehmen des 3. Sektors vorherrschend.

Ökonomisch wie kulturell blieb Nidau stark auf Biel ausgerichtet. Der Bevölkerungszuwachs bedingte neue Schulbauten (1919, 1968, 1975). Auf Nidaus Gemeindegebiet liegt das Strandbad Biel, das zusammen mit der Anlegestelle für Kursschiffe und dem Kleinboothafen 1928-1932 angelegt wurde und wegen seiner dem Neuen Bauen verpflichteten Architektur landesweit Beachtung fand. Das 1988 zur Betreuung von alten und pflegebedürftigen Personen eingerichtete Ruferheim wird von einem Gemeindeverband getragen. Die einst deutschsprachige Stadt ist heute zweisprachig (2000 74% der Gemeindebevölkerung deutsch- und 16% französischsprachig); den französischsprachigen Schulkindern zahlt die Gemeinde das Schulgeld zum Besuch der französischen Schule in Biel.

Quellen und Literatur

  • P. Aeschbacher, Stadt und Landvogtei Nidau von den Anfängen bis ins 16. Jh., 1929
  • G. Neuhaus, Nidau, 1988
  • Kdm BE Land 3, 2005
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Nidau (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.11.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000446/2016-11-10/, konsultiert am 19.03.2024.