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Planwirtschaft

Als Planwirtschaft wird ein Wirtschaftssystem bezeichnet, in welchem die wirtschaftlichen Abläufe nicht über den Markt, sondern nach einem zentralen, von der staatlichen Bürokratie erarbeiteten Plan gelenkt werden. Während des Kalten Kriegs stand die weit entwickelte Planwirtschaft der kommunistischen Staaten im Vordergrund des Interesses. Sie galt als Gegenmodell zur kapitalistischen Marktwirtschaft der westlichen Staaten. Bei der Gegenüberstellung der beiden Wirtschaftssysteme übersah man oft, dass die Planwirtschaft nicht zwingend an den Sozialismus gebunden ist, sondern auch in privatwirtschaftlich organisierten Gesellschaften, besonders in Kriegs- und Krisenzeiten, in unterschiedlichem Masse verwirklicht werden kann.

Planung als rationale Lenkung der Volkswirtschaft

Plakat von Otto Ernst für die Abstimmung vom 3. März 1929 über die Volksinitiative zur Getreideversorgung (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat von Otto Ernst für die Abstimmung vom 3. März 1929 über die Volksinitiative zur Getreideversorgung (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Im 19. Jahrhundert geriet die erhöhte Wertschätzung des Begriffs der Planung als zweckrationale Organisation der Wirtschaftsprozesse noch kaum in Konflikt mit der liberalen Vorstellung einer spontanen Ordnung des Markts. Seit der Krise des Liberalismus vor und nach dem Ersten Weltkrieg und in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde die angeblich nur um einzelbetriebliche Rentabilität besorgte liberale Ökonomie einer öffentlichen Kritik unterzogen. In den 1930er Jahren forderten technokratische Bewegungen in den USA und in Europa die Übertragung der Wirtschaftslenkung von Ökonomen auf naturwissenschaftlich ausgebildete Ingenieure (Technokratie). In der Schweiz begannen 1935 im Abstimmungskampf um die Kriseninitiative, in der Bewegung des Plans der Arbeit und später auch in der Richtlinienbewegung sozialpolitisch motivierte Konzepte einer Krise und Arbeitslosigkeit überwindenden Konjunkturpolitik Gestalt anzunehmen, die später im Rahmen des Keynesianismus grossen Widerhall gefunden haben. Die nach dem Zweiten Weltkrieg auch in der Schweiz zeitweise ausgebrochene Planungseuphorie brachte unter anderem einen Schub wissenschaftlicher Politikberatung und neuer Planungsmethoden in Wirtschaft und Verwaltung, aber abgesehen von den revidierten Wirtschaftsartikeln keinen nachhaltigen Ausbau staatlicher Wirtschaftslenkung (Etatismus).

Planwirtschaft als Kommando- oder Kriegswirtschaft

Der wesentliche Unterschied zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft macht nicht die vollständige Verstaatlichung der Produktionsmittel aus, sondern der Verzicht auf das Steuerungsmittel spontan gebildeter relativer Preise, an dessen Stelle die staatliche Planung tritt. Die Realisierung maximaler Mittel-Effizienz in technisch-ökonomischen Prozessen ist in der zentralverwalteten Planwirtschaft ein wichtiges, aber nachgeordnetes Ziel. Planwirtschaftliche Steuerung erfolgt im Namen politischer oder militärischer Ziele und Visionen, die rein wirtschaftlichen Überlegungen ausdrücklich übergeordnet werden.

In der Planwirtschaft der kommunistischen Staaten – in der UdSSR ab Ende der 1920er Jahre, in den osteuropäischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg – kontrollierte der Staat auch die sozialisierten und kollektivierten Produktionsmittel, weshalb die Lenkung des Wirtschaftsgeschehens durch die staatliche Bürokratie sehr stark war. Eine solche bürgerliche Freiheitsrechte einschränkende Kommandowirtschaft wurde in der Schweiz von allen grossen politischen Kräften abgelehnt; die Hervorhebung ihrer Defizite war während des Kalten Kriegs fester Bestandteil des vorherrschenden Antikommunismus.

Abstimmungplakat für den eidgenössischen Urnengang vom 2. Juni 1935 von Charles L'Eplattenier (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).
Abstimmungplakat für den eidgenössischen Urnengang vom 2. Juni 1935 von Charles L'Eplattenier (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein). […]

In europäischen Staaten mit liberaler Verfassung wurde eine im engeren Sinne politisch motivierte planwirtschaftliche Einschränkung der Steuerungsfunktion des Markts am ausgeprägtesten im Rahmen der Kriegswirtschaft betrieben. Während des Zweiten Weltkriegs wurden auch in der Schweiz Nahrungsmittelproduktion und -zuteilung, Rohstoffversorgung, Arbeitsmarkt, Erwerbsersatz für die Wehrmänner, Preisbildung und Aussenhandel teilweise staatlich reguliert. Die Eingriffe des Staats waren allerdings weniger einschneidend als in den Krieg führenden Ländern. Die in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg entstehende Agrarpolitik, im Grunde eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Landesversorgung, trug stark planwirtschaftliche Züge. Seit dem Ende des Kalten Kriegs wurde die wirtschaftliche Sonderstellung der Landwirtschaft wieder reduziert, aber nicht beseitigt.

Planwirtschaft als Korrektiv der Marktwirtschaft

Die politisch und gewerkschaftlich organisierte Arbeiterbewegung gab im 19. und 20. Jahrhundert auch in der Schweiz den Anlass, dass in den verschiedenen politischen Lagern Lösungsvorschläge für die soziale Frage entwickelt wurden. Das sozialpolitische Verständnis, das sich schliesslich durchsetzte und auf dem der nach dem Zweiten Weltkrieg Gestalt annehmende Sozialstaat beruhte, gründete weniger auf karitativen Motiven oder solidarischer Umverteilung, sondern vor allem auf planvoller staatlicher Konjunktur- und Vollbeschäftigungspolitik in der national verfassten Arbeits- und Industriegesellschaft sowie der Vorstellung von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Ein Recht auf Arbeit existiert dabei zwar nicht im juristischen, wohl aber im moralischen Sinne.

Bis in die 1990er Jahre bestand grundsätzlich ein breiter politischer Konsens darüber, dass Ungleichheiten in Einkommen und Vermögen durch eine – in ihrem Umfang allerdings immer umstrittene – Umverteilung auf ein politisch akzeptables Mass reduziert werden müssten (Steuern, Sozialpolitik). Es war anerkannt, dass eine planvoll eingerichtete Sozial- und Wirtschaftsordnung das über die Leistungsgerechtigkeit hinausgehende Ziel der sozialen Gerechtigkeit anzustreben habe. Durch die wachsende Kritik am Sozialstaat und Forderungen nach Steuerabbau von Seiten der Wirtschaft und rechtsbürgerlicher Politiker wurde dieser Konsens am Ende des 20. Jahrhunderts in Frage gestellt, aber nicht grundsätzlich erschüttert.

Quellen und Literatur

  • M. Brélaz, Henri de Man, 1985
  • O. Scheiben, Krise und Integration, 1987
Weblinks

Zitiervorschlag

Pietro Morandi: "Planwirtschaft", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.05.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/044247/2010-05-20/, konsultiert am 18.04.2024.