RuthMetzler-Arnold

23.5.1964 Sursee, katholisch, von Willisau und Reiden (bis 2005 Richenthal), nach der ersten Heirat auch von Balgach. Erste Regierungsrätin des Kantons Appenzell Innerrhoden, christlichdemokratische Bundesrätin, Firmeninhaberin und Unternehmensberaterin.

EJPD-Vorsteherin Ruth Metzler-Arnold unterzeichnet in Wien ein Sicherheitsabkommen zwischen der Schweiz und Österreich im Hinblick auf die gemeinsam auszurichtende Fussballeuropameisterschaft 2008. Fotografie vom 17. Februar 2003 (KEYSTONE / Martin Gnedt, Bild 12109460).
EJPD-Vorsteherin Ruth Metzler-Arnold unterzeichnet in Wien ein Sicherheitsabkommen zwischen der Schweiz und Österreich im Hinblick auf die gemeinsam auszurichtende Fussballeuropameisterschaft 2008. Fotografie vom 17. Februar 2003 (KEYSTONE / Martin Gnedt, Bild 12109460).

Ruth Arnold wuchs als ältere von zwei Töchtern des Rechtsanwalts und Amtsgerichtspräsidenten Alois Arnold sowie der Lehrerin Anneliese Agnes geborene Häfliger im Kanton Luzern auf. 1991 heiratete sie den Juristen Lukas Metzler und zog nach Appenzell, wo ihr Mann aufgewachsen war. Seit 2015 ist sie in zweiter Ehe mit dem Bankier Stephan Leo Zimmermann aus Basel verheiratet. Sie hat keine Kinder. Nach der Schule und dem Gymnasium in Willisau und Sursee studierte Arnold an der Universität Freiburg Rechtswissenschaften und schloss ihr Studium 1989 ab (lic. iur. utr.). 1994 erwarb sie das Diplom als eidgenössische Wirtschaftsprüferin. 1990-1999 arbeitete sie in dieser Funktion bei Pricewaterhousecoopers in St. Gallen. In ihrem Wohnkanton Appenzell Innerrhoden trat Metzler-Arnold der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) bei. 1992-1995 ehrenamtliche Richterin am Bezirksgericht Appenzell (Abteilung Zivilgericht) und 1995-1996 Kantonsrichterin, wurde sie 1996 als erste Frau von der Landsgemeinde in die Standeskommission gewählt. Dort übernahm sie als «Frau Säckelmeister» das Finanzdepartement im Nebenamt.

Wahl von Ruth Metzler-Arnold in die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden. Beitrag in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 28. April 1996 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).
Wahl von Ruth Metzler-Arnold in die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden. Beitrag in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 28. April 1996 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF). […]

Nachdem die beiden CVP-Bundesräte Arnold Koller und Flavio Cotti Anfang 1999 ihren Doppelrücktritt bekannt gegeben hatten, beschloss die CVP, die Sitze mit je einer Frau und einem Mann zu besetzen und portierte für den Frauensitz Ruth Metzler-Arnold sowie die St. Galler Regierungsrätin Rita Roos. Damit zog die Partei zwei Politikerinnen ohne bundespolitische Erfahrung langjährigen Parlamentarierinnen wie Rosmarie Simmen (Solothurn) und Judith Stamm (Luzern) vor. Obwohl Roos als Favoritin galt, setzte sich Metzler-Arnold, nach einem Patt im dritten, mit 126 zu 118 Stimmen im vierten Wahlgang durch. Sie war die dritte Frau im Bundesrat und mit 34 Jahren das drittjüngste Mitglied in der Geschichte des Bundesstaats.

Ruth Metzler-Arnold übernahm das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Die von ihrem Vorgänger Arnold Koller aufgegleiste Totalrevision der Bundesverfassung sowie die daran anschliessende Justizreform wurden im April 1999 bzw. im März 2000 von Volk und Ständen angenommen. In der Folge setzte Metzler-Arnold die Erneuerung der Bundesrechtspflege mit der Errichtung eines Bundesstraf- und eines Bundesverwaltungsgerichts um (Bundesgericht). Weitere Vorhaben waren die Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen und die Reorganisation der Bundespolizei, die alle operativen Polizeieinheiten des Bundes dem Bundesamt für Polizeiwesen Fedpol unterstellte. Gesellschaftspolitisch vertrat Metzler-Arnold in vielen Fragen liberale Ansichten, die bei wertkonservativen Exponenten ihrer Partei nicht immer auf Verständnis stiessen. So machte sie sich unter anderem für die Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen und für die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften stark.

Das Schlüsselthema von Metzler-Arnolds Amtszeit war die Asyl- und Ausländerpolitik. Die Bundesrätin zeichnete verantwortlich für die Aufnahme von Flüchtlingen während des Kosovo-Kriegs und richtete in der Folge die Migrations- und Flüchtlingspolitik neu aus. Aufgrund des grossen Drucks, den die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) ausübten, verschärfte der Bundesrat unter Metzler-Arnolds Federführung das Asylrecht, bekämpfte aber zahlreiche parlamentarische Vorstösse und Initiativen mit staats- und grundrechtlichen Argumentationen. Des Weiteren initiierte die Vorsteherin des EJPD die Verhandlungen der Schweiz über einen Beitritt zu den europäischen Abkommen von Schengen und Dublin, die 2008 erfolgreich endeten (Europäische Union). Die erleichterte Einbürgerung (Bürgerrecht) von Ausländerinnen und Ausländern, die in der dritten Generation in der Schweiz leben – ein weiteres Anliegen der Bundesrätin –, wurde hingegen 2004 von Volk und Ständen verworfen. 2003 war Metzler-Arnold Vizepräsidentin des Bundesrats.

Am 10. Dezember 2003 wurde Christoph Blocher (SVP, Zürich) anstelle von Ruth Metzler-Arnold als Bundesrat gewählt. Dieser für das Schweizer Politsystem aussergewöhnliche Vorgang – die letzte Nichtwahl eines amtierenden Mitglieds des Bundesrats ereignete sich 1872 – war einer Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse geschuldet: Die SVP erhob nach ihrem erneuten Erfolg bei den Wahlen 2003 Anspruch auf einen zweiten (statt bisher einen) Bundesratssitz, während die CVP trotz deutlicher Stimmenverluste seit den 1990er Jahren auf ihren beiden Sitzen bestand. In der Ersatzwahl für den ersten CVP-Bundesratssitz, die zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung geriet, unterlag Metzler-Arnold mit 116 zu 121 Stimmen Blocher im dritten Wahlgang. Damit wurde die Zauberformel gesprengt, die seit 1959 für eine stabile Mehrparteienregierung mit konsensorientierter Entscheidungsfindung stand. Als die Bundesversammlung der offiziellen Empfehlung der Partei für die Ersatzwahl des zweiten CVP-Sitzes folgte und Joseph Deiss bestätigte, erklärte Metzler-Arnold, die ebenfalls zur Verfügung gestanden hatte, den Verzicht auf eine weitere Kandidatur.

Mahnwache in Bern als Protest gegen die Nichtwiederwahl von Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold. Beitrag in der Berner Tageszeitung Der Bund vom 9. März 2004, S. 9 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Mahnwache in Bern als Protest gegen die Nichtwiederwahl von Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold. Beitrag in der Berner Tageszeitung Der Bund vom 9. März 2004, S. 9 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Im Anschluss an die Wahlen kam es in frauenpolitischen Kreisen zu Protesten und anlässlich des Internationalen Frauentags 2004 zu einer neunmonatigen Mahnwache (Frauenbewegung); die Presse diskutierte die Nichtwahl Metzler-Arnolds als Frauendiskriminierung bzw. als Resultat mangelnder Solidarität unter Parlamentarierinnen. In ihrem 2004 veröffentlichten Buch Grissini & Alpenbitter, das sich lange auf der Bestsellerliste hielt, äusserte Metzler-Arnold ihre Enttäuschung über die fehlende Unterstützung von Vertretern ihrer Partei. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundesrat lehrte sie 2004-2005 an der Universität St. Gallen. 2005-2010 war sie für Novartis in Paris und Basel tätig, wo sie zuletzt den Bereich Investor Relations leitete. Seit 2010 ist Ruth Metzler-Arnold Inhaberin eines Beratungs- und Kommunikationsunternehmens mit Sitz in Appenzell. Sie übernahm zahlreiche Mandate, etwa als Vizepräsidentin des Verwaltungsrats der AXA Versicherungen Schweiz oder als Präsidentin des Stiftungsrats der päpstlichen Schweizergarde im Vatikan.  

Beitrag zum Erscheinen von alt Bundesrätin Ruth Metzler-Arnolds Buch Grissini & Alpenbitter. Meine Jahre als Bundesrätin in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 9. Juni 2004 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).
Beitrag zum Erscheinen von alt Bundesrätin Ruth Metzler-Arnolds Buch Grissini & Alpenbitter. Meine Jahre als Bundesrätin in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 9. Juni 2004 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF). […]

Quellen und Literatur

  • Metzler-Arnold, Ruth: Grissini & Alpenbitter. Meine Jahre als Bundesrätin, 2004.
  • Comina, Marc: Macht und Zwietracht im Bundeshaus. Die Hintergründe der Abwahl von Ruth Metzler, 2004 (französisch 2004).
  • Altermatt, Urs: «Ruth Metzler-Arnold», in: Altermatt, Urs (Hg.): Das Bundesratslexikon, 2019, S. 652-658.
Weblinks
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VIAF
Kurzinformationen
Variante(n)
Ruth Maria Arnold (Taufname)
Ruth Metzler (Ehename)
Lebensdaten ∗︎ 23.5.1964

Zitiervorschlag

David Aragai: "Metzler-Arnold, Ruth", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.03.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/044059/2022-03-03/, konsultiert am 19.03.2024.