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Worb

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Konolfingen, Verwaltungskreis Bern-Mittelland. Gemeinde im oberen Worblental mit den Dörfern Worb, Rüfenacht, Vielbringen, Richigen, Ried, Wattenwil, Enggistein und Bangerten. 1130-1146 Worw. 1764 1543 Einwohner; 1850 3185; 1900 3729; 1950 5116; 2000 10'895.

Unter den zahlreichen Bodenzeugen befinden sich neolithische und unbestimmte Einzelfunde im Murmösli und am Hubel, hallstattzeitliche Grabhügel im Buchliwald, ein latènezeitliches Gräberfeld im Rohrmoos-Stockeren und Gräber mit Beigaben im Gschneitwald. Frühmittelalterliche Gräber mit Beigaben kamen in Vielbringen sowie unbestimmte Skelettgräber in Rüfenacht zutage. An der Sonnhalde wurden ein römischer Gutshof des 2.-3. Jahrhunderts n.Chr. und 1999 am Worbberg ein römisches Grab mit Beigaben entdeckt.

Vue générale des Alpes et glacieres prise du château de Worb. Aquatinta von Charles Melchior Descourtis nach einem Gemälde von Johann Wolfgang Clement, 1785 veröffentlicht von Rudolf Hentzy in den Vues remarquables des montagnes de la Suisse (Privatsammlung).
Vue générale des Alpes et glacieres prise du château de Worb. Aquatinta von Charles Melchior Descourtis nach einem Gemälde von Johann Wolfgang Clement, 1785 veröffentlicht von Rudolf Hentzy in den Vues remarquables des montagnes de la Suisse (Privatsammlung). […]

1127 werden die Freiherren de Worvo erstmals erwähnt. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbten die Freiherren von Kien Herrschaft und Burg, 1336 nahmen sie in Bern Burgrecht und traten der Stadt Heerfolge und das Hochgericht (vielleicht über den Burgenbereich) ab. 1352 kam Worb an die Herren von Seedorf, 1393 an die von Krauchthal. Nach Teilungen übernahm Niklaus von Diesbach 1469 die ganze Herrschaft. Spätere Inhaber waren die Bernburger von Graffenried ab 1609 und die von Sinner ab 1792. Der Umfang der Herrschaft entsprach der Kirchgemeinde Worb ohne Rüfenacht und Vielbringen (Stadtgericht Bern), den Weiler Ried (Herrschaft Wil), jedoch mit Walkringen (nur bis 1398) und dem Twing Wikartswil (Kirchgem. Walkringen), ferner mit Bangerten und den Höfen Etzrüti, Schönbrunnen, Menzenwil (alle Kirchgemeinde Vechigen), mit dem Twing Trimstein ab 1498 und Beitenwil ab 1473 (beide Kirchgemeinde Münsingen). Ausser den Niedergerichtsrechten besass die Herrschaft gemäss Twingrecht von 1473 und 1735 Jagd und Fischfang und die Aufsicht über Masse und Gewichte (1762). Die Herrschaft Worb lag im kyburgischen, ab 1406 bernischen Landgericht Konolfingen und unterstand dem Freiweibel des oberen Teils (Trimstein im unteren Teil), nur in Kriminalfällen dem Grossweibel von Bern. 1469 entzündete sich in Richigen der Kompetenzstreit zwischen dem Freiweibel und dem Amtmann der Herrschaft Worb, der den Twingherrenstreit von 1469-1471 auslöste. Zentrum der Herrschaftsverwaltung war das Schloss Worb. Die vor 1130 erbaute Burg mit Bergfried, Palas und Ritterhaus wurde zwischen 1469 und 1594 um- und ausgebaut und 1643 mit einem neuen Wohntrakt versehen. 1734 liess Christoph von Graffenried den Landsitz Neuworb, das sogenannte Neuschloss, bauen. In Richigen entstand um 1730 der Landsitz Schloss Richigen, ehemals im Besitz der Familie Stettler, von Wattenwyl und Dollfus von Volckersberg. Im 17. und 18. Jahrhundert bildeten die drei Twinge Worb, Wikartswil und Trimstein ein einziges Gericht mit dem Gerichtssitz im Wirtshaus Worb. 1846 kamen Schlösser und Domänen Worb an die Familie von Goumoëns-Sinner. Das alte Schloss ohne Domänen ist seit 1964 im Alleinbesitz der Familie Seelhofer, das Neuschloss gehört seit 1985 der Familie von Graffenried.

Die über frühmittelalterlichen Gräbern errichtete Mauritiuskirche ersetzte im 11. Jahrhundert einen frühmittelalterlichen Holzpfosten- oder späteren Steinbau. Der Turmbau erfolgte nach 1430, die Wandmalereien stammen aus dem dritten Viertel des 15. Jahrhunderts, der Chor und die Chorverglasung von 1520-1521. Die Kirchgemeinde Worb teilte sich nach der Reformation in die Viertel oder Armensteuerbezirke Worb, Vielbringen-Rüfenacht, Richigen und Wattenwil-Enggistein. Der Kirchensatz war im Besitz der Herrschaft, im 15. Jahrhundert kurzfristig bei den Herren von Bubenberg; 1839 ging er an den Staat Bern über. Die katholische Kirche St. Martin für die Gemeinde Worb und Vechigen wurde 1953 erbaut und 1998 durch die heutige Kirchenanlage ersetzt.

Die Ackerbauerndörfer der Kirchgemeinde bildeten separate Flurverbände mit Weidegemeinschaft unter sich und gegen aussen, so etwa weideten Worb, Trimstein und Richigen gemeinsam im Gschneitwald. Der Bevölkerungszuwachs machte im Worbviertel 1645-1685 und erneut 1797 Nutzungsvorschriften für Weide und Wald nötig bezüglich der Anrechte der Herrschaft, der Bauern und Tauner. 1841-1845 wurden die Allmenden im Worbviertel geteilt, 1851 jene im Richigenviertel. Das neben der Landwirtschaft wichtige Gewerbe vor allem im Dorf Worb gehörte mit den Konzessionsbetrieben Taverne und Schenke, Schmieden, Färberei, Sägerei und Twingmühle mehrheitlich der Herrschaft. Die Mühle besass das Mahlmonopol. Zu deren Antrieb hatten die Herren von Kien nach 1380 den Biglenbach in Walkringen nach Worb abgezweigt. An diesem Bach setzte 1804 die Industrialisierung mit der Hammerschmiede ein. Nach 1900 kamen zur Mühle weitere Gewerbebetriebe hinzu (Maschinen-, Möbel- und Filzfabrik, Wollspinnerei, Leinenweberei, Brauerei, Mosterei, Metallbau-Verzinkerei, Druckerei, Baufirma). Das 1454 erstmals erwähnte Enggisteinbad mit Taverne war ein Pachtbetrieb der Herrschaft Worb mit einer ersten Badordnung (1552, erneuert 1585) und Badgericht. Es stellte um 1900 den Betrieb ein.

Die Station Worb der Bahnlinie Bern-Luzern von 1859 lag weit vom Dorf entfernt. Erst die Bern-Worb-Bahn von 1898 brachte die Kopfstation im Dorf, die seit 1913 auch der Worblentalbahn dient. Die beiden Bahnen, die 1927 fusionierten, tragen mit den Strassenverbindungen Bern-Luzern und Rubigen-Burgdorf, mit dem Postautonetz und dem Autobahnanschluss in Rüfenacht zur vorzüglichen Verkehrssituation bei und bewirken die hohe Zu- und Wegpendlerfrequenz. 1960-1980 wuchs Worb in die Talebene hinaus und längs der Sonn- und Lindhalde. An der Worblentalbahn und um die Station Worb der SBB-Linie entstanden die Industriezonen Worbboden bzw. Worb SBB. Zu alten kamen neue Branchen wie Industrie-Elektronik, Apparatebau, Möbel- und Einrichtungsindustrie. 2012 waren der Regionalverkehr und Unternehmen der Kälte-Wärmetechnik sowie die Holzbranche die grössten Arbeitgeber.

Worb übernahm 1837 mit der Sekundar-, 1860 der Handwerker- und 1886 der Haushaltungsschule (1993-2004 Kurszentrum für Erwachsenenbildung) regionale Aufgaben im Schulbereich. 1860 gründete die Gemeinnützige Gesellschaft die Armenerziehungsanstalt (ab 1911 Knabenerziehungsanstalt) in Enggistein, die 1936 aufgehoben wurde. 1961 bezog das Jugendheim Viktoria den heutigen Standort in Richigen. Die Gemeinde unterhielt 2012 insgesamt zehn Schulanlagen. Regional genutzt werden Schwimmbad, Eishalle, Sportplätze und die Zivilschutzanlage Hofmatt.

Die Einwohnergemeinde Worb konstituierte sich 1834 im Umfang der Kirchgemeinde, in der die vier Viertels- oder Ortsgemeinden bis zur Zentralisation 1920 eigene Gemeinderäte und Aufgaben hatten. Durch Dekret kam das Dorf Bangerten 1881 an Worb im Tausch gegen die Exklave Wiler (heute Gemeinde Vechigen). 1972 wurde ein Grosser Gemeinderat mit 40 Mitgliedern und ein Kleiner Rat mit neun Mitgliedern und einem vollamtlichen Präsidenten eingeführt. Mit Ausnahme der halbstädtischen Dörfer Worb und Rüfenacht ist die Gemeinde bäuerlich.

Quellen und Literatur

  • S. Rutishauser, Kirche Worb BE, 1985
  • A. Burri, Die Siedlungs- und Flurnamen der Gem. Worb, 1995
  • Z. Caviezel, Bauinventar der Gem. Worb, 2003
  • Worber Gesch., hg. von H.R. Schmidt, 2005
  • P. Eggenberger et al., Worb, Pfarrkirche, 2012
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Worb", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000375/2014-11-18/, konsultiert am 29.03.2024.