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Südafrika

Als Verpflegungsstation auf dem Seeweg nach Indien gewann Südafrika im 16. Jahrhundert für Europa an Bedeutung. Die niederländische Kolonialisierung begann 1652 mit dem Bau einer Befestigung am Kap der Guten Hoffnung. 1814 übernahmen die Briten endgültig die Kapkolonie. 1910 entstand aus der Vereinigung der vier britischen Kolonien Kapkolonie, Natal, Oranjeflusskolonie und Transvaal die Südafrikanische Union, die 1931 die Unabhängigkeit von Grossbritannien erlangte. 1961 schied sie aus dem Commonwealth aus und wurde zur Südafrikanischen Republik.

Situationskarte Südafrika © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Südafrika © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Ab 1658 reisten Schweizer, die meist im Dienst der Niederländischen Ostindien-Kompanie standen, für Kurzaufenthalte in die Kapkolonie. Später liessen sich einige als Landwirte nieder. Jean Pierre Pury hielt sich 1713 auf einem Zwischenstopp am Kap auf, wo er vermutlich den Weinbau einführte. Im 19. Jahrhundert fuhren Kaufleute, Handwerker und Gastwirte sowie Ingenieure, die vor allem im Eisenbahnbau Arbeit fanden, nach Südafrika. Gold- und Diamantenfunde zogen weitere Schweizer an. Auf Anregung einer Burendelegation, die in Europa unterwegs war, schloss der Bundesrat mit Transvaal ein Handelsabkommen ab, das 1885 in Pretoria unterzeichnet und 1887 von Grossbritannien ratifiziert wurde. Arnold Theiler spielte mit weiteren Landsleuten für die Veterinärforschung in Südafrika eine wichtige Rolle. Während des Zweiten Burenkriegs 1899-1902 kämpften auch Schweizer gegen die Briten, deren Haltung in der Schweizer Öffentlichkeit auf Kritik stiess. Die mehrheitliche Parteinahme für die kleine Burenrepublik, die fest auf religiösen Überzeugungen fusste und sich einer Grossmacht gegenübersah, trübte die schweizerisch-britischen Beziehungen. Das Schweizerische Rote Kreuz und einzelne reformierte Kirchen organisierten humanitäre Hilfe. Nach der Niederlage der Buren zog sich der Präsident der Transvaal-Republik, Paul Kruger, in die Schweiz zurück, wo er 1904 in Clarens verstarb.

Mit der Pariser und der Basler Mission reisten ab 1831 Reformierte aus der Schweiz nach Südafrika. 1875 begannen die Freikirche des Kantons Waadt sowie Glaubensgenossen aus Genf und Neuenburg mit dem Aufbau einer Schweizer Mission. In ländlichen Gebieten Südafrikas wurden ab 1879 Spitäler und ab 1906 Schulen errichtet, für die Bergleute in Pretoria und Johannesburg erfolgte der Bau solcher Einrichtungen 1897 bzw. 1904. Unter den in Südafrika lebenden Schweizern bildeten die Doppelbürger oft eine Mehrheit. 1918 zählte die Schweizerkolonie 570 Personen, 1947 waren es erstmals mehr als 1000, 1956 mehr als 2000, 1966 mehr als 5000 und seit 1977 stets gegen 9000. Die ersten Auslandschweizervereine wurden 1891 gegründet. Während im 19. Jahrhundert die meisten Schweizer Emigranten noch nach Nordafrika gezogen waren, änderte sich dies ab den 1950er Jahren, als Südafrika zum bevorzugten Auswanderungsland in Afrika wurde. Die Zahl der Südafrikaner in der Schweiz stieg 1960-1990 von 161 auf 500 Personen, 2009 waren es 1806. Neben der Niederlassung südafrikanischer Firmen, unter anderem in Zürich, Zug und Luzern, förderte das 1959 abgeschlossene Luftverkehrsabkommen den Austausch zwischen den beiden Ländern. Ab 1975 reisten jährlich über 10'000 Schweizer Touristen nach Südafrika. Die Schweiz unterhält diplomatische Vertretungen in Pretoria (1887-1895 Konsulat, ab 1952 Gesandtschaft, seit 1960 Botschaft), Johannesburg (ab 1895 Konsulat, 1899-1918 vom deutschen Konsul geführt, 1925-1952 und seit 1959 Generalkonsulat) und Kapstadt (seit 1916 Konsulat).

Ab 1938 arbeitete das diplomatische Korps eng mit der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung zusammen, worauf sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern verstärkten. Die Schweiz exportierte Maschinen und Chemikalien und bezog von Südafrika Bergbau- und Landwirtschaftsprodukte. Gemäss den Zollstatistiken, die allerdings den Goldhandel nicht ausweisen, machte das Volumen selten mehr als 1% des schweizerischen Aussenhandels aus. Ab 1921 stellte Bally in Südafrika Schuhe her. Es folgte unter anderem Nestlé, welche die grösste südafrikanische Kondensmilchfabrik sowie eine 1931 eröffnete Schokoladefabrik führte und 2006 mehr als 4000 Angestellte beschäftigte. 1949-1960 produzierte auch Suchard in Südafrika Schokolade, allerdings ohne Nestlé ernsthaft zu konkurrieren. Die seit 1938 in Südafrika tätige Holderbank zählte in den 1980er Jahren 4300 Arbeitnehmer und kontrollierte über ein Drittel des Zementmarkts. Weitere Unternehmen der Familie Schmidheiny, vor allem die 1942 gegründete Firma Everite und das Unternehmen Anglo-Alpha, beherrschten den Eternitmarkt. In Südafrika waren ferner Alusuisse, Brown Boveri, Bühler, Ciba-Geigy, Roche, Sandoz, Schindler, Luwa, Oerlikon und Sulzer mit seinen beliebten Textilmaschinen und Bergbaupumpen tätig, sodass 1988 rund 17'000 Personen für Schweizer Firmen arbeiteten. In der Schweiz wurden ab 1910, in verstärktem Mass ab 1950 südafrikanische Anleihen aufgelegt. Unter den ausländischen Investoren in Südafrika belegte die Schweiz 1945 den dritten Rang. Später überholten Deutschland und Japan die Schweiz, die auf den vierten bzw. fünften Platz zurückfiel. 1950-1990 wurden ca. 7,1 Mrd. Franken in Südafrika investiert. 1956 beliefen sich die Schweizer Gesamtinvestitionen in Südafrika auf schätzungsweise 751 Mio. Franken, 1978 auf über 4 Mrd. Franken, gefördert durch das 1967 unterzeichnete Doppelbesteuerungsabkommen, 1990 auf 5,7 Mrd. Franken, was gut 10% der ausländischen Investitionen in Südafrika entsprach. 2008 betrugen die Direktinvestitionen 4,4 Mrd. Franken. Die drei grössten Schweizer Banken Schweizerische Kreditanstalt, Schweizerischer Bankverein und Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) nahmen ab 1946 Geschäftsbeziehungen mit Südafrika auf. 1952 erhielt die SBG vom grössten Diamantenproduzenten das Recht auf Direktimport, womit es das Monopol der Händler in London durchbrach. In der Folge entwickelte sich die Schweiz vor allem in den 1980er Jahren zu einer Drehscheibe des Edelsteinhandels. Zudem importierte der 1968 geschaffene Pool der drei Grossbanken mehr als die Hälfte des in Südafrika gewonnenen Goldes. 1984 erreichte das Geschäftsvolumen der Schweizer Banken in Südafrika mit über 4 Mrd. Franken einen Höhepunkt.

Internationale Entwicklungen sorgten wiederholt für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen. Als Südafrika 1933 einen Boykott über das nationalsozialistische Deutschland verhängte, stiegen die Schweizer Exporte nach Südafrika an. Vor allem aber in den 1960er Jahren, als die UNO versuchte, das Apartheidregime zu isolieren, verstärkten die südafrikanischen Führer ihre Verbindungen zur Schweiz, weil diese die internationalen Wirtschaftssanktionen nicht mittrug. Zwar untersagten die Schweizer Behörden 1963, Kriegsmaterial nach Südafrika zu exportieren, und verurteilten an den UNO-Menschenrechtskonferenzen von 1968, 1977 und 1979 das System der Apartheid, lehnten jedoch, vor allem an den jährlichen Konferenzen der Internationalen Arbeitsorganisation, eine Teilnahme am Boykott des rassistischen Regimes ab. Der Bundesrat begnügte sich damit, ab 1974 einen Teil der Kapitalexporte zu plafonieren. In den 1970er Jahren verschärfte sich die öffentliche Debatte über die schweizerische Südafrika-Politik. Kirchliche Kreise, die Dritte-Welt- sowie die Anti-Apartheid-Bewegung kritisierten die Verbindungen der Schweiz zur weissen Regierung Südafrikas, während Wirtschaftskreise und Rechtsparteien, die sich vor allem in einer 1956 in Zürich und 1959 in Johannesburg gegründeten Organisation (seit 2003 SwissCham Southern Africa) zusammengeschlossen hatten, die Beziehungen zu Südafrika rechtfertigten. Letztere verwiesen auf die schweizerische Neutralität, auf die Folgen der Wirtschaftssanktionen für die schwarze Bevölkerung, auf die Chance zum beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg nichtweisser Südafrikaner dank Schweizer Unternehmen, auf die politischen Sympathien der Opposition und auf die Gefahr des Kommunismus in Südafrika. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung, der UNO und der afrikanischen Länder übernahm der Bundesrat ab 1986 beim Übergang Südafrikas zur Demokratie eine aktivere Rolle. Nachdem Nelson Mandela, der Leader des African National Congress, 1990 aus der Haft entlassen worden war und Frederik de Klerk, der Führer der weissen Minderheit, die Apartheid abgeschafft hatte, setzte in Südafrika ein tiefgreifender Wandel ein. Die ersten freien Parlamentswahlen mit allgemeinem Wahlrecht im Frühjahr 1994 und die Wahl Mandelas zum Präsidenten Südafrikas weckten grosse Hoffnungen. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch das neue Südafrika mit seinen sozialen Problemen, insbesondere der fortdauernden Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung, vor grossen Herausforderungen steht.

2000 setzte der Bundesrat auf Antrag des Parlaments eine Expertengruppe ein, welche die problematischen Beziehungen der Schweiz mit dem südafrikanischen Apartheidsregime in mehreren Einzelstudien aufarbeiten sollte. Auf Bestreben von Banken- und Wirtschaftskreisen, die sich vor Sammelklagen fürchteten, verfügte er jedoch 2003 eine weitreichende Aktensperre. Obwohl die Forschung dadurch ernsthaft behindert wurde, erschienen 2005 die einzelnen Berichte.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
  • G. Gloor, Die wirtschaftl. Beziehungen zwischen der Schweiz und der Südafrikan. Union seit dem zweiten Weltkrieg, 1959
  • E. Funke, Die Diskussion über den Burenkrieg in Politik und Presse der dt. Schweiz, 1964
  • F. Ernst, K. Scheurer, History of the Swiss in Southern Africa 1652-1977, 1978
  • C. Schaufelberger, Mission, Minen und Wanderarbeit im südl. Afrika, Liz. Zürich, 1985
  • M. Madörin, «Südafrika und die Schweiz», in Widerspruch 13, 1987, 75-85
  • A. Linder, The Swiss at the Cape of Good Hope 1652-1971, 1997
  • S. Bott et al., Les relations économiques entre la Suisse et l'Afrique du Sud durant l'Apartheid (1945-1990), 2005
  • G. Kreis, Die Schweiz und Südafrika 1948-1994, 2005
  • S. Bott, La Suisse et l'Afrique du Sud, 1945-1990, 2012
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Marc Perrenoud: "Südafrika", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.07.2015, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003467/2015-07-27/, konsultiert am 19.03.2024.