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Äthiopien

Situationskarte Äthiopien © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Äthiopien © 2000 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Seit der Renaissance stiess das christliche Äthiopien, auch bekannt unter seinem älteren Namen Abessinien, auf das Interesse der Theologen und Philologen (Sebastian Münster, Johann Heinrich Hottinger). Seit Anfang des 19. Jahrhunderts arbeiteten Schweizer Missionare in Äthiopien, stiessen dort jedoch auf zahlreiche Schwierigkeiten. Der 1878 von Kaiser Menelik II. als Berater gerufene Thurgauer Ingenieur Alfred Ilg veranlasste den Bau der Eisenbahn zwischen Dschibuti und Addis Abeba. Er übte grossen Einfluss auf die Geschicke des Landes aus, insbesondere auf dessen Aussenpolitik. Die Bemühungen Äthiopiens um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit der Schweiz führten 1933 nach sechsjährigen Verhandlungen zum Erfolg. 1932 begann der Negus Haile Selassie, Kaffee-Exporte in die Schweiz zu fördern, um den Kauf von Waffen und Munition zu finanzieren. Nach Ausbruch des Abessinienkriegs im Oktober 1935 verbot der Bundesrat diese Exporte in Übereinstimmung mit den Sanktionen, die der Völkerbund sowohl gegen den Angreifer Italien als auch gegen den Angegriffenen Äthiopien verhängt hatte. Während das IKRK im Kriegsgebiet tätig war, führte der italienisch-äthiopische Krieg in der Schweiz zu einer Debatte über die Grenzen, die der Schweiz im Bereich der kollektiven Sicherheit durch ihre differenzielle Neutralität gesetzt waren. Schweizer Wirtschaftskreise wünschten sich die Sanktionen gegen Mussolinis Italien auf ein Minimum beschränkt. Die Schweiz erteilte dem besiegten Negus trotz seiner wiederholten Anfrage keine Aufenthaltsbewilligung, und im Dezember 1936 anerkannte der Bundesrat Italiens Oberherrschaft über Äthiopien.

Die Zahl der in Äthiopien lebenden Schweizer blieb immer gering: Anfang des 20. Jahrhunderts etwa ein Dutzend, 1955 rund 100 (darunter v.a. Funktionäre, Missionare, Ärzte und Kaufleute). Nach der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen 1952 beschränkte sich der Wirtschaftsverkehr auf wenige Güter: Import von Kaffee und Leder, Export von Maschinen, Uhren und chemischen Produkten. Dennoch galt Äthiopien als wichtiger und relativ stabiler Staat: So wurde der Leiter der 1955 in Addis Abeba eröffneten diplomatischen Mission auch in anderen afrikanischen Staaten akkreditiert. Nach dem Sturz des Negus 1974 verschlechterten sich die bilateralen Beziehungen: Die Zahl der Schweizer in Äthiopien verringerte sich, und Flüchtlinge (v.a. aus Eritrea) kamen in die Schweiz. Der Negus wurde vom neuen, marxistisch ausgerichteten Militärregime unter Präsident Mengistu Haile Mariam beschuldigt, sein Vermögen auf Schweizer Banken angelegt zu haben, doch liessen sich keine schlüssigen Beweise und Zahlen vorbringen. Seit 1975 beeinträchtigen Verstaatlichungen die Schweizer Kapitalbeteiligungen (1981 schätzungsweise 28 Mio. Franken). Obwohl Äthiopien nicht zu den Schwerpunktländern der eidgenössischen Entwicklungszusammenarbeit zählt, gewährte die Schweiz Äthiopien während der grossen Hungersnöte der 1970er und 1980er Jahre technische und finanzielle Unterstützung sowie öffentliche und private Hilfe.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
  • B. de Fischer, Contributions à la connaissance des relations suisses-égyptiennes d'environ 100 à 1949, suivies d'une esquisse des relations suisses-éthiopiennes jusqu'en 1952, 1956
  • M. de Boccard, La Suisse devant le conflit italo-éthiopien (5 décembre 1934-31 décembre 1936), Liz. Freiburg, 1962
  • W. Loepfe, Alfred Ilg und die äthiop. Eisenbahn, 1974
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Variante(n)
Abessinien

Zitiervorschlag

Marc Perrenoud: "Äthiopien", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.10.2001, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003433/2001-10-15/, konsultiert am 19.03.2024.