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Japan

Situationskarte Japan © 2003 HLS und Kohli Kartografie, Bern.
Situationskarte Japan © 2003 HLS und Kohli Kartografie, Bern.

Als portugiesische Seefahrer 1543 Japan entdeckten und ihnen ab 1549 christliche Missionare folgten, stiessen die Europäer auf ein Feudalreich auf dem Weg zur politischen Zentralisierung. Die Tokugawa-Shogune (1603-1867) vermochten sich so den Versuchen westlicher Mächte, sich Zutritt ins Land zu verschaffen, lange zu widersetzen. Erst 1854 musste sich Japan dem amerikanischen Druck beugen. Unter der Meiji-Regierung (1868-1912) wandelte sich Japan zum modernen Staat und stieg zur ostasiatischen Grossmacht auf, die unter den Einfluss militärischer Kreise und antiparlamentarischer Gruppen geriet. Die Kapitulation Japans 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs und die Besetzung durch amerikanische Truppen setzten der Periode aggressiver japanischer Aussenpolitik ein Ende. Nach der 1946 verkündeten Verfassung ist Japan heute eine parlamentarisch-demokratische Monarchie mit dem Kaiser (Tenno) als Staatsoberhaupt.

Zwischenstaatliche Beziehungen

"Der grossen namhafften neuwlicherfundnen Japponischen Insel warhaffte und eigentliche Beschreibung mit fleissiger Verzeichnuss derselbigen Königreichen und fürnembsten Stätten". Karte in Renward Cysats Werk über Japan, das 1586 in Freiburg im Üchtland von Abraham Gemperlin veröffentlicht wurde (Universitätsbibliothek Freiburg, Freiburg im Breisgau).
"Der grossen namhafften neuwlicherfundnen Japponischen Insel warhaffte und eigentliche Beschreibung mit fleissiger Verzeichnuss derselbigen Königreichen und fürnembsten Stätten". Karte in Renward Cysats Werk über Japan, das 1586 in Freiburg im Üchtland von Abraham Gemperlin veröffentlicht wurde (Universitätsbibliothek Freiburg, Freiburg im Breisgau). […]

Der Empfang von vier getauften Japanern durch Papst Gregor XIII. 1585 erregte europaweit Aufsehen und veranlasste Renward Cysat zur Abfassung des ersten japankundlichen Werks der Schweiz ("Wahrhafftiger Bericht von den Newerfundenen Japponischen Inseln und Königreichen [...]" 1586), wobei er sich auf Informationen der Jesuiten stützte. Nach dem Verbot der christlichen Religion in Japan 1613 konzentrierte sich das öffentliche Interesse vor allem in den katholischen Kantonen auf das Schicksal der japanischen Christen (barocke Märtyrerdramen).

Nachdem Japan 1858 Handelsverträge mit den USA, den Niederlanden, Russland, England und Frankreich abgeschlossen hatte, unternahm 1859 der Preusse Rudolf Lindau im Auftrag der Union horlogère in La Chaux-de-Fonds und des Kaufmännischen Direktoriums von St. Gallen eine halboffizielle Erkundungsreise. 1863 begab sich unter niederländischem Schutz eine Schweizer Regierungsdelegation nach Japan, die von Aimé Humbert-Droz, alt Ständerat und Generaldirektor der Société horlogère, geleitet wurde. Zuerst mussten allerdings verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich Staatsverträgen mit nichtchristlichen Nationen (Artikel 41 Bundesverfassung) beseitigt werden. Nach langwierigen Verhandlungen wurde am 6. Februar 1864 in der niederländischen Botschaft in Tokio ein Staatsvertrag unterzeichnet. Er gewährte Schweizern die Niederlassungs- und Handelsfreiheit in den offenen Hafenstädten, die Konsulargerichtsbarkeit sowie niedrige Einfuhrzölle.

Im revidierten Abkommen von 1896 stimmte die Schweiz einer Erhöhung der japanischen Zolltarife zu und verzichtete auf die Konsulargerichtsbarkeit, erhielt aber ihrerseits für ihre Bürger den freien Zugang zu ganz Japan. Der Niederlassungs- und Handelsvertrag von 1911 regelte schliesslich alle wesentlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Weitere Verträge behandelten die gerichtliche Erledigung von Streitigkeiten (1924), die Rechtshilfe in Strafsachen (1937), den Luftverkehr (1956) und die Vermeidung einer Doppelbesteuerung (1971).

De jure wahrte anfänglich der niederländische Generalkonsul, de facto der Schweizer Konsul in Yokohama die Interessen der Schweiz. 1906 wurde die Schweizer Gesandtschaft in Tokio, 1957 die Botschaft eröffnet. Die japanischen Interessen in der Schweiz nahm ab 1879 der diplomatische Vertreter Japans in Paris, ab 1892 jener in Wien wahr. 1916 wurde die japanische Gesandtschaft in Bern, 1955 die Botschaft errichtet. In beiden Weltkriegen stellte die Schweiz Japan ihre Guten Dienste zur Verfügung. Im Ersten Weltkrieg vertrat sie Deutschland in Tokio, 1941-1946 16 Nationen in Japan sowie die Interessen Japans in 19 Ländern. 1945-1952 vertrat ein beim Oberkommando der alliierten Streitkräfte akkreditierter Repräsentant die Schweiz in Japan. Die zwischenstaatlichen Beziehungen wurden am 28. April 1952 wieder aufgenommen und entwickelten sich seither problemlos.

Wirtschaftliche Beziehungen

Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten Schweizer Uhren über niederländische Kaufleute Japan. Das erste Schweizer Handelshaus (heute SiberHegner) wurde 1865 gegründet. 1880 existierte bereits ein Dutzend Firmen in der Gegend von Yokohama, die Seide exportierten und Uhren, Textilien, Maschinen sowie chemisch-pharmazeutische Produkte importierten. Ab 1932 wurde Japan zum Produktionsstandort für Schweizer Unternehmen wie Roche, Sika und Nestlé. Im Zweiten Weltkrieg brachen die Wirtschaftsbeziehungen zusammen. Der Neubeginn setzte nach der amerikanischen Okkupationszeit ein. Bis in die 1960er Jahre wies die Schweiz eine aktive, später infolge von Lizenzvergaben eine passive Handelsbilanz auf. Ab 1980 führte die Liberalisierung der japanischen Wirtschaft zu einer Zunahme von Schweizer Unternehmen in Japan. Von 1994 an konnte die Schweiz wieder einen Handelsbilanzüberschuss verbuchen (Importe aus Japan 2005: 2,9 Mrd. Franken, Exporte nach Japan: 5,9 Mrd. Franken). Hauptexportartikel der Schweiz waren 2005 chemische Produkte, Uhren, pharmazeutische Produkte sowie Edelmetalle und Schmuck. 2003 waren rund 150 Schweizer Unternehmen mit Vertretungen, Niederlassungen oder Verkaufs- und Servicegesellschaften in Japan aktiv. 2005 beliefen sich die Schweizer Direktinvestitionen in Japan auf 8,8 Mrd. Franken (rund 1,6% der weltweiten Direktinvestitionen der Schweiz). Die Schweiz war 2004 mit 3% aller ausländischen Direktinvestitionen sechstgrösster Investor. Die japanischen Direktinvestitionen in der Schweiz stiegen in den 1980er Jahren auf rund 2,6 Mrd. Franken, seit 1990 sind sie markant rückläufig (2005 0,9 Mrd. Franken).

Kulturelle Beziehungen

Das Bild der Schweiz in Japan

Im September 1868 bereiste die erste offizielle japanische Delegation unter Akitake Tokugawa die Schweiz. Dessen Sekretär Ei'ichi Shibusawa zeigte sich in seinem Tagebuch (1870) von der Schönheit der Natur, den Städten Basel, Bern und Genf sowie der Schweizer Milizarmee beeindruckt. 1873 folgte eine Studiendelegation unter Tomomi Iwakura, die mit dem Tagebuch von Kunitake Kume 1878 dem japanischen Publikum einen ausführlichen Bericht über Geografie, Staatswesen, Geschichte, Industrie, Technik und Schulwesen der Schweiz vorlegte. Johann Caspar Bluntschlis "Allgemeines Staatsrecht", das 1870 von Hiroyuki Katô übersetzt und für Vorlesungen vor dem Kaiser verwendet wurde, wirkte in der Meiji-Verfassung von 1889 nach, allerdings überlagert durch das obrigkeitsstaatliche Denken des bayrischen Rechtsgelehrten Karl Rösler, der das japanische Aussenministerium beriet. Das Gedankengut Heinrich Pestalozzis wurde von Hideo Takamine und dem Amerikaner Marion M. Scott, Lehrer am ersten staatlichen Lehrerseminar in Tokio, verbreitet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es durch Johann Friedrich Herbarts Pädagogik verdrängt, doch Osada Arata machte Pestalozzi wieder zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzung (1982 Japanische Gesellschaft für Pestalozzi-Froebel-Forschung). Jean-Jacques Rousseaus "Contrat Social" übertrug Toku Hattori 1877 ins Japanische.

1886 trat Japan der Genfer Konvention bei, ein Jahr später reorganisierte sich die japanische Hilfsorganisation Haku'aisha (1877 gegründet) nach dem Vorbild des Roten Kreuzes. Nach 1945 wurde die Schweiz dank der Betreuung der japanischen Kriegsgefangenen und Häftlinge in alliierter Untersuchungshaft durch das IKRK im japanischen Bewusstsein zum Hort humanitärer Tradition. Werke der protestantischen Theologen Johannes Calvin, Karl Barth und Emil Brunner wurden übersetzt, und die Auseinandersetzung mit Carl Gustav Jung führte zur Gründung des Japan-Jung-Club. Johanna Spyris "Heidi" erfreute sich dank verschiedener Übersetzungen ab 1933 wachsender Popularität und festigte als japanische Zeichentrickfilmserie für das Fernsehen 1974 das in der populären Vorstellung bestehende romantisch überhöhte Bild der Schweiz als Traumland. 1965 kam es zur Gründung der Schweizer Bibliothek an der Sophia-Universität in Tokio, 1978 zur Gründung der Helvetica Bibliothek der Universität in Akita und des Cercle d'études de la civilisation romande: Sie alle bilden japanische Studienzentren zur Schweizer Literatur und Geschichte.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts diente die Schweiz Japan in Umbruchzeiten immer wieder als Vorbild. 1861 pries Katô die Schweiz als ideales Staatswesen, da die hier verwirklichte Rechtsgleichheit der Bürger deren Wehrwillen fördere und somit das Überleben des Staates sichere. Tell, der in den ersten staatlichen Lehrmitteln Japans für den Geschichtsunterricht als Patriot und Held dargestellt worden war, fand ab 1882 in Schulbüchern keine Erwähnung mehr. Dafür sah die oppositionelle Volksrechtsbewegung im Vorfeld der Ausgestaltung der ersten japanischen Verfassung in Friedrich Schillers Tell-Drama (verschiedene Teilübersetzungen ab 1880) und im Gedicht "Die Unabhängigkeit der Schweiz" (1887) des Demokraten Emori Ueki einen Gegenentwurf zum autokratischen Staatsmodell Preussens. Der Pazifist Isoo Abe erklärte die Schweiz 1904, vor dem Ausbruch des Russisch-Japanischen Kriegs, zum "idealen Staat". Seine These wurde jedoch erst 1948, nach der Demilitarisierung und Umgestaltung Japans "zur Schweiz des Fernen Ostens" (General Douglas MacArthur), in breiteren Kreisen rezipiert. Am Beispiel der Schweiz zeigte der Soziologe Hyô'e Ôuchi 1949 auf, dass der Verzicht auf militärische Aggression zu wirtschaftlichem Wohlstand führe. Nach der Gründung der japanischen Selbstverteidigungskräfte 1954 trug die Schweizer Doktrin der bewaffneten Neutralität dazu bei, den Widerspruch zwischen Wiederaufrüstung und Gewaltverzicht (Artikel 9 der neuen japanischen Verfassung) aufzulösen. Ende der 1970er Jahre führten journalistische Publikationen und erste vereinzelte, wissenschaftlich fundierte Darstellungen zu einer Differenzierung des japanischen Bilds der Schweiz.

Das Bild Japans in der Schweiz

Sitz der diplomatischen Vertretung der Schweiz in Edo (Tokyo), um 1863. Stereotypdruck in Le Japon illustré, herausgegeben in Paris 1870 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Sitz der diplomatischen Vertretung der Schweiz in Edo (Tokyo), um 1863. Stereotypdruck in Le Japon illustré, herausgegeben in Paris 1870 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Die Schweizer Wahrnehmung Japans pendelte seit jeher zwischen Bewunderung und Ablehnung: Enthusiasmus über das zivilisierte Volk im Fernen Osten im 16. Jahrhundert, Verachtung aufgrund der Christenverfolgungen im 17. und 18. Jahrhundert, Respekt vor Japan als neuem Bündnispartner der westlichen Grossmächte ab 1900, Reserve gegenüber Japans territorialen Ansprüchen in Asien in den 1930er Jahren, Verachtung nach dem Angriff auf Pearl Harbor 1941, Anerkennung nach internationaler Rehabilitierung Japans als Kulturnation durch die Kenntnisnahme von dessen reicher Tradition ab 1950, Furcht vor Japans Industriepotenzial nach den Exporterfolgen ab den 1970er Jahren, Bewunderung für die japanischen Produktions- und Managementmethoden in den 1980er Jahren, Ernüchterung nach der geplatzten Spekulationsblase und Asienkrise der 1990er Jahre. Bis heute hemmt die Sprachbarriere den Informationsfluss. Kulturvermittler sind die 1959 gegründete Schweizerische Gesellschaft für Asienkunde und der seit 1968 bestehende Lehrstuhl für Japanologie an der Universität Zürich. Japanisch als Fremdsprache wird seit 1985 auch an anderen Universitäten sowie an Fachhochschulen und Gymnasien angeboten.

Schweizer in Japan – Japaner in der Schweiz

Die Zahl der Auslandschweizer in Japan blieb stets klein: 1863 8 Personen; 1866 22; 1900 88; 1921 169; 1941 300; 1994 1382; 2005 1340. Der erste Schweizer Missionar Wilfried Spinner gründete 1885 in Tokio und Yokohama zwei evangelische Gemeinden und führte die moderne abendländische Bibelkritik ein. Bis heute sind die katholische Bethlehem Mission Immensee in der Präfektur Iwate und die protestantische Schweizer Ostasien-Mission (vor 1922 Allgemeiner Evangelisch-Protestantischer Missionsverein) in Kyoto tätig. Hier realisierten der Arzt Gerhard Ludwig Schwersenz und der Theologe Werner Kohler nach dem Zweiten Weltkrieg in Partnerschaft mit kirchlichen Hilfswerken in der Schweiz sowie staatlichen und privaten Institutionen in Japan bedeutende soziale Projekte. Hans Koller wirkte 1908 als erster Dozent für deutsche Sprache an der staatlichen Universität von Hokkaidô und förderte nebenbei den Skisport. Nach dem grossen Erdbeben von Tokio 1923 verlagerte sich der Schwerpunkt der Schweizer Gemeinde von Yokohama nach Kobe um den seit 1912 ansässigen Ugo Alfonso Casal, Verfasser japankundlicher Studien und Kunstsammler.

In der Schweiz lebten 2005 3384 japanische Staatsangehörige, zumeist in Schweizer Unternehmen und ab 1980 auch in japanischen Firmen oder in der Forschung und Lehre an Hochschulen tätig. Für Japanerinnen und Japaner ist die Schweiz seit der Wiederaufnahme des Auslandtourismus ab Mitte der 1960er Jahre ein beliebtes touristisches Reiseziel (2002 7%, 2005 4% aller Logiernächte). Seit 1955 besteht die Schweizerisch-Japanische Gesellschaft in der Schweiz, seit 1956 die Schweizerisch-Japanische Gesellschaft in Japan, seit 1988 die Japanische Schule in Uster, aber auch die Wirtschaftskammer Schweiz-Japan in Zürich, sowie die Swiss Chamber of Commerce and Industry in Tokio.

Quellen und Literatur

  • A. Horodisch, Die Offizin von Abraham Gemperlin, dem ersten Drucker von Freiburg, Schweiz, 1945
  • Nippon-Helvetia, 1864-1964, 1964
  • A.P. Nakai, Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Japan, 1967
  • Schweiz-Japan, 1975
  • Y. Morita, Suisu – rekishi kara gendai e, 1980 (31995)
  • A. Nakai, Suisu to nihon no kizuna, 1983
  • R. Mottini, Die Schweiz und Japan während der Meiji-Zeit (1868-1912), 1998
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Heinrich Reinfried: "Japan", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.05.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003412/2012-05-29/, konsultiert am 28.03.2024.