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Grindelwald

Panorama von Grindelwald 1669. Aquarell von Albrecht Kauw (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen.
Panorama von Grindelwald 1669. Aquarell von Albrecht Kauw (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen. […]

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Interlaken, in der Talmulde der Schwarzen Lütschine am Fuss der bekanntesten Gipfel des Berner Oberlands gelegen. Die ausgedehnte Gemeinde (171 km2) ist unterteilt in sieben Bergschaften; das von Streusiedlungen geprägte Siedlungsbild wird vom lang gezogenen Dorf und Touristenzentrum Grindelwald dominiert. 1146 Grindelwalt. 1764 1816 Einwohner; 1850 2924; 1900 3346, 1910 3662; 1920 2998; 1950 3053; 2000 4069.

Neolithische Einzelfunde wurden im Dorf, eine römische Münze am Männlichengrat entdeckt. Eine hochmittelalterliche Burgstelle lag auf dem Burgbühl. Im Tal von Grindelwald besiegte Reichsvogt Berchtold V. von Zähringen im Baronenkrieg 1191 die aufständischen Oberländer Freiherren. Bereits 1146 überliess König Konrad III. der Augustinerpropstei Interlaken Reichsgüter in Grindelwald; diese rundete vom 13. bis ins 15. Jahrhundert den Besitz durch Donationen und Käufe von Gerichten, Gütern und Alpen zielstrebig ab und trat damit an die Stelle der hier vormals begüterten Freiherren (u.a. von Rotenfluh-Unspunnen, von Ringgenberg sowie von Eschenbach) und Habsburg-Österreichs. Die Gotteshausleute von Grindelwald mussten infolge der österreichfreundlichen Politik der Propstei 1315 und 1332 an Beutezügen gegen Unterwalden teilnehmen und litten unter dem Einfall der Unterwaldner in Grindelwald 1342. Sie waren 1348-1349 an der Empörung der Oberländer gegen die Klosterherrschaft beteiligt und widersetzten sich 1528 erfolglos der Einführung der Reformation. Nach der Kapitulation vor den bernischen Truppen kam das Niedergericht Grindelwald zur bernischen Landvogtei Interlaken.

Das Bergtal erhielt Mitte des 12. Jahrhunderts eine Holzkirche, die um 1180 durch einen Steinbau (Marienpatrozinium) ersetzt wurde; dieser musste wegen Geländeabsenkungen Anfang des 16. Jahrhunderts einem Neubau weichen, auf den 1793 die heutige Kirche folgte. Die Petronellakapelle wird 1341 erwähnt. Spätestens ab 1180 war das Kloster Interlaken Inhaber des Kirchensatzes, der 1528 an Bern überging.

1538 fassten die Talleute ältere Alpreglemente zur ersten «Taleinung» zusammen. Die genossenschaftlichen Alprechte waren von da an bis heute an die privaten Talgüter gebunden und durften nicht an Fremde veräussert werden. Bei den noch bestehenden sieben Bergschaften Itramen, Wärgistal, Scheidegg, Grindel, Bach, Holzmatten und Bussalp handelte es sich um selbstständige Körperschaften mit eigenem Gemeinderat; ihre Erwerbsquellen waren Viehwirtschaft, Holzverarbeitung und Hausweberei.

Dank des grossartigen Panoramas und der ins Tal vorstossenden Zungen des Oberen und Unteren Grindelwaldgletschers zog der Ort ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert von den Alpen begeisterte Fremde, vor allem Engländer, an. Vielfach beschrieben und in Stichen reproduziert, wurde Grindelwald international bekannt. Nach Anfängen im frühen 19. Jahrhundert erfolgte der eigentliche Durchbruch des Alpinismus um die Jahrhundertmitte; einheimische Bergführer erstiegen mit englischen Bergsteigern die Gipfel des Finsteraarhorns (1812), des Wetterhorns (1854), des Eigers (1858), des Schreckhorns und des Fiescherhorns (1861-1862).

Der Maler Ferdinand Hodler mit Valentine Godé-Darel in Grindelwald, Winter 1912 © KEYSTONE/Photopress.
Der Maler Ferdinand Hodler mit Valentine Godé-Darel in Grindelwald, Winter 1912 © KEYSTONE/Photopress.
Tourismusplakat von Armin Bieber, 1927 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Tourismusplakat von Armin Bieber, 1927 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Mit dem Bau der Grindelwaldstrasse 1860-1872 und der Linie der Berner-Oberland-Bahnen 1890 wurde der früher schwierige Zugang zum Tal erleichtert. Als erster Kurort im Berner Oberland öffnete sich Grindelwald 1888 auch dem Winterbetrieb; Attraktionen waren Schlittenfahrten, Curling, Schlittschuh-, ab 1891 Skilaufen, später Bobfahren und Eishockey. Die Hotellerie wuchs von 10 Häusern 1889 auf 33 1914. Die erste Zahnradbahn (Wengeralpbahn) auf die Kleine Scheidegg wurde 1893 eröffnet und 1912 bis aufs Jungfraujoch verlängert; zahlreiche SAC-Hütten wurden für die Bergtouristen erstellt. Nach längerer Krise infolge der Kriege und der Weltwirtschaftskrise setzte nach 1945 der Tourismus wieder kräftig ein. Es entstand nun auch eine ausgeprägte Parahotellerie (Chalets, Heim-, Lagertourismus, Campingplätze). Ein weites Wander- und Skigebiet wurde mit Sesselbahnen (First 1947, Männlichen 1978), Skiliften, Autobuslinien und Berggaststätten erschlossen. Heute ist Grindelwalds Wirtschaft zu über 90% auf den Tourismus ausgerichtet, bei ziemlich gleichmässiger Verteilung auf Sommer- und Winterbetrieb und unter enger Einbindung der traditionellen Landwirtschaft sowie des einheimischen Holz- und Baugewerbes. Die Region Grindelwald war Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, unter anderem in den «Alpine Studies» des englischen Alpinisten William Augustus Brevoort Coolidge (1912) und im Unesco-Forschungsprogramm Man and Biosphere des Geografischen Instituts der Universität Bern über die Auswirkungen des Fremdenverkehrs (1979-1984). Die weitläufige Gemeinde unterhält sieben Primar- und eine Sekundarschule.

Quellen und Literatur

  • H. Michel, Grindelwald, das Gletschertal, 1953
  • A. Kröner, Grindelwald: Die Entwicklung eines Bergbauerndorfes zu einem internat. Touristenzentrum, 1968
  • C. Rubi et al., Im Tal von Grindelwald, 6 Bde., 1985-93
  • Leitbild Grindelwald 2000, 1987
  • M. Matile, Kirche und Pfarrhaus von Grindelwald, 1990
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Grindelwald", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.02.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000331/2007-02-13/, konsultiert am 19.03.2024.