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Wollishofen

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Zürich, 1893 in die Stadt Zürich eingemeindet. Quartier am linken Seeufer, entstanden aus den drei Siedlungen (Wachten) Wollishofen (Ober- und Unterdorf sowie Rain), Honrain und Erdbrust. Vor 1227 de Woloshovin (in einem Rodel), 1246 Woloshoven. 1637 319 Einwohner; 1799 587; 1850 1093; 1888 1746; 1900 3154; 1960 19'796; 2010 15'988.

Im Zürichsee wurden vor Wollishofen eine schnurkeramische (Bad Wollishofen) und eine spätbronzezeitliche Siedlungsstelle (Haumesser-Grund) entdeckt, wobei für Letztere auch Indizien für eine Belegung in neolithischer Zeit vorliegen. Tauchuntersuchungen 1960 und 1977 stellten den fast restlosen Verlust der Kulturschichten fest. Eine römische Villa mit Mosaikböden lag am Honrainweg.

Womöglich als Bestandteil der 1218 aufgelösten Reichsvogtei Zürich gelangte Wollishofen an die Herren von Eschenbach, die 1304 einen grösseren Komplex zwischen Albiskamm und See von Wollishofen-Erdbrust bis Zürich an das Zürcher Rittergeschlecht Manesse verkauften, ohne ein partielles Vogteirecht über Wollishofen, das sich im Besitz des Zürcher Bürgers Johannes Wolfleibsch befand. Nach verschiedenen Handänderungen nach 1392 kam das Gebiet um 1400 an die Stadt Zürich, die 1423 den ersten Obervogt einsetzte. Die bis 1798 bestehende Obervogtei Wollishofen umfasste auch Enge und Leimbach.

Wollishofen gehörte zur Pfarrei Kilchberg. Eine Kapelle in Erdbrust, wo sich eine Beginensammlung bildete, ist 1369 belegt, eine zweite stand möglicherweise in Honrain. Nach dem Bau der Kirche 1702 kam Wollishofen zu Zürich-St. Peter; erst 1854 wurde es eine selbstständige Kirchgemeinde. Die neue reformierte Kirche Auf der Egg wurde 1935-1936 von Walter Henauer und Ernst Witschi in einer gleichzeitig geplanten grossen Freihaltezone erstellt, die katholische Pfarrkirche St. Franziskus 1928.

Mittelpunkt des Gemeindelebens war bis 1854 das 1530 erstmals erwähnte Gemeindehaus («Gesellenhaus»), das über ein Tavernenrecht verfügte. In Wollishofen lagen zahlreiche frühneuzeitliche Landsitze von Stadtbürgern. Das Dorf unterstand dem städtischen Gewerbebann. 1729 stürmten aufgebrachte Handwerker aus der Stadt die Seidenfärberei des Stadtzürchers Hans Kaspar Abegg. Die Volkszählungen Mitte des 19. Jahrhunderts zeigen wegen der Anfänge der Industrialisierung und der Stadtnähe breit gefächerte Erwerbsstrukturen: Landwirtschaft, Textilgewerbe und -industrie (hauptsächlich Seide) und Bauhandwerk boten Arbeit. Vor allem Frauen waren als Dienstboten für die Oberschicht tätig, die allmählich vor die Stadttore zog. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich eine Ziegelhütte sowie eine Kattundruckerei und Rotfärberei an. 1860 folgte eine Ton- und Glasmühle, deren Areal später die Spinnerei Wollishofen und ab 1904 die Papiermühle an der Sihl nutzten. Das Industrieensemble der 1893 gegründeten Seidenweberei Henneberg übernahm 1899 die Stünzi Horgen und 1935 die Standard Telephon und Radio AG. 1972 erwarb es die Stadt Zürich als Abbruchobjekt. Seit den Jugendunruhen 1980 beherbergt es das alternative Kulturzentrum Rote Fabrik. Die Fabrikanlagen im Neurenaissancestil stehen unter kantonalem Denkmalschutz. In der kantonalen Volksabstimmung von 1891 lehnte Wollishofen als reiche Vorortsgemeinde die Vereinigung mit der Stadt Zürich mit 66% Neinstimmen ab, während der Kanton die Vorlage annahm. Nach erfolgloser Anrufung des Bundesgerichts verlor Wollishofen 1893 seine Selbstständigkeit.

Die Seestrasse nach Zürich wurde 1834 neu angelegt. Die Dampfschifffahrt (ab 1839), die linksufrige Eisenbahn (ab 1875), die Sihltalbahn (ab 1892), das Tram (ab 1900, verlängert 1928) und die A3 (ab 1966) verbesserten kontinuierlich die Verkehrserschliessung. Bis zum Ersten Weltkrieg folgte die Siedlungserweiterung (vorwiegend Villen, Wohn- und Geschäftsbauten) den Verkehrsachsen. In der Zwischenkriegszeit prägte der kommunale und der genossenschaftliche Wohnungsbau die Siedlungsentwicklung; bemerkenswert ist die fischgrätartige Werkbundsiedlung Neubühl (1930-1932) im Stil des Neuen Bauens, die eine Trendänderung gegenüber der in Zürich dominierenden Blockrandüberbauung einleitete. Der bäuerliche Kern von Wollishofen war Anfang des 21. Jahrhunderts kaum noch zu erkennen.

Quellen und Literatur

  • E. Stauber, Alt Wollishofen, 1926
  • R. Meier, F. Winkler, Wollishofen, 1993
  • Kdm ZH NF 5, 2012, 443-459
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Martin Illi: "Wollishofen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003135/2017-05-31/, konsultiert am 28.03.2024.