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Unterstrass

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Zürich, 1893 in die Stadt Zürich eingemeindeter Vorort. 1408 nidere Strass. 1467 23 Haushalte; 1634 274 Einwohner; 1771 478; 1833 1700; 1850 1324; 1888 4172; 1900 6572; 1920 12'822; 1950 32'951; 1970 26'218; 2010 20'068.

Unterstrass war im Spätmittelalter eine Zürcher Vorstadtsiedlung, die sich vom Niederdorftor entlang der Ausfallstrasse Richtung Schaffhausen erstreckte. Bereits im Spätmittelalter nutzte das vorstädtische Gewerbe in Unterstrass die Wasserkraft der Limmat und deren Seitenbäche (Unterstrassa. Mühlen und Tuchwalken). Im 13. Jahrhundert sind grundherrliche Rechte des Grossmünsterstifts nachzuweisen. Als Bestandteil der Reichsvogtei Zürich kam die Gerichtsbarkeit von Unterstrass 1400 zur Stadt Zürich. Teile des Gemeindegebiets lagen noch innerhalb des Stadtbanns von Zürich. Die Gemeindebildung wurde durch die Wehrdienst- und Verwaltungsreform im Vorfeld der Stadt im 15. Jahrhundert gefördert, in deren Rahmen 1418 die Zuteilung von Unterstrass zur inneren Vogtei Vier Wachten erfolgte.

Unterstrass gehörte im Mittelalter zur Grossmünsterpfarrei und kam 1614 zur Prediger-Kirchgemeinde. Die 1240 erwähnte Filialkapelle St. Leonhard vor dem Niederdorftor wurde 1525 profaniert. Das 1364 bezeugte Leprosenhaus St. Moritz an der Spanweid wurde 1630 in ein Pfrundhaus mit Kranken- und Badstube (Röslibad) für städtische Bürger und Landleute umgewandelt. Gottesdienste fanden in der Kapelle des Siechenhauses bis 1884 statt.

Im 18. und 19. Jahrhundert siedelten sich Gewerbe- und Industriebetriebe in Unterstrass an, unter anderem 1784 die Türkischrotfärberei Gebrüder Zeller, 1825 der Glockengiesser Jakob Keller aus Andelfingen, Mitte 19. Jahrhundert ein Zweigwerk von Escher Wyss sowie 1865 der 1914 abgebrochene städtische Schlachthof. Daneben errichteten reiche Stadtbürger in Unterstrass Landsitze, wie zum Beispiel den Beckenhof (heute Pestalozzianum mit städtischer Parkanlage). Im 19. Jahrhundert wies Unterstrass viele Merkmale eines typischen Unterschichtsquartiers auf; die Gemeinde verfügte aber 1886 dank Gewerbe und Industrie trotzdem über die doppelte Steuerkraft von Oberstrass. Nach der Eingemeindung in die Stadt Zürich 1893 erhielt Unterstrass die kirchliche Selbstständigkeit (1884 reformierte Kirche Unterstrass, 1934 Pauluskirche, 1950 Matthäuskirche, 1960 Dreiteilung der reformierten Kirchgemeinden). 1893-1894 wurden die katholische Liebfrauenpfarrei und -kirche, 1933 die Bruder-Klaus-Pfarrei und Kirche sowie 1956 die Allerheiligenpfarrei errichtet, deren Kirche von 1964 stammt. 1899 entstand am nördlichen Fuss des Käferbergs der städtische Friedhof Nordheim. Die 1897 in Betrieb genommene private Strassenbahn Zürich-Oerlikon-Seebach wurde 1931 städtisch. Bis 1893 folgte die Besiedlung den Strassenachsen und beschränkte sich im Norden ganz auf Einzelhöfe (z.B. Brunnenhof, seit 1933 Studiogebäude der Radiogenossenschaft Zürich). Bereits in der Zwischenkriegszeit war fast das ganze ehemalige Gemeindegebiet überbaut. Das Industriegebiet am Stampfenbach wich einem repräsentativen Wohn-, Geschäfts- und Verwaltungsbezirk, von dem heute noch das 1933-1935 erbaute kantonale Verwaltungsgebäude Walche im Stil der neuen Sachlichkeit zeugt. Anfang des 21. Jahrhunderts zeigte sich Unterstrass teils als Wohnquartier, verzeichnete aber auch eine erhebliche Anzahl an Arbeitsplätzen.

Quellen und Literatur

  • B. Haas et al., Hundert Jahre Gross-Zürich, 1994, 130-139
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Martin Illi: "Unterstrass", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003130/2014-01-14/, konsultiert am 28.03.2024.