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DieterBührle

31.12.1921 Ilsenburg,9.11.2012 Zollikon, christkatholisch, deutscher Staatsangehöriger, ab 1937 von Zürich. Industrieller mit Schwerpunkt in der Rüstungsbranche und Erbe einer bedeutenden Kunstsammlung.

Dieter Bührle (mit Brille) in Begleitung seiner Anwälte und eines Mitangeklagten am Tag der Urteilsverkündung im Bührle-Prozess vor dem Bundesgericht in Lausanne, 28. November 1970 (KEYSTONE / Photopress, Bilder 100712557 und 100712534).
Dieter Bührle (mit Brille) in Begleitung seiner Anwälte und eines Mitangeklagten am Tag der Urteilsverkündung im Bührle-Prozess vor dem Bundesgericht in Lausanne, 28. November 1970 (KEYSTONE / Photopress, Bilder 100712557 und 100712534). […]

Dieter Bührle wuchs als ältester Sohn von Emil Georg Bührle und Charlotte geborene Schalk sowie als Bruder von Hortense Bührle ab 1924 in der Schweiz auf. Er studierte 1941-1948 an der Universität Zürich Rechtswissenschaften und schloss 1951 sein Doktorat ab. Der begeisterte Sportler engagierte sich insbesondere in der Handballsektion des Grasshopper Clubs, eines Sportvereins des Zürcher Bürgertums. Bührle heiratete die Juristin Dorothea Meier, Tochter des Zürcher Ingenieurs Emil Emanuel Meier und der Emilie geborene Halbheer. Das Paar hatte zwei Kinder, Carol und Christian Bührle.

In den frühen 1950er Jahren bekleidete Dieter Bührle verschiedene Posten innerhalb der Geschäftsleitung des Familienunternehmens Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. (später Oerlikon-Bührle). Er war zudem an der Expansion des Unternehmens nach Indien, Ägypten und in die Vereinigten Staaten beteiligt. Nach dem Tod seines Vaters 1956 übernahm er die Leitung der Waffenfabrik (Rüstung), der familieneigenen Ihag Industrie- und Handelsbank Zürich und der anderen Zweige des Konzerns in der Schweiz (u.a. des Hightech-Unternehmens Contraves und der Pilatus Flugzeugwerke) sowie im Ausland (namentlich Oerlikon Italiana in Mailand sowie die Gerätebauanstalt Balzers, später Balzers und Leybold, in Liechtenstein). In der Folgezeit baute Bührle das Unternehmen 1970 durch die Übernahme der Rüstungssparte seiner Genfer Konkurrentin Hispano Suiza (Waffenproduktion und Waffenhandel) und 1973 durch den Börsengang der Oerlikon-Bührle-Gruppe weiter aus. Obwohl er versuchte, das Unternehmen im zivilen Bereich zu diversifizieren (Übernahme des Schuhproduzenten Bally 1977), blieben die Flugabwehrsysteme mit den 35 mm Zwillingskanonen sowie den Feuerleitgeräten Fledermaus und Skyguard die Aushängeschilder des Konzerns, der sich ab den 1980er Jahren zunehmend mit Schwierigkeiten konfrontiert sah.

Dieter Bührle und Hortense Anda-Bührle posieren um 1988 im Museum der Stiftung Sammlung E.G. Bührle vor der Porträtskulptur ihres Vaters, die Otto Charles Bänninger gefertigt hatte (Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich).
Dieter Bührle und Hortense Anda-Bührle posieren um 1988 im Museum der Stiftung Sammlung E.G. Bührle vor der Porträtskulptur ihres Vaters, die Otto Charles Bänninger gefertigt hatte (Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich). […]

Dieter Bührle trat als Nachfolger seines Vaters 1956 in den erweiterten Ausschuss des Arbeitgeberverbands schweizerischer Maschinen- & Metall-Industrieller (ASM) ein und sass im Jahr darauf auch im Vorstand des Vereins Schweizerischer Maschinen-Industrieller (VSM). Als gut vernetztes Mitglied der Zürcher Elite gehörte er 1957 dem Verwaltungsrat der Bank Leu, 1967-1970 dem Vorstand der Handelskammer und ab 1963 der Mathematisch-Militärischen Gesellschaft in Zürich an. Ausserdem war er wie schon sein Vater Honorargeneralkonsul von Äthiopien (1958). Wegen illegaler Waffenlieferungen in die Konfliktländer Südafrika und Nigeria (Biafra-Krieg) wurden Bührle und drei seiner Mitarbeiter 1970 vom Bundesgericht verurteilt. Dieser Skandal trug wesentlich zur Lancierung der Volksinitiative «für eine vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» bei, die 1972 49,7% der Ja-Stimmen erhielt. In seiner Funktion als Oberst im Generalstab wurde Bührle nach seiner Verurteilung 1971 beurlaubt. 1974 verlieh ihm Unteriberg die Ehrenbürgerschaft; auf dem Gemeindegebiet betrieb Oerlikon-Bührle ab 1953 einen Schiessplatz, der heute als Erprobungszentrum Ochsenboden zur RWM Schweiz AG gehört. Zum Dank für die Aufrechterhaltung von Handelsbeziehungen mit Südafrika, das von der internationalen Gemeinschaft wegen der Apartheid boykottiert wurde, erhielt er vom dortigen Regime 1978 heimlich den Verdienstorden.

Bericht zum Rücktritt von Verwaltungsratspräsident Dieter Bührle bei der Oerlikon-Bührle Holding AG in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 4. September 1990 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF)
Bericht zum Rücktritt von Verwaltungsratspräsident Dieter Bührle bei der Oerlikon-Bührle Holding AG in der Tagesschau-Hauptausgabe des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 4. September 1990 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF)

Als einer der reichsten Schweizer (1989 wurde sein Vermögen auf 400 Millionen Franken geschätzt) sass Dieter Bührle in den Stiftungsräten der verschiedenen von seinem Vater gegründeten kulturellen Institutionen und engagierte sich zudem besonders für das Verlagshaus Artemis, das seine Familie 1957 erworben hatte. Dieses verlegte 1973 den ersten Katalog der Stiftung Sammlung E.G. Bührle. Meinungsverschiedenheiten mit seiner Schwester Hortense Anda-Bührle über die Unternehmensführung und eine unter anderem durch den Misserfolg des Flugabwehrsystems Adats (Air Defense Anti Tank System) befeuerte Krise des Oerlikon-Bührle-Konzerns führten dazu, dass sich Dieter Bührle 1990 aus dessen Leitung zurückzog; die Geschäfte wurden von seiner Schwester übernommen. Von den rund 150 Kunstwerken, die er bei der Aufteilung der Sammlung seines Vaters erhalten hatte, verkaufte er nach 1960 zahlreiche. Er verfügte, dass ca. zehn der verbliebenen Werke nach seinem Tod an die Stiftung Sammlung E.G. Bührle übergehen sollten. Dieter Bührle war ein erstrangiger Unternehmer und zählt wie schon sein Vater zu den umstrittenen Figuren der Schweizer Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Quellen und Literatur

  • Kunsthaus Zürich, Zürich, Archiv der Stiftung Sammlung E.G. Bührle.
  • Zentralarchiv der Rheinmetall AG, Wuppertal und Haan.
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Kurzinformationen
Variante(n)
Dietrich Bührle
Ernst Joseph Sylvester Dietrich Bührle (Geburtsname)
Lebensdaten ∗︎ 31.12.1921 ✝︎ 9.11.2012

Zitiervorschlag

Ueli Müller; Matthieu Leimgruber: "Bührle, Dieter", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.06.2023, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/030947/2023-06-07/, konsultiert am 18.04.2024.