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Zivilgesetzbuch (ZGB)

Der erste, gescheiterte Versuch einer nationalen Kodifikation des Privatrechts wurde in der Helvetik unternommen. Die daraufhin entstehenden kantonalen Privatrechtskodifikationen waren vom französischen Code civil (Code Napoléon) von 1804 (Genf, Waadt, Neuenburg, Tessin und im Berner Jura) und vom österreichischen "Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch" von 1811 (Bern, Solothurn, Aargau, Luzern) beeinflusst. Auf Bundesebene setzte die Diskussion um die Vereinheitlichung des Privatrechts in den 1850er Jahren ein mit der Forderung nach einem einheitlichen Wechsel-, dann nach einem einheitlichen Handelsrecht. Die Bundesverfassung von 1874 räumte dem Bund eine Teilkompetenz ein, wonach 1881 das Obligationenrecht (OR) entstand. Mit seinem vierbändigen Werk "System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts" (1886-1893) schuf Eugen Huber Grundlagen für die eidgenössische Zivilrechtskodifikation. Ein Memorial des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements von 1893 über die Art und Weise des Vorgehens bei der Ausarbeitung eines schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) sowie Teilentwürfe von Huber über "Die Wirkungen der Ehe" (1893), "Das Erbrecht" (1895) und "Das Grundpfand" (1898) leisteten weitere Vorarbeiten. Huber gelang es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den individualistisch ausgerichteten Gesetzbüchern der Westschweiz und denjenigen der Zentral- und Ostschweiz, in denen die Vertragsfreiheit durch genossenschaftliche oder verwandtschaftliche Bindungen des Individuums stark eingeschränkt war. Dabei kann das Zürcher Gesetzbuch in mancherlei Hinsicht als Vorläufer des ZGB bezeichnet werden. 1898 erweiterte das Volk mit der Annahme der Verfassungsrevision des Artikels 64 die Gesetzgebung des Bundes auf das Gebiet des gesamten Zivilrechts.

Nach mehrjährigen Beratungen in Expertenkommissionen und in den Räten nahm das Parlament 1907 das ZGB einstimmig an; dieses trat nach der Schaffung der Einführungsgesetzgebung durch die Kantone und der Anpassung des OR (5. Teil des ZGB) 1912 in Kraft. Das ZGB, das die Bereiche Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht regelt, übte eine grosse Wirkung auf europäische (z.B. 1926 Türkei) und aussereuropäische Kodifikationen aus. Bis in die 1960er Jahre ist es selten, seither in wichtigen Teilen, die namentlich das Familien- und das Sachenrecht betreffen, häufiger revidiert worden.

Quellen und Literatur

  • P. Liver, «Das Schweiz. Zivilgesetzbuch ― Entstehung und Bewährung, Erster Tl.: Entstehung», in ZSR, NF 81, 1962, 9-30
  • B. Dölemeyer, «Nationale Rechtsvereinheitlichung Schweiz», in Hb. der Qu. und Lit. der neueren europ. Privatrechtsgesch., hg. von H. Coing, Bd. 3, 1982, 1961-2029
  • P. Caroni, Rechtseinheit, 1986
  • B. Schnyder, «Allg. Einleitung zu Art. 1-10 ZGB», in Einleitung - Personenrecht (Kommentar zum ZGB 1), hg. von P. Gauch, J. Schmid, 31998, 9-115
  • T. Sutter, Auf dem Weg zur Rechtseinheit im schweiz. Zivilprozessrecht, 1998
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernhard Schnyder: "Zivilgesetzbuch (ZGB)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/030734/2014-11-18/, konsultiert am 19.03.2024.