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Saint-UrsanneDorf

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Jura, Bezirk Pruntrut, die seit 2009 mit Epauvillers, Epiquerez, Montenol, Montmelon, Ocourt und Seleute die politische Gemeinde Clos du Doubs bildet. Die befestigte Stadt am rechten Ufer des Doubs wurde rund um die Stiftskirche aus dem 12.-15. Jahrhundert erbaut. 1139 Sancti Ursicini, deutsch früher St. Ursitz. 1797 666 Einwohner; 1850 726; 1900 828; 1950 1277; 2000 769; 2008 688.

Saint-Ursanne (Dorf): Situationskarte 2008 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Saint-Ursanne (Dorf): Situationskarte 2008 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Überreste vom Mesolithikum bis zur Bronzezeit traten bei Les Grippons und solche aus dem 7.-10. Jahrhundert unter dem Kloster zutage. Zwischen dem Tod des Einsiedlers Ursicinus um 610 und dem Jahr 1210 entwickelte sich Saint-Ursanne vom regionalen religiösen Mittelpunkt zum Verwaltungszentrum der Propstei. Obwohl ab Beginn des 13. Jahrhunderts jährlich ein Jahrmarkt und vom 15. Jahrhundert an deren zwei stattfanden, blieb Saint-Ursanne ein kleiner, wenig bedeutsamer Ort, woran auch der Bau der bischöflichen Festung um 1330 nicht viel änderte. Im 14. Jahrhundert wurde um das Städtchen, das keinen Freiheitsbrief erhalten hatte, eine Mauer errichtet. Saint-Ursanne unterstand dem Kollegiatsstift. Zur Stadt wurde Saint-Ursanne erst 1378, als der Bischof von Basel ihm das Recht zugestand, zur Finanzierung seiner Festungsbauten eine Weinsteuer (Ungeld) zu erheben. Trotz des Widerstands der Pröpste gelang es der Bürgerschaft, sich allmählich von der feudalen Herrschaft zu lösen. Als die Fürstbischöfe im 15. Jahrhundert wieder erstarkten, kamen die Emanzipationsbestrebungen zum Erliegen. Saint-Ursanne gelang es jedoch, an den Zugeständnissen festzuhalten, die es zwischen 1376 und 1426 Johann von Vienne, der Stadt Basel und den Herren von Neufchâtel im Burgund abgerungen hatte. Es wurde der bischöflichen Schirmherrschaft unterstellt, worauf der von einem Bürgermeister präsidierte Rat seine Funktion auf die kommunale Ebene beschränken musste. Die Stadt litt unter dem Dreissigjährigen Krieg. Aus den Landestroublen 1740 und den revolutionären Umtrieben 1792 hielt sie sich heraus. Nach der Aufhebung des Stifts 1793 verlor Saint-Ursanne seine Funktion als Hauptort der Propstei. Saint-Ursanne gehörte zur kurzlebigen Raurachischen Republik, dann 1793-1800 zum französischen Departement Mont-Terrible und 1800-1814 zum Departement Haut-Rhin. 1815 ging es an den Kanton Bern über, wo es bis 1978 Teil des Oberamts bzw. des Amtsbezirks Pruntrut war. Aus Protest gegen den Beschluss des Kantons Bern, innerhalb der ehemaligen Grenzen der Propstei keinen Bezirk Saint-Ursanne zu schaffen, lehnte der Ort die neue Kantonsverfassung 1831 ab. Die Pfarrei Saint-Ursanne umfasste Saint-Ursanne, Montmelon, Montenol und Seleute; 1803 wurde die ehemalige Stifts- zur Pfarrkirche. Im 19. Jahrhundert stagnierte die Stadt wirtschaftlich und litt unter der 1861 erfolgten Betriebseinstellung der Eisenwerke von Bellefontaine. Nach dem Durchstich des Eisenbahntunnels Saint-Ursanne-Courgenay 1876 überlebte der industrielle Sektor mit der ansässigen Metallbranche und der Kalkbrennerei, die bis 1993 Bestand hatten. 2005 stellte der 2. Sektor noch 38% der Arbeitsplätze in Saint-Ursanne. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts konzentrierte sich die Gemeinde auf den Ausbau des Tourismus und die Stärkung des Dienstleistungssektors, wobei es nicht gelang, den demografischen Rückgang zu stoppen. Saint-Ursanne, das seit 1986 unter Denkmalschutz steht, beherbergt das kantonale Office de l'environnement.

Ansichten von Saint-Ursanne im Jahr 1860. Fotografien von Edouard Quiquerez (Musée jurassien d’art et d’histoire, Delsberg).
Ansichten von Saint-Ursanne im Jahr 1860. Fotografien von Edouard Quiquerez (Musée jurassien d’art et d’histoire, Delsberg). […]

Quellen und Literatur

  • F. Chèvre, Histoire de St-Ursanne, du chapitre, de la ville et de la prévôté de ce nom, 1887 (Neudr. 1981)
  • M. Chappatte, Et cette ville s'appellera Saint-Ursanne au bord du Doubs, 1955
  • C. Lapaire, Les constructions religieuses de Saint-Ursanne, 1960
  • Le canton du Jura de A à Z, hg. von B. Prongué, 1991, 185-187
  • J.-C. Rebetez, Saint-Ursanne hors du temps, 2010
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Jean-Paul Prongué: "Saint-Ursanne (Dorf)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.05.2020, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003007/2020-05-18/, konsultiert am 19.03.2024.