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Hermance

Politische Gemeinde des Kantons Genf, am linken Seeufer gelegen. 1247 intra Armentia, 1271 Eremencia. 1444 etwa 400 Einwohner (80 Haushaltungen); 1801 307; 1850 498; 1900 362; 1950 400; 1980 594; 2000 816.

Der untere Teil des Marktfleckens, fotografiert um 1895 vom Turm der ehemaligen Burg von Aymon de Faucigny aus, Charnaux Frères, Genf (Schweizerische Nationalbibliothek, Graphische Sammlung).
Der untere Teil des Marktfleckens, fotografiert um 1895 vom Turm der ehemaligen Burg von Aymon de Faucigny aus, Charnaux Frères, Genf (Schweizerische Nationalbibliothek, Graphische Sammlung). […]

Reste einer Seeufersiedlung, neolithische Grabstätten, Kapitell und Münzen aus der Römerzeit, frühmittelalterliche Plattengräber. Um 1100 war Hermance ein blosses castrum, das einige Fischerhütten schützte. In dieser Zeit entstanden nicht weit voneinander in bereits bestehenden Ansiedlungen die beiden Pfarreien Cusy und Villars. Sie waren vielleicht Pfründen des Genfer Priorats Saint-Jean; ihr Gründer war vermutlich Guy de Faucigny, Bischof von Genf. Die Lage am See, an einer Flussmündung und an der wichtigen Strasse nach Langin erklärt wohl den späteren Aufschwung von Hermance. Neuere Grabungen zeigen, dass Hermance sehr dicht mit Wohnhäusern aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bebaut war, die im 14. Jahrhundert erweitert und im Verlauf des 18. Jahrhunderts zum Teil zerstört wurden. 1247 liess Aymon II de Faucigny eine Burg und einen befestigten Marktflecken errichten. Die Kirche dieser Neugründung wurde Pfarrkirche. Damit verlor die Pfarrei Villars an Bedeutung, und das Einflussgebiet der Pfarrei Cusy verlagerte sich in Richtung des heutigen Dorfs Chens (Savoyen). Den Zuwanderern, die durch die günstige Lage des neuen Fleckens angezogen wurden, verlieh der Herr von Faucigny 1351 gewisse Rechte (franchises) und förderte dadurch den Aufschwung von Hermance. Nach der Niederlage Faucignys gegen Savoyen ergab sich Hermance 1355 und wurde Sitz einer savoyischen Kastlanei. Es hatte sich zu einem bedeutenden Ort entwickelt, der sein Masssystem in der Gegend durchsetzte und ein Pfandleihhaus besass. Ein Spital (Hospiz) wurde 1373 errichtet. 1459 ist eine Schule bezeugt.

1536 drangen Berner Truppen mit ihren französischen Verbündeten ins Chablais ein. Den savoyischen Dörfern wurde der reformierte Glaube aufgezwungen. Die Genfer Kirche ernannte einen Pfarrer für Hermance und die umliegenden Dörfer. 1542 wurde das Spital wiederaufgebaut und die Schule erweitert. 1567 kam Hermance wieder zu Savoyen. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde es Kriegsschauplatz in den Auseinandersetzungen zwischen Genf und seinen Verbündeten Frankreich und Bern auf der einen, Savoyen und Spanien auf der anderen Seite. Im Frühjahr 1589 wurde der Flecken von der Armee Nicolas Harlay de Sancys geplündert; Wehrmauer und Burg wurden mit Ausnahme des Turms geschleift. Am 4. August 1589 schlugen die Berner unter Johann von Wattenwyl den Lokalherrn von Hermance, François-Melchior de Saint-Jeoire. Mit dem französisch-spanischen Vertrag von Vervins im Mai 1598 kehrte wieder Friede ein; über die gegensätzlichen Ansprüche Genfs und Savoyens kam es im Oktober in Hermance zu Verhandlungen. Der katholische Kultus wurde wieder eingeführt. Nur langsam erholte sich der Flecken von den Zerstörungen; er zog sich auf seine lokalen Bedürfnisse zurück und seine Bedeutung schwand. So wurde die schwer beschädigte Kirche erst um 1680 wieder aufgebaut, das Spital ging um 1740 ein. Mit dem Chablais erlitt Hermance 1743-1748 die spanische Besetzung. Bis zur Revolution waren mehrere Geschlechter Herren von Hermance, so die Miolan, die Ballaison, die Saint-Jeoire und die Blonay (1756). Später gehörte die Burg den Marcet, den Boissier und den de la Rive.

1792 besetzten französische Truppen das Chablais. Ab 1797 gehörte Hermance zum Arrondissement Thonon des Departements Léman. Ein Munizipalrat, ein Ortsvorsteher (maire) und dessen Stellvertreter wurden eingesetzt, ein Zivilstandsamt wurde geschaffen. Im März 1816 kam Hermance mit dem Vertrag von Turin zum Kanton Genf, doch ein Teil seines Umlandes (weniger als die Hälfte) blieb sardinisch. Mit dem Bau der linksufrigen Seestrasse sowie der Errichtung von Uferquai und Schiffsanlegestelle trat Hermance ab 1851 aus seiner Abgeschiedenheit heraus. Von 1873 an liefen regelmässig Dampfschiffe den Hafen an. 1902 erhielt Hermance Anschluss an die Genfer Tramlinie, die 1958 durch einen Busdienst ersetzt wurde. Die Einwohnerzahl blieb vom 15. Jahrhundert bis 1950 recht stabil, wogegen sich die Bevölkerungsstruktur stark veränderte. War Hermance früher ein Bauern-, Fischer- und Handwerkerdorf, sind die meisten Einwohner nun im Dienstleistungssektor tätig.

Quellen und Literatur

  • G. Fatio, Hermance, 1954
  • J. Bujard, «Hermance, 1247-1997», in BHG 25, 1995, 1-81
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Piuz: "Hermance", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.04.2008, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002907/2008-04-09/, konsultiert am 19.03.2024.