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PaulScherrer

Besuch in Würenlingen im Mai 1957 anlässlich der Inbetriebnahme des Atomreaktors Saphir. Fotografie von Jules Vogt © KEYSTONE/Photopress.
Besuch in Würenlingen im Mai 1957 anlässlich der Inbetriebnahme des Atomreaktors Saphir. Fotografie von Jules Vogt © KEYSTONE/Photopress. […]

3.2.1890 St. Gallen, 25.9.1969 Zürich, reformiert, von Mosnang. Sohn des Hermann, Kaufmanns und Kunstmalers, und der Ida geborene Zürcher. 1912 Ina Sonderegger, Tochter des Conrad Sonderegger. Nach der Handels- und Verkehrsschule in St. Gallen studierte Paul Scherrer ab 1908 zwei Semester Botanik, dann bis 1916 Mathematik und Physik am Eidgenössischen Polytechnikum Zürich sowie den Universitäten Königsberg und Göttingen. Während seines Doktorats entwickelte er in Göttingen mit seinem Doktorvater Peter Debye eine Methode zur Bestimmung der Struktur von polykristallinen Materialien (Pulvern) mittels Röntgenstrahlen, das sogenannte Debye-Scherrer-Verfahren, wofür Debye 1936 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Scherrer promovierte 1916 und wurde 1918 Privatdozent an der Universität Göttingen. 1920 zum ordentlichen Professor für Physik (v.a. Experimentalphysik) an der ETH Zürich ernannt, stand er ab 1927 dem physikalischen Institut vor, das er mit Wolfgang Pauli zu einem internationalen Forschungszentrum für Kernphysik ausbaute. Ab 1946 präsidierte Scherrer die Schweizerische Studienkommission für Atomenergie. 1954 beteiligte er sich an der Gründung des CERN bei Genf, ein Jahr später an derjenigen der Reaktor AG in Würenlingen. Letztere ging 1960 an das Eidgenössische Institut für Reaktorforschung und 1988 an das nach ihm benannte Paul-Scherrer-Institut über. Ab 1958 wirkte er als Präsident der Schweizerischen Kommission für Atomwissenschaft. Nach der Emeritierung an der ETH Zürich 1960 übernahm er einen Lehrauftrag an der Universität Basel. Scherrer war ein ausgezeichneter Organisator, begeisternder Lehrer und Popularisator wissenschaftlicher Erkenntnisse. Mit dem Bankier Walter E. Boveri bestimmte er die wesentlichen Linien der schweizerischen Nuklearpolitik der Nachkriegszeit. Unter Scherrers Leitung entstand 1940 an der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Brown, Boveri & Cie. und der Maschinenfabrik Oerlikon eines der ersten Zyklotrone (Teilchenbeschleuniger) Europas. Während des Zweiten Weltkriegs lieferte er über den in Bern stationierten Allan W. Dulles und Moe Berg Informationen zum deutschen Atomprogramm an den amerikanischen Nachrichtendienst. Scherrer erhielt von acht Universitäten einen Ehrendoktor sowie 1943 den Marcel-Benoist-Preis. Auf Scherrers Wunsch wurde sein Nachlass zum grössten Teil zerstört.

Quellen und Literatur

  • ETH-BIB, Dok.
  • Beitr. zur Entwicklung der Physik, hg. von H. Frauenfelder et al., 1960
  • H. Völkle, «Der Physiker Prof. Paul Scherrer (1890-1969)», in Toggenburger Annalen 3, 1976, 41-49
  • DSB 18, Suppl. II, 1990, 784 f.
  • Paul Scherrer, 1890-1969, hg. von K. Alder, 1990
  • H. Wäffler, «Kernphysik an der ETH Zürich z.Z. Paul Scherrers», in Vjschr. der Naturforschenden Ges. in Zürich 137, 1992, 143-176
  • N. Dawidoff, The Catcher was a Spy: The Mysterious Life of Moe Berg, 1994
  • T. Wildi, Der Traum vom eigenen Reaktor, 2003
  • NDB 22, 704 f.
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF

Zitiervorschlag

Erwin Neuenschwander: "Scherrer, Paul", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/028931/2012-11-20/, konsultiert am 19.03.2024.