de fr it

Sichel

Medaillon aus der Rosette der Kathedrale von Lausanne mit der Darstellung des Monats Juni (fälschlicherweise betitelt mit IVLIVS). Glasscheibe, geschaffen zwischen 1205 und 1232 (Fotografie Claude Bornand).
Medaillon aus der Rosette der Kathedrale von Lausanne mit der Darstellung des Monats Juni (fälschlicherweise betitelt mit IVLIVS). Glasscheibe, geschaffen zwischen 1205 und 1232 (Fotografie Claude Bornand).

Die Sichel, einst das wichtigste Arbeitsinstrument zum Mähen von Gras und Getreide, wurde im Getreidebau und in der Viehwirtschaft eingesetzt und ist seit dem Neolithikum in unterschiedlichen Formen und Materialien belegt. Sichelähnliche Geräte (u.a. Gertel, Rebmesser) dienen bis in die Gegenwart dem Entlauben von Zweigen für Laubheu, dem Schneiden von Schilf und von Rebstöcken.

Das an einem kurzen Holzstiel befestigte halbmondförmige Blatt der Bogen- bzw. das gekrümmte der Hakensichel wurde vom Dorfschmied angefertigt. Vor der Ernte musste es durch Dengeln (Hämmern), während der Ernte durch Wetzen geschärft werden. Für das Ernten mit der Sichel, das als anstrengend und beschwerlich galt, wurden meist migrierende Erntearbeiter im Akkord beschäftigt. Gebückt oder kniend, notdürftig durch Kniebinden aus Filz oder Leinwand geschützt, bündelten sie das Getreide mit der Hand zum Schnitt, der in halber Halmhöhe ausgeführt wurde. Obwohl die Sense bekannt war, blieb die Sichel in der Schweiz bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts das wichtigere Gerät bei der Kornernte, insbesondere bei der ärmeren Bevölkerung. Der Vorteil der Sichel war der geringere Körnerverlust beim Schnitt. Noch in den 1860er Jahren brachten Saisonarbeiter aus dem Schwarzwald ihre eigenen Sicheln zur Ernte ins schweizerische Kornland mit. In den meisten Gebieten fand der Wechsel zur Kornsense erst ab den 1860er Jahren statt. Gründe waren die Verknappung und Verteuerung der ländlichen Arbeitskräfte und die Einführung von neuen Getreidesorten mit besseren Hafteigenschaften in der Ähre. Bis heute wird die Sichel für kleinere Arbeiten, zum Beispiel zum Putzen von Heckenrändern, benützt.

Mit der Sichel verbanden sich Erntebräuche wie die Sichellöse (-henki, -legi, -ledi, -schnitt, Sichleten), ein üppiges Erntedankmahl mit Gesang und Tanz, das der Hofbauer am Ende der Ernte seinen Arbeitern stiftete, ferner mittelalterliche Rechtsbräuche wie der Sichelwurf vom Dachfirst aus, um die Weidefläche der Hühner zu bestimmen (u.a. Offnung von Oberuzwil, 1500).

Quellen und Literatur

  • Idiotikon 3, 1200, 1444; 7, 186
  • M. Lemmenmeier, Luzerns Landwirtschaft im Umbruch, 1983, 243-245
  • LexMA 3, 2180-2183
  • J. Mathieu, Eine Agrargesch. der inneren Alpen, 1992, 215-223
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Sichel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.12.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/028684/2012-12-18/, konsultiert am 19.03.2024.