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LaChaux-de-Fonds

Lithografie von Heinrich Siegfried, publiziert von Heinrich Appenzeller, Zürich 1863 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Lithografie von Heinrich Siegfried, publiziert von Heinrich Appenzeller, Zürich 1863 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Politische Gemeinde des Kantons Neuenburg, Hauptort des Bezirks La Chaux-de-Fonds. Die im Jura nahe der Grenze zu Frankreich und im muldenförmigen Hochtal von La Chaux-de-Fonds gelegene Stadt liegt auf fast 1000 m. 1900 kam die Gemeinde Les Eplatures hinzu. 1350 La Chaz de Fonz, 1378 Chault de Font. Die schachbrettartig konzipierte Stadt – von nationaler Bedeutung – widerspiegelt eine der konsequentesten Stadtanlagen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts.

La Chaux-de-Fonds erfuhr im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Wachstumsschub. Mit einem jährlichen Anstieg von 17‰ verdreifachte sich die Bevölkerung zwischen 1850 und 1910. Diese Entwicklung stand in einem engen Zusammenhang mit derjenigen der Uhrenindustrie und gründete auf dem starken Zuzug von Bewohnern vor allem aus dem Kanton Bern. 1880 waren 30% der Bevölkerung deutschsprachig.

Bevölkerungsstruktur der Gemeinde La Chaux-de-Fonds

Jahr15311615166117151750177518001825
Einwohnerca.    353554957022 3633 2344 9275 858
         
Jahr 18501880a191019301950197019902000
Einwohner 12 63823 81837 75135 25233 30042 34736 89437 016
SpracheFranzösisch 16 08932 36330 76128 81831 76229 87331 653
 Deutsch 7 4214 3833 5593 3052 9031 191 900
 Italienisch  263 911 8011 0505 6802 0011 335
 Andere    45    94 131 1272 0023 8293 128
Religion, KonfessionProtestantisch 20 00629 91427 30623 87721 97913 96311 425
 Katholischb 3 1606 0776 5198 10018 14214 37911 320
 Andere  6521 7601 4271 3232 2268 55214 271
 davon ohne Zugehörigkeitc      6 79010 059
NationalitätSchweizer11 08420 68133 21832 64431 26532 92227 68927 106
 Ausländer1 5543 1374 5332 6082 0359 4259 2059 910

a Einwohner, Nationalität: Wohnbevölkerung; Sprache, Konfession: ortsanwesende Bevölkerung

b 1880-1930 einschliesslich der Christkatholischen; ab 1950 römisch-katholisch

c zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig

Bevölkerungsstruktur der Gemeinde La Chaux-de-Fonds -  Archives de l'Etat de Neuchâtel; Bundesamt für Statistik

Vorgeschichte und Altertum

Einige Funde in der Bichon beim Doubs lassen auf eine menschliche Präsenz bereits im späten Paläolithikum schliessen (10300-9000 v.Chr.). 1956 fand man einen Menschenschädel und andere Knochenteile, die zum Typus des Cro-Magnon-Menschen gehören. In einer anderen Höhle, der sogenannten Grotte des Boîtiers, fand man ebenfalls Überreste aus dieser Epoche. Zeugnisse späterer Kulturen kamen hingegen keine zum Vorschein.

Mittelalter bis 16. Jahrhundert

Die zur Herrschaft Valangin gehörende Region wurde erst spät besiedelt. Die ersten Siedler kamen um die Mitte des 14. Jahrhunderts aus dem südlich gelegenen Val-de-Ruz. Im 15. und 16. Jahrhundert, während einer zweiten Besiedlungsphase des Jura, kamen die Einwanderer aus dem sogenannten Clos de la Franchise, d.h. aus den Tälern von Le Locle und La Sagne, die 1372 von Johann II. von Aarberg Freiheiten empfangen hatten. Die Kolonisatoren liessen sich im heutigen Gebiet von La Chaux-de-Fonds nieder, das in zehn Zehntbezirke gegliedert war. Haupttätigkeit war die Viehwirtschaft. Die verzögerte kommunale Entwicklung lässt sich zum Teil aus den fehlenden politischen und kirchlichen Strukturen erklären: Es gab in La Chaux-de-Fonds keine Kirche, keine Mairie und keinen Gerichtsort. Die Gebietsumschreibung blieb unklar, vor allem im Osten, wo die Grenze zum Fürstbistum Basel nicht genau definiert war. Eine erste, dem heiligen Humbert (Imier?) geweihte Kirche wurde 1528 durch den Erzbischof von Besançon, Pierre Tassard, im Namen des Bischofs von Lausanne eingeweiht. Um 1530 wurde La Chaux-de-Fonds, wie das übrige Gebiet der Herrschaft Valangin, reformiert. Der Herr von Valangin, René de Challant, legte 1550 die Grenzen der Pfarrei fest. In dieser entstand eine kleine Gemeinde aus Bürgern von Valangin, abgabenpflichtigen Bauern sowie Bauern, die wegen ihrer Rodungstätigkeit besser gestellt waren (francs-habergeants). 1616 wurde La Chaux-de-Fonds hinsichtlich der niederen und mittleren Gerichtsbarkeit von Le Locle und La Sagne abhängig; die hohe Gerichtsbarkeit blieb in Valangin. Die Landwirtschaft, ergänzt durch Mühlen am Ufer des Doubs, dominierte weiterhin. La Chaux-de-Fonds wurde auch zum wichtigen Kreuzungspunkt im Verkehr zwischen Neuenburg und der Freigrafschaft Burgund bzw. dem Fürstbistum Basel.

17. und 18. Jahrhundert

Möglicherweise führte der Dreissigjährige Krieg (1618-1648) zu einem ersten Wachstum von La Chaux-de-Fonds, dessen geografische Lage den Handel begünstigte. Nach mehreren Anfragen erhielten die Einwohner das Recht, eine eigene Mairie einzurichten: Am 2. Dezember 1656 unterzeichnete der Fürst von Neuenburg, Henri II. d'Orléans-Longueville, die entsprechende Urkunde. Damit wurde aus der Pfarrei auch eine Verwaltungseinheit (Gemeinde) und ein eigener Niedergerichtsbezirk (Mairie). Die Gemeinde konnte nun drei Jahrmärkte und einen Wochenmarkt abhalten. Ihr Territorium wurde durch das Gebiet von Boinod im Süden leicht erweitert. Der Neuenburger Gouverneur Jakob von Stäffis-Molondin (Stavay-Molondin) ernannte Abraham Robert (1619-1679), Notar und Sekretär des Staatsrats, zum Maire. Robert überprüfte die Rechtstitel und verfasste die "Description de la frontière des Montagnes de Valangin". Eine erste Gemeindeschule wurde 1688 eröffnet.

Die in mehreren Höfen erhaltene Bausubstanz lässt auf einen relativen bäuerlichen Reichtum im 17. Jahrhundert schliessen. Die Entwicklung des Handwerks blieb dagegen bescheiden. Andere Wirtschaftszweige entfalteten sich erst im 18. Jahrhundert mit der Spitzenklöppelei und der Uhrmacherei. Letztere breitete sich von Genf kommend der Jurakette entlang aus und wurde zur Zusatzbeschäftigung von Bauern und Handwerkern. Hinzu kamen qualifizierte Schmiede und Schlosser, die eingeführte Metalle verarbeiteten. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts zählte man im Gebiet von La Chaux-de-Fonds rund 500 Spitzenklöpplerinnen. Bis 1800 sank deren Zahl auf 300, da die Uhrmacherei, welche sich schon in vorindustrieller Zeit als wichtige Branche etablierte, die Spitzenfabrikation stark konkurrenzierte. Die Uhrenherstellung erfolgte vom Beginn des 18. Jahrhunderts an im arbeitsteiligen System des établissage, einer speziellen Form des Verlagssystems. La Chaux-de-Fonds war bekannt für seine Pendulen, die auf den Jahrmärkten angeboten wurden. Um 1750 zählte man 68 Penduliers, 8 Kunstschreiner und 4 Bronzegiesser. Einige Penduliers aus La Chaux-de-Fonds wurden berühmt: so Josué Robert, königlicher Uhrmacher, oder Pierre Jaquet-Droz und seine Familie, bekannt für ihre Automaten. Freizügige Bestimmungen förderten die Einwanderung von Arbeitern aus der Schweiz, vor allem aus Genf, und aus der Freigrafschaft Burgund zur Verstärkung des einheimischen Handwerks. Die Uhrmacher entwickelten eine eigene Kultur, welche die Mentalität und Lebensweise im kleinen Ort allmählich veränderte.

Ansicht der nach dem Brand von 1794 wiederaufgebauten Stadt. Aquarell eines unbekannten Künstlers, um 1805 (Musée d'histoire La Chaux-de-Fonds).
Ansicht der nach dem Brand von 1794 wiederaufgebauten Stadt. Aquarell eines unbekannten Künstlers, um 1805 (Musée d'histoire La Chaux-de-Fonds).

Die in der Compagnie du village vereinigten Unternehmer kümmerten sich auch um die städtische Infrastruktur und Entwicklung. Allerdings führte die unterschiedliche Rechtsstellung von Dorfgenossen (Bürger, francs-habergeants) und Hintersassen (übrige Einwohner) zu sozialen Spannungen. Auch die Bürger von Valangin und von Neuenburg standen innerhalb des Fürstentums nicht auf derselben Stufe. Diese Spannungen und die regen Kontakte mit der Freigrafschaft erklären den starken Widerhall der Französischen Revolution im Neuenburger Jura. Insbesondere in La Chaux-de-Fonds verbreitete ein starker patriotischer Verein das revolutionäre Ideengut. Infolge heftiger Repression zogen 1793 viele Uhrmacher nach Besançon, wo zwischen den Jahren II und IV des Revolutionskalenders (September 1793 bis September 1795) mehr als 1800 schweizerische Uhrmacher als Zuzüger registriert wurden. Die grosse Feuersbrunst von 1794 in La Chaux-de-Fonds erschien manchen als Strafe Gottes. Mit Hilfe des Staatsrats und unter Führung des graveur Moïse Perret-Gentil wurde die Stadt nach Plänen, die den Kern der modernen Stadt vorzeichneten, rasch wiederaufgebaut. Anstelle der alten Kirche wurde ein neues Gebäude in ovaler Form errichtet. 1803-1805 entstand das Rathaus.

19. und 20. Jahrhundert

Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderten sich die politischen Verhältnisse in La Chaux-de-Fonds kaum. Die Bürgerschaft von Valangin wurde zur konservativen Kraft; die Erlangung des Bürgerrechts war beschwerlich und kostspielig. Die Last des Wiederaufbaus liess die Steuern steigen. Unverändert blieben auch die kommunalen Einrichtungen; einzig 1812 kam die neu gegründete Gemeinde Les Planchettes zur Mairie La Chaux-de-Fonds. Dagegen verdoppelte sich mit der Industrialisierung die Bevölkerung zwischen 1815 und 1849. Charles-Henri Junod, Brücken- und Strasseninspektor, schlug 1835 eine neue Stadtplanung vor: Die Erweiterung sollte im Schachbrettmuster dem Tal entlang erfolgen.

Bürgerfeier vom 7. Mai 1848. Kolorierte Lithografie nach einer Zeichnung von L. Droz (Musée d'histoire La Chaux-de-Fonds).
Bürgerfeier vom 7. Mai 1848. Kolorierte Lithografie nach einer Zeichnung von L. Droz (Musée d'histoire La Chaux-de-Fonds). […]

Nach der Krise von 1816-1817 wurde die Uhrmacherei zum dominierenden Wirtschaftszweig. 1847 waren ca. 4000 Personen direkt in der Uhrenindustrie beschäftigt, d.h. fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Diese Entwicklung führte auch zu den ersten Industrie- und Handelsorganisationen: 1819 wurde ein Büro für Edelmetallkontrolle eröffnet. Die Arbeitsteilung wurde verstärkt, und weitere städtische Ateliers nahmen den Betrieb auf. Die Krisenjahre 1837-1839 und 1847-1848 liessen unter den Unternehmern den Wunsch nach mehr Handelsfreiheit laut werden; sie wandten sich gegen die Konservativen, denen sie eine Monopolisierung des Bankkapitals vorwarfen. Die politischen Ereignisse von 1848 erwuchsen somit auch aus der wirtschaftlichen Entwicklung sowie einem sozialen und kulturellen Wandel: Im frühen 19. Jahrhundert waren mehrere reformierte Kirchen, eine katholische Pfarrei (1834) und auch eine kleine jüdische Gemeinde entstanden. 1819 waren eine Freimaurerloge, 1830 der republikanische Zirkel "L'Union" und 1845 eine deutschsprachige Sektion des Grütlivereins gegründet worden. Damit kamen fortschrittliche und republikanische Ideen in Umlauf. Neben den Schulen entstanden erste kulturelle Institutionen wie die Bibliothek, das Theater oder die von Célestin Nicolet ins Leben gerufene lokale Sektion der "Société des sciences naturelles". Karitative Organisationen kümmerten sich um Gesundheit und Lebensbedingungen der Bevölkerung.

Nach der Neuenburger Revolution vom 1. März 1848 wurde La Chaux-de-Fonds zum wirtschaftlichen Zentrum des Kantons und entwickelte sich zur modernen Stadt. La Chaux-de-Fonds wurde zudem Bezirkshauptort und Sitz des Regierungsstatthalters (bis 1990). Die alte Bürgergemeinde überlebte zwar bis 1888, wurde aber 1851 durch die Einwohnergemeinde abgelöst. Der 40-köpfige Generalrat (Legislative) der Stadt wurde im allgemeinen Wahlrecht gewählt und wählte seinerseits die sieben Mitglieder umfassende Exekutive. Die Radikalen dominierten das politische Leben bis in die 1890er Jahre. Sie wurden durch die Liberalen bekämpft, deren Anhänger sich vor allem aus dem ehemaligen Bürgertum rekrutierten, sowie durch die ersten, von Pierre Coullery angeführten Sozialisten (zur Ersten Internationale zählte 1865 eine Sektion mit ca. 250 Mitgliedern). Als Stadt und zugleich grösste Agrargemeinde des Kantons gab sich La Chaux-de-Fonds eine moderne Infrastruktur: unter anderem Telegraf (1852), Eisenbahn (1857), Kanalisation. Die Trinkwasserzufuhr aus der Areuse markierte 1887 einen wichtigen Schritt in der Stadtentwicklung.

Die schachbrettartig angelegte Stadt auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1936 (Bundesamt für Landestopografie).
Die schachbrettartig angelegte Stadt auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1936 (Bundesamt für Landestopografie).

Trotz der Krisen, die das 19. Jahrhundert prägten, war die Stadt gemäss einem Zitat von Karl Marx (1867) zu einer einzigen grossen Uhrenfabrik geworden, die aufgrund ihrer Urbanität, aber auch wegen ihrer Funktion als Schmelztiegel mit einer amerikanischen Stadt verglichen werden konnte. Der Aufschwung der Uhrenfabrikation (1870 4505 von 8954 Beschäftigten) zog viele Zuwanderer an, meist Schweizer, später in der Baubranche tätige Italiener. Aus dem Elsass eingewanderte Juden bildeten eine wirtschaftlich und kulturell wichtige Gemeinschaft, die 1896 eine grosse Synagoge einweihte. Ende des 19. Jahrhunderts kam es in der Uhrenfabrikation zur tiefgreifenden Umstrukturierung von der dezentralen Produktion zur mechanisierten Herstellung in kleinen Fabriken. Gleichzeitig entstanden Berufsverbände und Gewerkschaften. 1900 wurde die Schweizerische Uhrenkammer gegründet

Der Einfluss der Uhrmacherei machte sich auch in kulturellen und Bildungsbereichen bemerkbar. 1850 wurde die alte Erziehungskammer ersetzt durch eine Erziehungskommission. Die Behörden setzten alles daran, neue Schulen einzurichten, so die 1876 gegründete Industrieschule, die 1900 zum Gymnasium wurde und in deren Gebäuden auch Bibliothek und Museen untergebracht sind. Die 1865 gegründete Uhrmacherschule wurde später durch ein Technikum und eine Kunstgewerbeschule für die Ausbildung von Goldschmieden und Graveuren ergänzt. Hier unterrichteten auch Charles L'Eplattenier und Le Corbusier, deren Werke das Stadtbild beeinflussten; Beispiele sind die Türkische Villa (1917) von Le Corbusier oder das Kunstmuseum (1926) der Architekten René Chapallaz und Charles L'Eplattenier. Eine Handelsschule wurde 1913 eingeweiht.

Trotz zunehmender Zahl der Gotteshäuser und religiöser Gemeinschaften – 1853 wurde eine deutsche Kirche gebaut, nach dem Brand von 1919 der Grand Temple 1920-1921 wiederhergestellt, die Union chrétienne durch Pfarrer Paul Pettavel ins Leben gerufen – entfremdete sich in La Chaux-de-Fonds, wie in anderen Industriestädten, die Bevölkerung allmählich von der Kirche. Dagegen kam es zu einer wachsenden Aktivität in Vereinen, Museen, Musiklokalen und Theatern und zu neuen Formen der Freizeitbeschäftigung, zum Beispiel in Sportklubs.

Vor dem Postgebäude von La Chaux-de-Fonds wendet sich Jules Humbert-Droz (erhöht stehend, zwischen dem 2. und 3. Fenster von links) am 14. November 1918, dem letzten Tag des Generalstreiks, an die versammelte Menge. Postkarte (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds, Fonds Jules Humbert-Droz).
Vor dem Postgebäude von La Chaux-de-Fonds wendet sich Jules Humbert-Droz (erhöht stehend, zwischen dem 2. und 3. Fenster von links) am 14. November 1918, dem letzten Tag des Generalstreiks, an die versammelte Menge. Postkarte (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds, Fonds Jules Humbert-Droz).

Die Jahrhundertwende war gekennzeichnet von gravierenden sozialen Konflikten, die im von der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der Arbeiterunion unterstützten Maurerstreik von 1904 ihren Höhepunkt fanden. Mit der Einführung des Proporzes auf Gemeindeebene lösten 1912 die Sozialdemokraten die zuvor politisch dominierenden Radikalen ab. 1918 erhöhte man die Zahl der Generalräte von 40 auf 41. 1917 kam es wegen des Kriegs und der schwierigen Lage zu neuen Spannungen. Zweimal wurde die Stadt nach Kundgebungen gegen den Krieg und zur Unterstützung des Sozialdemokraten Ernest Paul Graber militärisch besetzt. Trotz der Gründung des Parti progressiste national unter dem Anwalt Arnold Bolle und der Kommunistischen Partei (KP), mit Jules Humbert-Droz als Leitfigur, behielt die von Charles Naine geführte SP in den Wahlen von 1921 die Mehrheit. In der Zwischenkriegszeit entwickelte sich eine starke Genossenschaftsbewegung. Nach dem Verbot der KP erhielt die 1944 aus dieser hervorgegangene Partei der Arbeit (PdA) ab 1948 einen Sitz im Stadtrat, neben zwei Sozialdemokraten, einem Radikalen und einem Vertreter des liberalen Parti progressiste nationale.

Arbeiterinnen des Unternehmens Philips. Fotografie von Fernand Perret, um 1940 (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds, Département audiovisuel, Fonds iconographique courant, P3-153).
Arbeiterinnen des Unternehmens Philips. Fotografie von Fernand Perret, um 1940 (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds, Département audiovisuel, Fonds iconographique courant, P3-153).

Die Hauptsorge der politischen Behörden in der Zwischenkriegszeit war die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Uhrenindustrie, die – bei 14'000 Arbeitslosen im Frühjahr 1933 im Kanton Neuenburg – kaum Aussichten auf zusätzliche Arbeitsplätze bot. 1934 gründeten La Chaux-de-Fonds und Le Locle das Office neuchâtelois pour la recherche d'industries nouvelles (ORIN), das neue Industriezweige, zum Beispiel die Herstellung von Radioapparaten, in die Region brachte. Die Bemühungen um eine Diversifizierung wurden später durch das 1944 gegründete Office économique cantonal neuchâtelois (OECN) fortgeführt. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren annähernd 500 Personen in den neuen Industriezweigen beschäftigt; 50% der zuvor arbeitslosen Frauen hatten hier Arbeit gefunden. La Chaux-de-Fonds behielt seinen industriellen Charakter: 1941 waren 64% der Erwerbstätigen im 2. Sektor beschäftigt, davon 56% in der Uhrenfabrikation. Diese Tendenz verstärkte sich noch während des starken Wachstums der Nachkriegszeit bis zur Mitte der 1970er Jahre. Infolge der Rezession verlor die Stadt aber 1975 rund 1000 Einwohner und 2000 Arbeitsplätze, Letztere vor allem in der Uhrenindustrie. 1976 fiel die Region Centre-Jura, die mit La Chaux-de-Fonds 17 Gemeinden umfasst, als sogenannte IHG-Region unter das neue Investitionshilfegesetz zur Förderung der Berggebiete. 2000 arbeitete weniger als die Hälfte der in La Chaux-de-Fonds Erwerbstätigen im 2. Sektor.

Katalog des ersten Salons der Uhrenindustrie 1933 (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds).
Katalog des ersten Salons der Uhrenindustrie 1933 (Bibliothèque de la Ville de La Chaux-de-Fonds). […]

Die rege Bautätigkeit der Zwischenkriegszeit fand in den 1950er Jahren ihre Fortsetzung: Die Stadt breitete sich vor allem Richtung Westen (Les Forges) aus. Eine Industriezone mit neuen Firmen entstand in Les Eplatures, wo auch der regionale Flugplatz liegt (1926, modernisiert 1956). Die Anlage neuer Einfamilienhausquartiere führte zu einer Zersiedlung der Landschaft im Norden und Süden der Stadt. 1980 startete man eine Kampagne zur Sanierung des Stadtzentrums und der Jugendstilbauten.

Das Wachstum nach 1945 machte auch die Eröffnung verschiedener neuer Schulen, darunter auch eine Berufsschule, notwendig. 1971 wurde ein neues Gymnasium eingeweiht. Das 1898 erbaute Krankenhaus wich 1960 einem modernen Bau mit einem kantonalen Onkologie- und Radiologiezentrum sowie mit dem Neuenburger Institut für Mikrobiologie. An kulturellen Einrichtungen kamen der Club 44 (1944), ein Konzerthaus (1955), das Musée paysan (1971), das Musée international de l'horlogerie (1974) mit dem angegliederten Institut L'Homme et le Temps hinzu. Das Théâtre populaire romand hat seit 1968 seinen Sitz in La Chaux-de-Fonds. Zu den bestehenden Kirchen kam unter anderem 1972 die reformierte Kirche Saint-Jean hinzu. Wichtig für das gesellschaftliche Leben sind nicht zuletzt Mannschaftssportarten wie Eishockey oder Fussball. La Chaux-de-Fonds hat keine Vorstädte und versteht sich selber als eng mit der bäuerlich geprägten Umgebung verbundene "Stadt auf dem Land". Vom Druck des Ferienwohnungsbaus noch unberührt gebliebene Bauernhöfe finden sich vor allem in Le Valanvron oder Les Joux Derrière. Die Bauern in der Gemeinde betreiben nach wie vor vorwiegend Viehwirtschaft. Die Einwohner von La Chaux-de-Fonds schätzen im Übrigen die sie umgebende Landschaft: Die Colline de Pouillerel und der Doubs sind beliebte Ausflugsziele.

Quellen und Literatur

  • L.-E. Roulet, L'établissement de la mairie de La Chaux-de-Fonds en 1656, 1956
  • R. Cop, Histoire de La Chaux-de-Fonds, 1981
  • Hist.NE
  • J.-M. Barrelet, J. Ramseyer, La Chaux-de-Fonds ou le défi d'une cité horlogère 1848-1914, 1990
  • Y. Tissot, Le théâtre de La Chaux-de-Fonds, une bonbonnière révolutionnaire, 2003, (franz. und dt.)
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Jean-Marc Barrelet: "Chaux-de-Fonds, La", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.02.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002837/2010-02-25/, konsultiert am 17.04.2024.