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MichailBakunin

Das Porträt Michail Bakunins wird Félix Vallotton zugeschrieben (Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte, Zürich).
Das Porträt Michail Bakunins wird Félix Vallotton zugeschrieben (Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte, Zürich).

30.5.1814 Prjamuchino (Gouvernement Twer, heute Kalinin, Russland), 1.7.1876 Bern. Der aus einer russ. Landadelsfam. stammende B. liess sich während seines Philosophiestud. 1840 in Berlin von Ludwig Feuerbach und dem Junghegelianismus beeinflussen. 1843 hielt er sich erstmals in der Schweiz auf. Er machte die Bekanntschaft des Kommunisten Wilhelm Weitling in Zürich, lernte Federico Pescantini und August Becker kennen und wohnte in Bern beim materialist. Philosophen Carl Vogt. Im Zusammenhang mit der Verhaftung Weitlings denunziert, floh B. nach Brüssel, 1844 nach Paris, wo er u.a. in Kontakt mit Pierre Joseph Proudhon und Karl Marx trat und 1848 an der Februarrevolution teilnahm. Wegen Mitwirkung am Dresdener Aufstand von 1849 verurteilt, wurde B. 1851 an Russland ausgeliefert. Dort blieb er bis 1857 eingekerkert, wurde dann nach Sibirien verbannt, von wo ihm 1861 die Flucht gelang. Ende 1863 bis Anfang 1864 lebte B. in Genf, Vevey und erneut in Bern. Danach liess er sich in Italien nieder, wo er seine Konzeption des Anarchismus formulierte: die durch die Soziale Frage ausgelöste Revolution als von einer kleinen internat. Revolutionselite geführte Volksbewegung, die Abschaffung des Staats, die Organisation der Gesellschaft nach dem "Prinzip der freien Assoziation und Föderation".

1867 wurde B. vom Internat. Friedenskongress in Genf ins Komitee der Liga für Frieden und Freiheit gewählt und liess sich in Vevey, dann in Clarens, 1868 in Genf nieder. Der Streik der Genfer Bauarbeiter im Frühling 1868 bewog ihn, der Genfer Sektion der I. Internationale beizutreten. Aufgrund ideolog. Differenzen verliess B. am Berner Kongress im Sept. 1868 die Liga und gründete die Alliance internationale de la démocratie socialiste, die das Programm der I. Internationale übernahm. Im Jan. 1869 lernte B. am 1. Kongress der Fédération romande (Westschweizer Sektionen der I. Internationale) James Guillaume kennen und wurde Mitarbeiter von "L'Egalité", des Organs der Fédération romande. Als Delegierter am 4. Kongress der Internationale in Basel (Sept. 1869) trat er für die Kollektivierung des Landes und die Abschaffung der Erbschaft ein. Aus finanziellen Gründen zog sich B. 1869 nach Lugano, später Locarno zurück, wo er sich vermehrt mit der Lage in Russland befasste. Nach Genf kam er nur noch für kurze Aufenthalte, u.a. wegen seiner Auseinandersetzungen mit Sergei Gennadjewitsch Netschajew. Im April 1870 sah sich der 2. Kongress der Fédération romande im Zusammenhang mit der Aufnahme der Alliance einem Konflikt zwischen den jurass. Anhängern von B.s Ideen und deren Gegnern von Genf und La Chaux-de-Fonds gegenüber. Diese Auseinandersetzung führte zur Spaltung der Fédération romande und 1871 zur Gründung der Fédération jurassienne. Der Generalrat der I. Internationale in London stellte sich mit Marx gegen B., der im Sept. 1872 am Kongress von Den Haag mit seinen Gefährten aus der Internationale ausgeschlossen wurde. Wenige Tage später hielten jene Föderationen der Internationale, die diesen Entscheid missbilligten, in Saint-Imier einen Internat. Arbeiterkongress ab, an dem auch B. teilnahm; der Bruch war definitiv. Von Juli bis Okt. 1872 wohnte B. in Zürich und bildete mit russ. Studenten eine slaw. Sektion der Alliance. Seine letzten, von Krankheit, Verarmung, Anklagen wegen Veruntreuung und dem Scheitern des Aufstands in Bologna 1874 überschatteten Jahre verbrachte B. im Tessin.

Quellen und Literatur

  • Œuvres, hg. von J. Guillaume, 6 Bde., 1895-1913
  • Archives Bakounine, hg. von A. Lehning, 7 Bde., 1961-81
  • Ausgewählte Schriften, hg. von W. Eckhardt, 1995-
  • E.H. Carr, Michael Bakunin, 1937 (31975)
  • R. Broggini, «Anarchie und Befreiungsbewegungen um 1870 in der Gegend von Locarno», in Monte Verità, hg. von H. Szeemann, 1978, 15-25
  • Bakounine, combats et débats, hg. von J. Catteau, 1979
  • M. Grawitz, Bakounine, 1990 (Neudr. 2000)
  • I. Hutter, S. Grob, «Die Schweiz und die anarchist. Bewegung», in "Zuflucht Schweiz", hg. von C. Goehrke, W.G. Zimmermann, 1994, 88-96
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 30.5.1814 ✝︎ 1.7.1876

Zitiervorschlag

HLS DHS DSS: "Bakunin, Michail", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.03.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/028358/2009-03-26/, konsultiert am 19.03.2024.