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Cortaillod

Politische Gemeinde des Kantons Neuenburg, Bezirk Boudry. Die Gemeinde besteht aus dem alten Dorf Cortaillod oberhalb des Steilufers über dem Neuenburgersee, Wohnquartieren in der Ebene (Hafen von Petit Cortaillod) und grossen Wäldern auf dem Hügelzug von Boudry. 1311 Cortaillot. Das Dorf verdankt seine Entstehung dem Landbau, der auf den fruchtbaren Ackerböden im Norden und einem für den Weinbau geeigneten Hang im Süden der Gemeinde betrieben wird. 1750 521 Einwohner; 1850 1110; 1900 1299; 1950 1561; 2000 4373.

Urgeschichte

Die Cortaillodkultur, die eine Kultur aus dem Jungneolithikum bezeichnet, leitet ihren Namen von Cortaillod her. Am Seeufer wurden vier jungsteinzeitliche Fundstätten entdeckt: La Fabrique oder Le Vivier sind heute erodiert. Petit-Cortaillod ist mit einer Oberfläche von 300 x 60 m und einer Kulturschicht von 0,60-1,25 m der grösste und ergiebigste Fundort. Les Côtes war bereits 1880 fast vollständig ausgewaschen. In La Tuillière schliesslich fand man grosse Silizes und Steinbeile. Weil diese Fundstätten durch die Senkung des mittleren Wasserstandes des Neuenburgersees nicht mehr überspült wurden, hatten Plünderer zwischen 1876 und 1879 freie Hand. Viele Objekte gelangten ins Ausland, wo Museen oder private Sammler sie erstanden. 1878 unternahmen Albert Vouga und Fritz Borel in Petit-Cortaillod die ersten Grabungen und stiessen bis zur Kreideschicht in 1,25 m Tiefe vor. Die Liste der bei dieser Gelegenheit ausgegrabenen Gegenstände ist beeindruckend: mehrere tausend Silizes und Ahlen aus Knochen, 3000 Schafte von Beilen, über 2000 Beile und kleinere Äxte.

Ufersiedlung aus der Spätbronzezeit bei Les Esserts. Fotografie vom 15. November 1884 (Laténium, Hauterive).
Ufersiedlung aus der Spätbronzezeit bei Les Esserts. Fotografie vom 15. November 1884 (Laténium, Hauterive). […]

Ab 1858 wiesen Ferdinand Keller und dann Frédéric Troyon auf die Existenz von Ufersiedlungen aus der Spätbronzezeit (1250-800 v.Chr.) hin. Friedrich Schwab und Edouard Desor liessen ihre Mitarbeiter im See nach archäologischen Stücken suchen, wobei zahlreiche Gegenstände aus Metall gefunden wurden. Einer der auffälligsten ist ein 1862 entdecktes Speichenrad aus Bronzeguss und Eichenholz von 51 cm Durchmesser. Zahlreich waren auch die Äxte, Sicheln und Nadeln verschiedenster Ausführung, ausserdem Schwerter aus Bronze und Hunderte von Vasen. Erwähnenswert ist ferner eine beträchtliche Anzahl halbmondförmiger Tongegenstände von rund 30 cm Länge (wohl symbolische Stierdarstellungen), die sogenannten croissants d'argile. Mit der ersten Juragewässerkorrektion und der damit verbundenen Absenkung des Seespiegels um 2,7 m setzte bei den Fundstätten eine Erosion ein. 1925 führte Paul Vouga in Petit-Cortaillod Sondierungen zwecks Erforschung der Stratigrafie durch. Auf sein Ersuchen hin fertigte die Armee 1927 eine Reihe von Luftaufnahmen an, deren Auswertung heute noch grundlegende Aufschlüsse über diese Dörfer aus der Bronzezeit vermittelt. Auch die Dendrologie erlaubte die Datierung der Siedlungen. Das Cortaillod-Est benannte Dorf, das 1981-1984 von Tauchern archäologisch vollständig erkundet wurde, war 1010-955 v.Chr. bewohnt. Zum Zeitpunkt seiner grössten Ausdehnung bestand es aus acht parallelen Häuserreihen (insgesamt 22 Häuser), die durch gradlinige Wege getrennt waren. Das Dorf befand sich auf einem trockengelegten und mit Kieselsteinen versehenen Gelände (5200 m2). Es wurde von einem Zaun umschlossen, der in einem halbkreisförmigen Bogen angelegt war. Cortaillod-Plage, die Verlängerung des Dorfes Cortaillod-Est nach Norden, war 968-954 v.Chr. bewohnt. Die Siedlung war auf einer Fläche von ca. 2500 m2 angelegt. Das durch eine dreifache Palisade von 120 m Länge umschlossene Dorf Cortaillod-Les Esserts wies eine Ausdehnung von rund 15'000-18'000 m2 auf. Es war 870-850 v.Chr. bewohnt. Zu beiden Seiten des Hauptweges lassen sich zwei parallel angeordnete Häusergruppen ausmachen.

La Fabrique oder Le Vivier, die andere Fundstätte aus der Bronzezeit, liegt an einem bereits im Neolithikum besiedelten Ort. Archäologische Untersuchungen, die anlässlich des Baus der Autobahn A1 1993-1998 durchgeführt wurden, brachten zahlreiche frühgeschichtliche Überreste zu Tage. So wurden in Murgiers 1993 zwei Kremationsgräber aus der Spätbronzezeit (Hallstatt A 1) entdeckt. Im einen befand sich neben Beigaben aus Keramik der Boden eines Tonkrugs, der die eingeäscherten Gebeine einer Person enthalten hatte. Im anderen Grab wurde Feinkeramik aufgefunden (Vasen mit Kragenrand). Bei diesen Gräbern handelt es sich neben jenen von Le Landeron-Les Carougets (frühe Erdbestattung, gefunden 1990) um den zweiten kürzlich gemachten Grabfund aus der Spätbronzezeit im Kanton Neuenburg. Die Grabungen bei Petit Ruz 1995-1997 förderten viele Zeugnisse einer bronzezeitlichen Siedlung zu Tage, darunter rund 300 Pfostenlöcher, zahlreiche Gruben und Herdstätten sowie eine 2,50 m breite und 84 m lange frühgeschichtlich geschotterte Strasse. In Champ Basset entdeckte man 1996 eine Rundgrube von 4 m Durchmesser. Sie enthielt 27 kg sehr gut erhaltene Keramik aus der Hallstattzeit. Schliesslich stiess man in Tolayes, in Champ Barret, auf Rochettes, in Chanélaz und in Tilles auf Pfostenlöcher, Gräber, Herdstätten und Keramik sowie in Courbes Rayes auf eine Reihe von Gräbern aus der Latènezeit.

Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert

Ausschnitt eines von Josué Perret-Gentil-dit-Maillard gezeichneten Plans, um 1630 (Archives de l'Etat de Neuchâtel, P 718; Fotografie Atelier P. Eismann).
Ausschnitt eines von Josué Perret-Gentil-dit-Maillard gezeichneten Plans, um 1630 (Archives de l'Etat de Neuchâtel, P 718; Fotografie Atelier P. Eismann).

Cortaillod wird erstmals 1280 erwähnt. 1311 erhielt Peter von Stäffis, Herr von Gorgier, als Folge eines Tauschs von Graf Rudolf IV. von Neuenburg einen Teil des Dorfes als Lehen. Im Mittelalter waren die Besitzverhältnisse recht kompliziert: Im Dorf lebten Mitglieder der Pfarreien von Pontareuse und von Bevaix. Die Gemeinschaft umfasste Bürger von Boudry, die dem Herrn von Gorgier unterstanden, aber auch Untertanen des Priorats Bevaix. Cortaillod bildete ein Meieramt: Jeder Lehensherr war durch einen Amtmann, den sogenannten Maire, vertreten. In Cortaillod gab es jedoch nur ein Zivilgericht. Ab 1379 bildeten die Einwohner eine Dorfgenossenschaft, die eigene Weiden besass. 1499 gestattete ihr Philipp von Hochberg, Graf von Neuenburg, die sandigen Uferstreifen zu bewirtschaften. Zwischen 1541 und 1545 kaufte der Herr von Colombier Cortaillod den beiden vorgängigen Lehensherren ab. Beim Verkauf der Herrschaft Colombier 1564 an den Grafen von Neuenburg wurde Cortaillod Teil der Grafschaft Neuenburg. Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert lag Cortaillod wiederholt im Streit mit der Bürgergemeinde Boudry. Dabei ging es um die Aufteilung der Weideflächen und des gemeinsamen Waldes (letzter, verspäteter Konflikt 1956) sowie um eine Sondersteuer (émine de la porte), die von den Bewohnern von Cortaillod entrichtet werden musste, obwohl nur Boudry davon profitierte. Sie wurde 1813 abgeschafft. Die Einwohner von Cortaillod nannten sich zwar Bürger von Boudry – sie wurden 1527 vom Schutz des Lehensherrn (commandise) befreit – doch gelang es ihnen nicht, in den Genuss aller bürgerlichen Rechte zu kommen. 1503 erlaubte der Bischof von Lausanne die Gründung einer Kapelle, die 1505 dem heiligen Nikolaus geweiht wurde. Die Pfarrer von Pontareuse und Bevaix protestierten bis 1524 gegen die dauerhafte Anwesenheit eines Priesters in Cortaillod. Erst nach Annahme der Reformation 1537 wurde Cortaillod eine unabhängige Kirchgemeinde. 1731 entstand in Petit-Cortaillod eine erste Indienne-Manufaktur, die rund 30 Jahre lang Bestand hatte. 1752 wurde in der Nähe der Mühlen eine neue Fabrik gegründet, die berühmte Indiennefabrik Fabrique-Neuve de Cortaillod. Sie wurde bis 1854 betrieben. Die Câbles Cortaillod übernahm 1879 die Räumlichkeiten der Fabrique Neuve. Sie ist heute noch das bedeutendste Unternehmen der Gemeinde (seit 2001 Nexans Suisse SA). 1855-1885 gab es in Cortaillod eine Uhrenfabrik. Das europäische Produktions- und Technologiezentrum Silicon Graphics liess sich 1992 in Cortaillod nieder. 2001 wurde das Werk, das um die 300 Personen beschäftigt hatte, geschlossen. Der Weinbau ist weiterhin ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftsfaktor; die Weine von Cortaillod geniessen einen guten Ruf.

Quellen und Literatur

Urgeschichte
  • B. Arnold, Cortaillod-Est, un village du Bronze final, 1986
  • Hist.NE 1, 45-59
  • B. Arnold, Cortaillod-Est et les villages du lac de Neuchâtel au Bronze final, 1990
  • J.-L. Voruz, Le Néolithique suisse, 1991, 65-68
  • R. Hapka, «Deux tombes à incinérations du Bronze final à Cortaillod NE, Aux Murgiers», in JbSGUF 78, 1995, 160-162
  • R. Anastasiu, «Cortaillod NE, Petit Ruz», in JbSGUF 80, 1997, 222 f.
  • R. Hapka, «Cortaillod NE, Champ Basset», in JbSGUF 80, 1997, 230
Gemeinde
  • E. Quartier-la-Tente, Le canton de Neuchâtel 2, 1906-1912, 161-244
  • Kdm NE 2, 1963, 381-394
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Hervé Miéville; Germain Hausmann: "Cortaillod", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.12.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002830/2017-12-18/, konsultiert am 17.04.2024.