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Bergbau

Bergbau beinhaltet das Aufsuchen, Abbauen und Aufbereiten organischer oder mineralischer Rohstoffe wie Kohle, Erz, Salz, Erdöl usw. und erfolgt im Tagbau oder unterirdisch im Stollenbau. Die im weiteren Sinn ebenfalls zum Bergbau gehörende Gewinnung von Naturstein in Steinbrüchen wird gesondert behandelt (Steinindustrie). Die Zahl der in der Schweiz aufgefundenen Bodenschätze ist gross. Doch sind viele Lagerstätten durch die Gebirgsfaltung tektonisch gestört, von geringer Qualität (z.B. aschenreiche Kohle, mineralogisch komplex zusammengesetzte Erze), von geringer Quantität und befinden sich oft an schwer zugänglichen, den Naturgewalten ausgesetzten Orten. Das geflügelte Wort der an armen Minen reichen Schweiz trifft daher bis auf wenige Ausnahmen zu. Zeiten gestörter Zufuhr führten aber oft zum Abbau zuvor unrentabler Fundstellen oder unbedeutender Rohstoffe.

Schwaches Montanwesen

Die für den Erfolg des Bergbaus notwendige aktive landesherrliche Politik fehlte in der alten Eidgenossenschaft weitgehend; die Ansätze, die es dazu von staatlicher (Bern, Zürich) oder privater (z.B. Kaspar Stockalper vom Thurm) Seite gab, waren zeitlich und örtlich begrenzt. Dieses Manko wog für die kapitalintensive Branche schwer, da sie jahrelange Erschliessungsarbeiten amortisieren und auf risikoreichen geologischen Grundlagen operieren musste. Der Wechsel von Neuanfängen und Konkursen prägte den inländischen Bergbau über Jahrhunderte.

Wegen des bescheidenen Umfangs und der Unstetigkeit des schweizerischen Montanwesens bildeten sich weder eine technische Spezialisierung (keine Bergakademie, keine Weiterentwicklung der Technik vor Ort) noch ein eigener Berufsstand heraus. Mineure, Schmelzmeister usw. wurden oft aus Deutschland, Italien oder Österreich engagiert. Traditionsverpflichtete bergmännische Repräsentationsanlässe (mit Bergmannsparaden, Uniformen, Musikkorps, Feier der Schutzpatronin Barbara am 4. Dezember) tauchten in der Schweiz nur ansatzweise auf. Analog behielt der technische Stand von Installationen und Abbauverfahren bis ins 20. Jahrhundert oft den Charakter des Improvisierten.

Trotz der insgesamt geringen Bedeutung konnte der Bergbau im lokalen Bereich durchaus wirtschaftlich ins Gewicht fallen: seit der frühen Neuzeit etwa der Abbau von Schiefer im Kanton Glarus, von Eisen im Jura, im 19. und 20. Jahrhundert die Gewinnung von Asphalt im Val de Travers oder von Anthrazit in Dutzenden von Minen im Wallis. Seit Ende der 1960er Jahre spielt der klassische Bergbau (ausser beim Salz) volkswirtschaftlich keine Rolle mehr.

Die Asphaltmine von La Presta im Val-de-Travers, um 1895 (Schweizerisches Institut zur Erhaltung der Fotografie, Neuenburg; Fotografie Victor Attinger).
Die Asphaltmine von La Presta im Val-de-Travers, um 1895 (Schweizerisches Institut zur Erhaltung der Fotografie, Neuenburg; Fotografie Victor Attinger). […]

Charakteristika des Bergbaus in der Schweiz

In vorindustrieller Zeit lohnte sich selbst der Abbau kleiner Vorkommen, da ein Distanzschutz – wie bei der Landwirtschaft – die Standortnachteile ausglich. So verwendete man vom 16. bis 19. Jahrhundert in mehreren Regionen einheimischen Anthrazit zum Kalkbrennen und in Ziegeleien, Blei für Waffen und Munition, Silber (Edelmetalle) zur Münzprägung, Quarzsand für Glashütten (Glas), zum Strassenbau, als Schleifsand oder in Giessereien. Nur wenige Bergwerke trieben überregionalen Handel oder waren im heutigen Sinne rentabel (z.B. die Salinen bei Bex vom 16. Jahrhundert an).

In Gegenden ohne (Heim-)industrie stellten die Bergwerke die einzigen protoindustriellen Betriebe dar. Über ihre ökonomische Bedeutung hinaus waren sie Protagonisten der sozialen Entwicklung (Einführung der Schichtarbeit und der Trennung von Produktions- und Wohnstätten in ländlichen Gebieten, Überführung von lokaler Mobilität in definitive Binnenmigration). Im 19. und 20. Jahrhundert wurden Minenbetriebe auch zum Austragungsort sozialer Antagonismen: Ärmere Bauern arbeiteten in der Mine, wodurch «Bauernkönige» ihre billigen Taglöhner verloren, Arbeitsreglemente setzten eine Sozialdisziplinierung durch; fremde Arbeiter und Ortsansässige gerieten in Konflikt. Seit der frühen Neuzeit aktenkundig sind die Auseinandersetzungen zwischen Bergbau und Landwirtschaft. Der Bedarf der industriellen Minenbetriebe an rasch verfügbaren Landreserven, an Holz, Wasser, Wegrechten usw. stand dem Denken und Handeln der tendenziell subsistenzorientierten (berg-)bäuerlichen Bevölkerung entgegen. So entstand einerseits Feindschaft gegen den Minenbetrieb, auch wegen der Bevorzugung auswärtiger Spezialisten gegenüber Ortsbewohnern, andererseits lebten die an Pluriaktivität gewohnten Landbewohner in Symbiose mit der Mine (willkommener Nebenerwerb). Im 20. Jahrhundert zeigte sich als weiterer Gegensatz, dass die Bergwerke durch neue Verdienstmöglichkeiten die Abwanderung bremsten und stabilisierend wirkten, doch mit der Einführung marktwirtschaftlichen Denkens den sozioökonomischen Umbruch um so gründlicher vorbereiteten.

Geschichtlicher Abriss

Der Bergbau ist sozial- und geisteswissenschaftlich nur ungenügend erforscht. Erst seit den 1960er Jahren entstanden kulturwissenschaftliche Arbeiten, die über das Deskriptive hinausreichen. Eine Sozialgeschichte des schweizerischen Montanwesens ist ein Desiderat, ebenso eine Darstellung des ur- und frühgeschichtlichen Bergbaus. Einen beachtlichen Stand hingegen hat die im 19. Jahrhundert einsetzende naturwissenschaftliche Forschung erreicht.

Die Gewinnung von Silex (Feuerstein), der im Jura an die 50 Vorkommen zählt, ist für das Neolithikum archäologisch gesichert (z.B. bei der Löwenburg in Pleigne um 3000 v.Chr.). Ebenfalls in der Jungsteinzeit ist das Schmelzen von eingeführtem Kupfermetall am Zürich- und Bodensee fassbar (Funde von Schmelztiegeln). Auf Surin-Crestaulta (Lumbrein) und auf dem Padnal (Savognin) ist die Kupferverarbeitung in der Bronzezeit belegt: Es wurden Gussformen und gegossene Objekte gefunden. Die bronze- und eisenzeitlichen Schlackenhalden in der Nähe der Vorkommen bestätigen hochalpinen Bergbau auf Kupfer- und Eisenerze und die Verhüttung am Ort. Das Zinn zur Legierung von Kupfer zu Bronze wurde aber importiert. Von 50 im Waadtländer Jura archäologisch untersuchten Eisenschmelzöfen wurden über 20 durch Keramik- und Münzfunde oder C-14-Analyse in die Zeit zwischen 350 v.Chr. und 600 n.Chr. datiert, wobei einzelne Orte eine Kontinuität über mehrere Jahrhunderte aufwiesen (z.B. Bellaires in den Gemeinden Arnex-sur-Orbe und Croy). In römischer Zeit wird eine Bergbautätigkeit generell behauptet, ist aber nirgends bewiesen, da Abbauspuren vor Ort fehlen. Hinweise liefern Verhüttungsplätze: Die Schlackenfunde bei Sargans (Erz vom Gonzen) werden in die endende Eisenzeit bzw. beginnende römische Epoche datiert. Die zahlreichen Schmiedeschlacken und Artefakte im Mittelland stammen von eingeführtem Eisen, eventuell von einheimischen Bohnerz. Neuere Grabungen liefern Zeugnisse für früh- und hochmittelalterlichen Bergbau: Dutzende von Rennöfen (Eisenverhüttung) oder Schlacken (Eisenbearbeitung) bei Bellaires, Ferreyres und Montcherand, beim Gonzen und in Boécourt datieren aus dem 5. bis 7. Jahrhundert, bei Liestal und Lausen wohl aus dem 8. bis 12. Jahrhundert.

Silberbergwerk. Holzschnitt aus der Chronik der Eidgenossenschaft von Johannes Stumpf, 1548 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Dokumentation).
Silberbergwerk. Holzschnitt aus der Chronik der Eidgenossenschaft von Johannes Stumpf, 1548 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Dokumentation). […]

1179 wurden Eisengruben im Besitz des Klosters Moutier-Grandval erwähnt, im 12. Jahrhundert wurde die Verpachtung von Eisengruben im Puschlav aktenkundig, 1207 die Eisenschmelze in Laufenburg und 1241 die Eisengrube in Wölflinswil. Aus dem 14. und 15. Jahrhundert häufen sich die gesicherten Daten. Naturräumliche Probleme (Lawinen, Hochwasser), obrigkeitliche Eingriffe (Steuern, Ausfuhrverbot zur Sicherung des Landesbedarfs) und Rohstoffprobleme (Holz, Holzkohle) ruinierten viele Betriebe in kurzer Zeit. Auf wenigen reicheren Lagerstätten entfaltete sich ein Dauerbetrieb: Im Jura zum Beispiel standen 1461 der erste, im 17. Jahrhundert acht Hochöfen in Betrieb. Gleichzeitig zählte allein das Vallée de Joux 80 Schmieden; die Eisenverarbeitung und ihre Zulieferbetriebe ernährten in Vallorbe Ende des 18. Jahrhunderts drei Viertel der Erwerbstätigen. Zu einem wichtigen Zentrum der Salzgewinnung war seit dem 16. Jahrhundert Bex avanciert. Spätmittelalterliche Stollen und Schmelzanlagen des 19. Jahrhunderts zeugen in Graubünden von zwei intensiven Bergbauepochen.

Bleimine in Trachsellauenen (Lauterbrunnental), 1790. Zeichnung des Werkleiters Schlatter (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen).
Bleimine in Trachsellauenen (Lauterbrunnental), 1790. Zeichnung des Werkleiters Schlatter (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen).

Mit der Industrialisierung lebte der Bergbau im 19. Jahrhundert zunächst nochmals auf: Die Entdeckung bisher wenig bzw. unbekannter, nun industriell verwertbarer Metalle (z.B. Antimon, Arsen, Kobalt, Molybdän, Nickel, Wolfram, Zink) verursachte eine fieberhafte Suche nach neuen Lagerstätten. Doch waren Schürfversuche, Konzessionshandel und Spekulation häufiger als wirklicher Bergbau. Auch in der Schweiz gab in einigen Minen des 19. Jahrhunderts die Kinderarbeit zu Diskussionen Anlass; noch im 20. Jahrhundert arbeiteten Schulknaben zum Beispiel beim Transport der gewonnenen Rohstoffe oder als Handlanger. Frauenarbeit war in der Regel auf das Aussortieren des tauben Gesteins beschränkt. 1870-1880 lagen die Tageslöhne für Jugendliche bei 1.50 Fr., für spezialisierte Mineure bei 3 bis 4 Fr. Gleichzeitig betrug der Preis zum Beispiel für 50 kg luftgetrocknete Kohle (der Kohlenminen im Kanton Zürich) 1.45 Fr., zur Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs 1870-1871 2 Fr.

Die neuen Transportmittel brachten wenigen schweizerischen Minen einen Aufschwung (Export von Schiefer und Asphalt nach ganz Europa und Übersee), vielen anderen das sichere Ende (Import billigerer und besserer Kohle und Erze), verbunden mit der Krise der verarbeitenden Branchen (industrielle Massenware löste zum Beispiel kleingewerbliche Eisen- und Lavezverarbeitung ab). Auch die Technologisierung des Bergbaus trug zu dessen Untergang in der Schweiz bei: Die bisher saisonal betriebenen Minen waren für einen industriellen Dauerbetrieb zu unergiebig und brachten auch die Investitionen für Maschinen und Erschliessungsarbeiten nicht auf. In den 1860er bis 1880er Jahren wurden im Jura, in Graubünden und am Gonzen die Hochöfen ausgeblasen und der Erzabbau aufgegeben. Vereinzelt kam es zur Errichtung moderner Verhüttungsanlagen (Choindez) und zur Konzentration des Abbaus auf wenige Orte. Gesamthaft aber verlor der Inlandbergbau seine einstige Bedeutung.

Im 20. Jahrhundert erlebte der Schweizer Bergbau zwei kriegsbedingte Konjunkturen, um danach wieder einzugehen: So gerieten zum Beispiel die Walliser Anthrazitminen nach ihrer Blüte 1917-1922 in die allgemeine Krise, und die dafür aufgewandten 15 Mio. Franken wurden als Fehlinvestition beklagt. Trotz aller Bemühungen deckten die Schweizer Kohlenminen 1917-1921 nur 4% des Inlandbedarfs. Im Bergbau waren landesweit um die 2500 Arbeiter beschäftigt. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte erneut zu rascher Inbetriebnahme aufgelassener Gruben. Die Motivation der involvierten Kreise schwankte zwischen Spekulation (Handel mit Konzessionen, Profiteure der Kriegskonjunktur), wirtschaftlichem Unternehmergeist (einheimische Energieträger waren nicht rationiert) und patriotischem Engagement. Gegensätzliche Interessen zwischen Behörden und Privatunternehmern (Landesversorgung gegen Rendite) führten ebenso zu Spannungen wie die Tätigkeit des «Büros für Bergbau» des Eidgenössischen Kriegs-Industrie- und -Arbeits-Amts (Vorschriften für teure Erschliessungen und zeitweise Vollmachten bis zur Enteignung). Andere empfanden die mangelnde Unterstützung durch den Bund als unfair, da sie für das Allgemeinwohl grosse Summen in ein unsicheres Geschäft investiert hatten. Neben der ideologischen Bedeutung, welche die Minen – ähnlich wie die Landwirtschaft in der Anbauschlacht – erhielten, erlangten sie auch wirtschaftliches Gewicht: 1940-1947 produzierten allein die 22 Walliser Anthrazitminen über 500'000 t Kohle mit einem Verkaufswert von 50 Mio. Franken und entlöhnten bis zu 1800 Beschäftigte mit über 20 Mio. Franken. Der Industriebedarf an Kohle, dem damals vorrangigen Energieträger, wurde zu 28% aus Inlandproduktion gedeckt (Wert der 1940-1946 geförderten Kohle: 130 Mio. Franken). An zweiter Stelle stand der Bergbau auf Eisenerz (1941-1945: 30 Mio. Franken), doch wurde der Eisenbedarf nur zu 3% aus eigenem Abbau befriedigt, da die Erze wegen Verhüttungsproblemen exportiert wurden (Kompensationsgeschäfte mit Deutschland). Von Bedeutung war im Gegensatz zu den Buntmetallvorkommen auch die Produktion von Quarzsanden, Asphalt und Salz. Das Gros der Bergwerke schloss bald nach Kriegsende.

Als die letzten Minen eingingen (Fricktal und Sargans 1966-1967), lebte das kulturgeschichtliche Interesse am Bergbau auf. Seit den 1970er Jahren werden aus ortsgeschichtlichen und touristischen Interessen Bergwerksvereine gegründet und Schaubergwerke eröffnet, die im örtlichen Identitätsrepertoire eine Rolle spielen. Bergbaumuseen gibt es unter anderem in Bex, Travers, Käpfnach, Sargans, Schleitheim, Davos-Schmelzboden und S-charl.

Quellen und Literatur

  • H. Fehlmann, Der schweiz. Bergbau während des Weltkrieges, 1919
  • Der schweiz. Bergbau während des zweiten Weltkrieges, 1947
  • P.-L. Pelet, Fer, charbon, acier dans le pays de Vaud, 3 Bde. 1973-83
  • Der Bergknappe, 1976-
  • Minaria Helvetica, 1981-
  • P.-L. Pelet, Une industrie reconnue, 21993
Weblinks

Zitiervorschlag

Werner Bellwald: "Bergbau", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.03.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027652/2017-03-13/, konsultiert am 19.03.2024.