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Schiffbau

Als Handwerks- und Industriezweig umfasst der Schiffbau die Konstruktion von Schiffen und Schiffsantriebssystemen. Er war im Gebiet der fluss- und seenreichen Schweiz ein kleines, traditionsreiches Handwerk, das sich vom Mittelalter bis heute, wenn auch in Nischen, neben dem im 19. Jahrhundert aufkommenden industriellen Schiffbau behaupten konnte.

Schiffbau als Handwerk

Im See- und Moorgrund prähistorischer Ufer- und Flusssiedlungen wurden aus Eichenstämmen gehauene Einbäume aus dem Neolithikum (z.B. Vinelz) sowie spätere mit Segelmasten ausgerüstete Plankenschiffe (Bevaix) gefunden. Daneben liegen keine weiteren Hinweise auf den frühen Schiffbau vor. Ebenso fehlen Zeugnisse für den Bau der Barken und Kähne aus römischer Zeit. Dürftig ist die Quellen- und Literaturlage auch für das Mittelalter und die frühe Neuzeit, trotz der grossen Bedeutung der Schifffahrt auf dem Schweizer Seen- und Flussnetz. Mit Sicherheit gab es den Schiffbau einst an allen Flüssen und Seen, auf denen Schifffahrt betrieben wurde, wobei die Schiffer (Schiffsführer) in Personalunion auch Schiffbauer (Schiffsmacher) waren. In den Städten waren sie in Meisterschaften mit anderen kleinen Berufen zünftig organisiert, so ab 1354 die Fischer und Schiffer in Basel (Fischerei). Der Schiffbau wurde nach Handwerksbrauch erlernt und ausgeübt. Schiffbauer ohne Lehre wurden von den Meisterschaften als Stümper verfolgt. 1652 beklagten sich die Berner Schiffbauer darüber, dass die ersten Barken auf dem Entreroches-Kanal aus holländischer Fertigung stammten.

Schiffswerften (Schiffshütten, Schiffswerkstätten) entstanden an wichtigen Umladeplätzen der Fracht- und Personenschifffahrt am Ausfluss der Seen (Zürich, Luzern, Thun, Genf) und an den grossen Flüssen (Schaffhausen, Basel, Bern). Sie gelangten im Lauf des 15. Jahrhunderts wie andere Herrschaftsbetriebe (Ehaften) an die Städte. Damit wurden Schiffshütten zu städtischen Regiebetrieben. In der Regel verlieh der städtische Rat diese als befristete, aber verlängerbare Lehen an Schiffsmeister, die sie mit der Hilfe von Schiffsknechten betrieben. Der für den Bau und Unterhalt der Schiffe verantwortliche Schiffsmeister verkaufte oder vermietete die Schiffe bzw. musste sie für den öffentlichen Schiffsverkehr der Marktschiffe zur Verfügung stellen. Er war dem Rat rechnungspflichtig.

Nidwaldner Marktschiff (Nauen) auf dem Vierwaldstättersee. Exvoto von 1731 aus der Kapelle Maria im Ridli bei Beckenried (Staatsarchiv Luzern) © Anne-Marie Dubler.
Nidwaldner Marktschiff (Nauen) auf dem Vierwaldstättersee. Exvoto von 1731 aus der Kapelle Maria im Ridli bei Beckenried (Staatsarchiv Luzern) © Anne-Marie Dubler. […]

Schon im 15. Jahrhundert war der Schiffbau weitgehend reglementiert: Form (meist mit flachem Boden), Masse und Kapazitäten der Weidlinge auf Flüssen, der Nauen (lateinisch navis), Ledi- und Segischiffe auf Seen, der Jassen und Weidlinge für den Personentransport sowie der Fähren waren normiert. Fracht-, Miet- und Kaufpreise sowie Schiffsmacherlöhne waren tarifiert. Vorgeschrieben war auch die Anzahl Steuerleute und Ruderknechte pro Schiffstyp. Neue Schiffe unterlagen einer strengen Qualitätsprüfung. So "sprengte" man in Bern Schiffe testweise über die Aareschwelle. Nach der Zürcher Ratsverordnung von 1428 mussten Schiffer ihr Schiffsmachergerät mitführen, um Schiffe bei Unfällen auch unterwegs flicken zu können.

Angesichts der grossen Nachfrage (Verkäufe am Fahrtziel, Verschleiss) war der Schiffbau ein wichtiger Wirtschaftszweig, den ab dem 15. Jahrhundert insbesondere Zürich, Luzern und Bern zu monopolisieren suchten, indem sie die Schiffer zum Kauf ihrer Schiffe zwangen. Um sich gegen die Konkurrenz der Schiffshütten von Thun und Unterseen zu wehren, führte Bern im 17. Jahrhundert obligatorische Schiffsmacherpatente ein und verbot den Aarestädten flussabwärts den Schiffbau, was nur bedingt erfolgreich war. Im 18. Jahrhundert mangelte es den Schiffshütten an Qualitätsholz, sodass zum Beispiel Luzern ab 1750 die Holzlieferungen an die konkurrierenden Urner Schiffer ungeachtet alter Lieferverträge beschränkte.

In der Helvetik fiel das Monopol der obrigkeitlichen Schiffshütten. Die neue Gewerbefreiheit verhalf im 19. Jahrhundert vielen privaten Schiffshütten, vor allem im Raum Schaffhausen (Neuhausen, Eglisau) und im Aargau (u.a. Stilli, Turgi, Mumpf), zu gutem Verdienst. Nach 1880 produzierten die Schiffshütten vermehrt für den Wassersport. Zu ihren Kunden zählten Ruderklubs, Wasserfahrvereine, Baufirmen (Lastschiffe), das Militär (Pontons) und nach wie vor Fischer. Das Aufkommen der Kunststoffboote in den 1960er Jahren gefährdete den handwerklichen Schiffbau. Die wenigen Bootsmacher, die es am Ende des 20. Jahrhunderts noch gab, stellten auf Konstruktionen mit druckimprägniertem, dauerhafterem Holz um: Solche Fähren und Personenweidlinge eignen sich für den Freizeit- und Ausflugsverkehr.

Industrieller Schiffbau

Der industrielle Schiffbau wurde in der Schweiz hauptsächlich zwischen den 1830er und 1930er Jahren betrieben, wobei ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch für den Export produziert wurde. Als Folge der Weltwirtschaftskrise und der Sättigung des Heimmarkts wurde der industrielle Schiffbau in der Zwischenkriegszeit weitgehend aufgegeben.

Frühe wissenschaftliche Grundlagen für den industriellen Schiffbau lieferte der Basler Mathematiker und Physiker Leonhard Euler mit seiner Abhandlung zur Hydrodynamik und zum modernen Schiffbau. In seinem zweibändigen Werk "Scientia navalis seu tractatus de construendis ac dirigendis navibus" (1749) erklärt er den Wasserwiderstand von Schiffen und formuliert grundlegende Gleichungen zur Gleichgewichtstheorie schwimmender Körper. Der in Konstanz ansässige Zürcher Johann Caspar Bodmer initiierte 1817-1818 den Bau des ersten für den Bodensee bestimmten Dampfschiffs Stephanie. Eine glücklose Jungfernfahrt war die einzige Reise des im Volksmund Steh-fahr-nie! genannten Schiffs. Ab 1823 verkehrte die Guillaume Tell als erstes maschinengetriebenes Schiff der Schweiz fahrplanmässig auf dem Genfersee. Die Schale des Holzschiffs wurde in Frankreich, die Dampfmaschine in England gefertigt. Erstes europäisches Dampfschiff mit eiserner Schale war die 1835 in England konstruierte, in den Werkstätten von Escher, Wyss & Cie. fertiggestellte Minerva, die auf dem Zürichsee kreuzte. 1836-1837 stieg die Firma mit der Konstruktion ihres ersten Schiffs Linth Escher für den Walensee definitiv in den Schiffbau ein. 1836-1914 baute sie insbesondere auch für den Export über 300 schlüsselfertige Dampfschiffe samt Antriebsanlagen und lieferte für weitere 300 Dampfer Antriebsmaschinen und Kesselanlagen. Erst 1867 nahm die Gebrüder Sulzer AG in Winterthur als zweites Schweizer Unternehmen den Schiffbau auf. 1896-1927 lieferte die Firma zwölf Gross-Salondampfer an die Compagnie générale de Navigation sur le Lac Léman, womit der Genfersee zum Experimentierfeld des modernen Schiffbaus wurde. In diesem Zeitraum wurden Neuentwicklungen getestet, von denen sich insbesondere die Schiffsdampfmaschinen und später die Dieselmotoren von Sulzer durchsetzten. Als weltweit erstes Schiff war die ab 1905 auf dem Genfersee eingesetzte Venoge mit einem solchen Motor ausgerüstet. Auf dem gleichen See hatte 1934 der dieselelektrische Antrieb seine Premiere auf einem Radschiff. Das 1881 in Paris erfolglos getestete, dem Flugzeug ähnlichen Konzept des Tragflügelboots wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der Luzerner Firma Supramar wieder aufgenommen. Sie baute 1954 das weltweit erste Tragflügelboot für den Liniendienst auf dem Langensee. Als schweizweit einziges Schifffahrtsunternehmen unterhielt die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee (SGV) ab 1931 eine eigene Werft, die bis 1976 acht Schiffe mit 200-1200 Plätzen baute. Die Werft, die grösste in der Schweiz, bildet seit 2013 unter dem Namen Shiptec AG eine Tochtergesellschaft der SGV; sie führt seit 2008 neben den Unterhaltsarbeiten an den eigenen Schiffen auch für externe Kunden Bau- und Reparaturaufträge an Fahrgast-, Last- und Spezialschiffen sowie an privaten Yachten aus. Ihr schiffsbautechnisches Ingenieurbüro bietet darüber hinaus eine breite Palette von Dienstleistungen an (u.a. Berechnungen, Entwürfe, Kostenschätzungen, Sicherheitsanalysen).

Quellen und Literatur

  • Eisenbibliothek, Schlatt (TG)
  • SSRQ (Stadtrechte, Landrechte)
  • Qu. zur Zürcher Wirtschaftsgesch., hg. von W. Schnyder, 1937 (Reg.)
  • HWSVw 3, 481
  • M. Baumann, Stilli, 1977, 258-261
  • H. Wicki, Bevölkerung und Wirtschaft des Kt. Luzern im 18. Jh., 1979 (Reg.)
  • E. Liechti et al., Die Gesch. der Schiffahrt auf Bodensee, Untersee und Rhein, 1981
  • G. Cornaz et al., Bateaux et batellerie du Léman, 1983
  • C. Kunz, «Raddampfer auf Schweizerseen», in Schweizer Ingenieur und Architekt 104, 1986, H. 25, 619-625
  • A. Spycher, Der Weidlingbauer, 1988
  • Beitr. der Schweiz zur Technik, 1991
  • P. Bloesch, «Les barques de Bellerive (lac Léman) de 1671», in Méditerranée, mer ouverte 1, 1997, 255-270
  • P. Bloesch, «Conversion d'un navire de mer en navire de lac (lac Léman)», in Archaeonautica, 1998, 115-121
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler; Charlotte Kunz Bolt: "Schiffbau", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027651/2014-11-17/, konsultiert am 29.03.2024.