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Hochzeit

Als Hochzeit galten ursprünglich alle hohen kirchlichen oder weltlichen Feste, bis sich im 13. Jahrhundert der Begriff allmählich auf die Schliessung der Ehe verengte. Weitere, heute synonym zu Hochzeit verwendete Begriffe bezeichneten zunächst unterschiedliche Teilakte der Eheschliessung: So bedeutete etwa Vermählung das Ehegelöbnis und Trauung die Übergabe der Braut an den Bräutigam. Brautlauf, der germanische Begriff für Hochzeit, bezeichnete in der Deutschschweiz den feierlichen Brautzug vom Gasthaus in die Kirche. Er ist zum Beispiel für Rheinfelden 1290 bezeugt; in Appenzell war er bis nach 1900 üblich. In der Deutschschweiz hatte Heirat die Bedeutung von Eheschliessung und Heiratsvertrag.

Mit der Hochzeit verbanden sich zahlreiche Übergangsriten, die als Bräuche bis ins 20. Jahrhundert die Eheschliessung begleiteten. Ihre geregelte Abfolge sollte die Gültigkeit der Ehe garantieren. Zu diesen Bräuchen zählte die offizielle Werbung – der in vorgegebenen Wechselreden ritualisierte Heiratsantrag –, die als Sippenangelegenheit im Haus der zukünftigen Braut stattfand, oft gefolgt von einem Mahl. Die eigentliche Verlobung beinhaltete den Abschluss des mündlichen oder schriftlichen Ehevertrags, der rechtlich den Hausstand begründete und daher lange wichtiger als die Trauung war. Die mündliche Eheabrede war ein formelhaftes Eheversprechen vor Zeugen beim Wein, begleitet von der Übergabe der Ehepfänder (u.a. Ring, Ehepfennig). Der schriftliche Ehekontrakt (Heiratsbrief) mit vermögens- und erbrechtlichen Bestimmungen bei Kinderlosigkeit oder bei Kindern wurde notariell beglaubigt; seine Schliessung erfolgte ebenfalls vor Zeugen.

Hochzeiten hatten in der Öffentlichkeit stattzufinden, in Anwesenheit der Verwandtschaft und möglichst unter Anteilnahme der örtlichen Gemeinschaft. Öffentlichkeit bezweckten auch die von der Kirche sukzessive zum Ehesakrament ausgebauten kirchlichen Kopulationsriten, die anfänglich vor der Kirche, vom 13. Jahrhundert an zunehmend in der Kirche vor dem Altar stattfanden und vom 16. Jahrhundert an mit dem Eintrag im Eherodel durch den Pfarrer verbunden waren. Das Beilager vor Zeugen, das ursprünglich zur Begründung des ehelichen Güterrechts und des Rechts der Braut auf die Morgengabe vor der Trauung stattfand, wurde vom Ehesakrament in die Zeit danach abgedrängt und büsste an Bedeutung ein. Grosszügige Bewirtung der Gäste und das Überreichen von Geschenken an die Neuvermählten waren weitere, oft von Prestigedenken diktierte Höhepunkte. Städtische Satzungen (u.a. Zürcher Richtebrief 1304) und später obrigkeitliche Sittenmandate bekämpften die schuldentreibenden köstlichen Mähler und allzu viele Gäste. Von der Forschung bis anhin kaum thematisiert wurden Fragen nach regionalen Unterschieden der Hochzeit und nach den Auswirkungen der Reformation auf die Hochzeitsbräuche. Indizien weisen auf eine Akzentverschiebung hin: Während die katholische Kirche die Ehe als Sakrament verstand und die Hochzeit in ihre Liturgie einband, war sie bei Reformierten hauptsächlich ein ziviler Akt, zu dem die Kirche bloss den Segen gab.

Reformierte Dorfhochzeit im Berner Oberland. Kolorierte Aquatinta von Franz Niklaus König, 1803 (Privatsammlung).
Reformierte Dorfhochzeit im Berner Oberland. Kolorierte Aquatinta von Franz Niklaus König, 1803 (Privatsammlung). […]

Noch bis ins 19. Jahrhundert war es auf dem Land üblich, die bräutliche Mitgift offen zur Schau gestellt auf dem sogenannten Brautfuder (Brautfuhr, Brautfahrt) zu überführen. Im 20. Jahrhundert indes begannen sich Bräuche und Festlichkeiten rund um die Hochzeit zu ändern: Einst normative Teilakte (z.B. Verlobung, offiziöse Heiratsanzeigen) und beliebte Beiwerke (u.a. kalligrafische Hochzeitssprüche, Hochzeitsreise, Wunschliste der Brautleute) verloren an Bedeutung oder entfielen ganz.

Die zunehmend stilvoll gestaltete Ziviltrauung (Zivilstandswesen) verdrängte die kirchliche Hochzeit teilweise. Dabei wurde die kirchliche Handlung mit dem öffentlichen Konsens der Brautleute (Ja-Wort, Handreichen, Ringwechsel) zwar übernommen, es entfiel jedoch die frühere Dramaturgie des Einzugs in die Kirche – Braut mit Vater, Bräutigam mit Mutter – und des vereinten Auszugs der Neuvermählten. Trotz vermehrt individualistischer Ausgestaltung der Hochzeit nahm die Vorliebe für das weisse Brautkleid wieder zu. Einst regional gebräuchliche Trautage – Montag (Innerschweiz, Freiburg), Freitag (Bernbiet, Waadt), Dienstag oder Donnerstag (Zürichbiet), Sonntag (Graubünden, Wallis) – wurden zuerst in Arbeiterkreisen, später allgemein vom Samstag abgelöst, bis die Fünftagewoche der Zivilstandsämter erneut Terminverschiebungen, wenn auch nicht regional bestimmte, nötig machte.

Quellen und Literatur

  • HRG 2, 186-197
  • LexMA 5, 60-62
  • P. Hugger, «Liebe, Partnerschaft, Ehe...», in Hb. der schweiz. Volkskultur 1, hg. von P. Hugger, 1992, 129-140 (mit Bibl.)
  • M. Vernus, Mariages et noces d'autrefois, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Hochzeit", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027286/2013-10-03/, konsultiert am 28.03.2024.