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Zahnmedizin

Der Zahnbrecher. Holzschnitt aus dem Ständebuch von Jost Ammann, 1568 (Schweizerische Nationalbibliothek).
Der Zahnbrecher. Holzschnitt aus dem Ständebuch von Jost Ammann, 1568 (Schweizerische Nationalbibliothek).

Bis ins 19. Jahrhundert wurden zahnärztliche Tätigkeiten einerseits von gewerbetreibenden Personen, die sesshaft waren oder von einem Ort zum anderen zogen, andererseits von ortsansässigen Medizinern ausgeübt (Handwerkschirurgen). In der Mediationszeit (1803-1813) wurden in den kantonalen Sanitätsgesetzen die ersten spezifischen Vorschriften für Zahnbehandler erlassen. Fortan mussten sie zur Berufsausübung ein Zeugnis vorlegen. Der Kanton Thurgau war der erste Kanton, der neben einem Zeugnis auch eine Hochschulbildung verlangte. Bis 1877 erliessen 17 Kantone Vorschriften für Zahnbehandler. Die Kantone Aargau, Baselland, Glarus, Ob- und Nidwalden, Tessin, Uri sowie Waadt kannten keine Vorschriften. 1881 wurde in Genf die erste staatlich anerkannte Zahnarztschule Europas eröffnet. Auf Initiative des Frauenfelder Zahnarztes Friedrich Wellauer, der 1886 in Zürich die Schweizerische Odontologische Gesellschaft (später Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft, SSO) mitgründete, trat 1888 ein eidgenössisches Gesetz zur Zahnmedizin in Kraft. Es schrieb für das Zahnarztstudium die Absolvierung eines Gymnasiums und ein siebensemestriges Hochschulstudium vor. Zwischen 1886 und 1930 wurde die Mehrheit der kantonalen Zahnarztgesellschaften gegründet, die alle als Sektionen der SSO angehören.

1895 wurde das zahnärztliche Institut der Universität Zürich eröffnet, 1921 dasjenige von Bern und 1924 jenes von Basel. Damit waren die Grundlagen für die Entwicklung der wissenschaftlichen Zahnmedizin geschaffen. Innerhalb der einzelnen Institute wurden drei Abteilungen eingerichtet, nämlich für Prothetik, für konservierende Zahnmedizin und für chirurgische Zahnmedizin. In Zürich war Alfred Gysi der erste Vorsteher der prothetischen Abteilung. Ihm ist es zu verdanken, dass die Schweizer Zahnmedizin schon früh grosse internationale Anerkennung fand. 1914 war die Schweiz das erste europäische Land, in dem das Promotions- und Habilitationsrecht für Zahnmedizin eingeführt wurde. 1959 erhielten die Professoren der Zahnmedizin die gleichen Rechte wie diejenigen der medizinischen Fakultät. Ab 1946 wurde an den zahnärztlichen Instituten ein Lehrauftrag für Kieferorthopädie und Kinderzahnmedizin geschaffen. Gleichzeitig führte man auf Gemeindeebene die Schulzahnpflege ein. 1956 richtete die SSO einen Fonds für zahnärztliche Forschung ein.

Studierende der Zahnmedizin an Übungsmodellen an der Universität Zürich, 2001 © KEYSTONE / Steffen Schmidt.
Studierende der Zahnmedizin an Übungsmodellen an der Universität Zürich, 2001 © KEYSTONE / Steffen Schmidt.

In den 1960er Jahren begann die zahngesundheitserzieherische Tätigkeit in den Schulen und allmählich auch in den zahnärztlichen Privatpraxen. Die Schulzahnpflege erfasste in der Schweiz alle schulpflichtigen Kinder und auch die Kindergärten. Die Gemeinden finanzierten Zahnuntersuchungen und Prophylaxemassnahmen. So gelang es, die meisten Jugendlichen mit intakten Zähnen aus der obligatorischen Schulpflicht zu entlassen. Ein grosser Anteil an der Zahngesundheit ging auf die Wirkung des Spurenelements Fluor in Zahnpasten und im Kochsalz zurück. In Basel wurde ab 1961 das Trinkwasser fluoridiert, seit 2003 auch auf die Salzfluoridierung umgestellt. Durch diese vorbeugenden Massnahmen wurde die Kariesanfälligkeit stark reduziert, und bei der Schweizer Schuljugend gingen die Zahnschäden um 80% zurück. Als Folge der Verbesserung der Mundhygiene und der zahnärztlichen Betreuung der Bevölkerung in den Zahnarztspraxen sind Karies und Parodontitis massiv zurückgegangen.

Quellen und Literatur

  • E. Olivier, Médecine et santé dans le Pays de Vaud au XVIIIe siècle, 2, 1939, 753-755, 1092
  • J. Jost, Die Entwicklung des zahnärztl. Berufes und Standes im 19. Jh., 1960
  • G. Sigron, «Die eidg. Anerkennung des Zahnarztes als Medizinalberuf in der Schweiz», in Schweiz. Monatsschr. für Zahnmedizin 96, 1986
  • T.M. Marthaler, «Kariesprävalenz bei Schülern im Kt. Zürich», in Schweiz. Monatsschr. für Zahnmedizin 98, 1988
  • H. Funke, Wissenschaftl. Arbeiten von Abteilungsvorstehern des Zahnärztl. Inst. der Univ. Zürich, 1995
  • C. Lefébure, L'art dentaire, 2001
  • B. Schär, Harmonie mit Biss, [2007]
Weblinks

Zitiervorschlag

Guido Sigron: "Zahnmedizin", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027147/2014-11-18/, konsultiert am 28.03.2024.