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Naters

Politische Gemeinde des Kantons Wallis, Bezirk Brig. Am rechten Rhoneufer auf der sanft ansteigenden Schwemmlandhalde des Kelchbachs gelegen, umfasst den ganzen Natischer Berg zwischen Kelchbach und der Massa von Grund bis Grat mit zahlreichen im Mittelalter noch selbstständigen Gemeinwesen wie Hegdorn, Geimen, Mehlbaum, Rischinen und Blatten sowie seit 2013 auch Birgisch und Mund. 1018 Nares. 1798 ca. 700 Einwohner; 1850 763; 1900 3953; 1950 3243; 2000 7515.

Im Frühmittelalter war Naters im Besitz der Abtei Saint-Maurice. 1079 schenkte Kaiser Heinrich IV. den Hof Naters dem Bischof von Sitten. Naters wechselte noch dreimal den Besitzer, bis es 1148 durch Schiedsspruch des Erzbischofs von Tarentaise endgültig dem Bischof zugesprochen wurde. Naters bildete das bischöfliche Verwaltungszentrum des Zendens mit Vizedominat und Meiertum, beides Ämter, die meist adligen Familien als Erblehen vergeben wurden. Der Viztum residierte im Ornavassoturm, der um 1260 von den Herren de Augusta errichtet worden war und später durch Erbschaft den Herren von Urnavas zufiel. Das Vizedominat kam 1345 an die Familie de Chevron-Villette und verlor nach und nach an Bedeutung. Das Meieramt lag ab 1214 bei der Familie Manegoldi. Sie wohnte im Schloss Auf der Flüe (heute Supersaxoschloss), das wohl Ende des 12. Jahrhunderts erbaut worden war und noch im 15. und 16. Jahrhundert zeitweise als bischöfliche Residenz diente. Hier wurden Bischof Wilhelm III. von Raron 1446 die Artikel von Naters abgetrotzt, die den Bischof seiner weltlichen Macht berauben sollten. Die Vereinbarung hatte aber nur fünf Jahre Bestand. Im 14. Jahrhundert wurde das Meiertum in eine Kastlanei umgewandelt, die vorübergehend bei den Grafen von Blandrate lag. Vor 1418 kam sie an den Zenden, der fortan den Kastlan wählte.

Sicht auf Naters und das Rhonetal von Norden. Lithografie aus dem in Sitten veröffentlichten Werk Collection des principales vues et chef-lieux des dixains du canton du Valais von Lorenz Justin Ritz, 1839 (Privatsammlung; Fotografie Jean-Marc Biner).
Sicht auf Naters und das Rhonetal von Norden. Lithografie aus dem in Sitten veröffentlichten Werk Collection des principales vues et chef-lieux des dixains du canton du Valais von Lorenz Justin Ritz, 1839 (Privatsammlung; Fotografie Jean-Marc Biner). […]

Die 1018 erstmals erwähnte Kirche St. Mauritius war Mittelpunkt der wohl vor 1000 entstandenen Grosspfarrei, die den ganzen Zenden Brig (mit Ausnahme des Gebiets Gondo-Zwischbergen und Eggerberg) umfasste. Die heutige Kirche wurde, abgesehen vom romanischen Turm, der vermutlich aus dem 12. Jahrhundert stammt, 1659-1664 von den Prismeller Baumeistern Balthasar und Peter Bodmer gebaut. Neben der Kirche steht das von Ulrich Ruffiner 1514 erbaute Beinhaus mit mehr als 30'000 aufgeschichteten Totenschädeln.

Infolge des zunehmenden Verkehrs über den Simplonpass im Spätmittelalter verlor Naters seine führende Stellung im Zenden. 1518 wurde die Gerichtsbank nach Brig verlegt. Die Gemeinden Naters und Rischinen (entstanden aus der Vereinigung aller kleinen Gemeinwesen am Natischer Berg) galten als zwei der sechseinhalb Gumper des Zendens, bis sie sich 1617 nach einer Pestepidemie zusammentaten und sich gemeinsame Statuten gaben, jedoch ihre je eigene Verwaltung bis 1852 beibehielten. Markante Bauten im alten Dorfkern von Naters wie das Megetschenhaus, das Lergienhaus oder das Michel-Supersaxohaus zeugen vom Wohlstand und Einfluss einzelner Burgergeschlechter des Ancien Régime.

Die meisten Weiler am Natischer Berg wurden beim Einfall der Franzosen 1799 niedergebrannt. Nur langsam erholte sich im 19. Jahrhundert die durch Krieg und militärische Einquartierungen verarmte Bevölkerung. In mehreren Schüben wanderten ganze Familien nach Argentinien (San Jeronimo Norte) aus. Der Bau der Furkastrasse am Südrand des Dorfs (1857), die Eindämmung der Rhone (1873-1876 und 1899-1900) und die darauffolgende Urbarmachung des Natischer Grunds sowie der Bau und Ausbau des Simplontunnels (1898-1906 und 1912-1921) brachten einen stetigen wirtschaftlichen Aufschwung. Naters dehnte sich im Osten entlang der Furkastrasse durch eine Barackensiedlung für die meist italienischen Tunnelarbeiter aus. Das neue Viertel wurde wegen der dunkleren Hautfarbe seiner Bewohner «Negerdorf» genannt (heute Quartier Feld). Zur Entlastung des Dorfzentrums wurde 1957 südlich der alten die neue Furkastrasse gebaut, an der mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser entstanden. 1978-1980 erstellten private Investoren zwischen Blatten und Belalp in steiler Hanglage das Feriendorf Tschuggen. Mit der Erschliessung des Skigebiets auf der Belalp (2000-3100 m) wurde der Tourismus zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor der Gemeinde.

Quellen und Literatur

  • E. Jossen, Naters, 2000
Von der Redaktion ergänzt
  • Kuonen Ackermann, Carmela: Der Bezirk Brig, 2015, S. 54-145 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Wallis, 4).

Zitiervorschlag

Anton Riva: "Naters", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.01.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002665/2017-01-04/, konsultiert am 19.03.2024.