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Parlamentarische Gruppen

Der Begriff der parlamentarischen Gruppen erhielt erst 1984, mit der Aufnahme von Artikel 8septies ins Geschäftsverkehrsgesetz der Bundesversammlung, eine feste Bedeutung; der Form nach bestanden parlamentarische Gruppen aber schon vorher. Im Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz), das seit dem 1. Dezember 2003 in Kraft ist, wurden die Bestimmungen von 1984 übernommen. Danach versteht man gemäss Artikel 63 unter einer parlamentarischen Gruppe einen Zusammenschluss von Ratsmitgliedern, die sich «für einen bestimmten Sachbereich interessieren». Die Gruppen stehen allen Ratsmitgliedern offen. Sie melden ihre Konstituierung und ihre Mitglieder den Parlamentsdiensten, die ein öffentliches Register der parlamentarischen Gruppen führen. Die parlamentarischen Gruppen erhalten, soweit möglich, administrative Arbeitserleichterungen und Sitzungszimmer. Sie sind aber keine Organe der Bundesversammlung im Sinne von Artikel 31 des Parlamentsgesetzes und können nicht im Namen der Bundesversammlung auftreten. Mit der Regelung von 1984 wurden Unklarheiten beseitigt, da der Begriff Gruppe vorher frei verwendet wurde und zur Bezeichnung beliebiger Zusammenschlüsse von Ratsmitgliedern diente, insbesondere zur Bezeichnung von Fraktionen.

Politisch kommt den parlamentarischen Gruppen eine untergeordnete Rolle zu. In der parlamentarischen Praxis, in den Debatten der eidgenössischen Räte und in den parlamentarischen Vorstössen sind sie kein Thema. Es existiert nur wenig Literatur über sie, und auch von den Medien werden sie kaum beachtet. Demgegenüber weist die Tatsache, dass im April 2009 im Register der Parlamentsdienste 70 Gruppen verzeichnet waren (gegenüber sieben Gruppen 1962, 19 Gruppen 1981 und 51 Gruppen 2004), doch auf ein Bedürfnis hin. Viele parlamentarische Gruppen verfolgen eher ideelle Ziele und vertreten Anliegen, die von den grossen Interessenverbänden nicht abgedeckt werden.

Die parlamentarischen Gruppen werden von Ratsmitgliedern präsidiert. Einzelpersonen, Vereinigungen oder Verbände, in Einzelfällen auch Mitarbeiter der Parlamentsdienste oder Dienststellen der Bundesverwaltung, führen das Sekretariat. Durchgeführt werden hauptsächlich Informationsveranstaltungen, die nahestehenden Interessenvertretern Gelegenheit bieten, ihre Standpunkte darzulegen. Die Veranstaltungen bieten darüber hinaus Gelegenheit zu informellen Kontakten über die Fraktions- und Kommissionsgrenzen hinweg. Aus der Sicht der grossen Interessengruppen sind die parlamentarischen Gruppen von untergeordneter Bedeutung, weil Ersteren andere Einflussmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Die älteste und bekannteste parlamentarische Gruppe, der Landwirtschaftliche Klub, besteht seit den 1880er Jahren. Laut den Statuten und Protokollbüchern – ein erstes wurde ab 1890 verwendet – funktionierte er zeitweise als straff geführte Vereinigung, die wie eine parlamentarische Kommission Fragen der Landwirtschaft und Geschäfte der eidgenössischen Räte behandelte, teilweise gar unter Anwesenheit des jeweils zuständigen Bundesrats.

Quellen und Literatur

  • Archiv der SVP des Kt. Bern, Bern, Protokolle des Landwirtschaftl. Klubs der Bundesversammlung
  • R. Gnägi, «Fremdenverkehr, Parlament und parlamentar. Gruppe für Verkehr, Tourismus und Hotellerie», in Jb. der eidg. Behörden, Verwaltungen und Bundesbetriebe, 1961, 149-161
  • K. Eichenberger, «Die Parlamentarischen Gruppen im eidg. Parlamentsbetrieb», in Wirtschaft und Recht 14, 1962, 287-298
  • E. Gruner, Die Schweiz. Bundesversammlung 1920-1968, 1970, 46-50
  • A. Meyerhans, Die Vertretung der Agrarinteressen in den Räten, Seminararbeit Zürich, 1993, (Schweiz. Bauernverband)
  • N. Schmitt, «Le soutien étatique aux groupes parlementaires», in Gesetzgebungs-Bull. 4, 2000, 13-19
Weblinks

Zitiervorschlag

Ernst Frischknecht: "Parlamentarische Gruppen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.05.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026426/2010-05-10/, konsultiert am 19.03.2024.