de fr it

Hypothek

Hypotheken sind durch Grundpfandverschreibungen grundpfandgesicherte Ausleihungen, und zwar nicht nur das Pfandrecht an sich, sondern die gesamte Forderung aus Pfandrecht und Pfandtiteln. Die Hypothek ermöglicht es, den Wert eines Grundstücks durch Kreditaufnahme flüssig zu machen (zu "mobilisieren"). Der Gläubiger erlangt das Recht, sich bei Verzug des Schuldners mit dem Erlös des Grundstücks zu befriedigen. Ihre aktuelle Rechtsgestalt erhielt die Hypothek erst 1912 im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB Artikel 793-883). Mit über zwei Dritteln aller Kundenausleihungen ist der Hypothekarkredit, der in erster Linie dem Erwerb und Bau von Liegenschaften sowie deren Werterhaltung und Wertvermehrung dient, die bedeutendste Kreditart der schweizerischen Banken.

Die Entwicklung des Hypothekarkredits bis ins frühe 20. Jahrhundert

Der Bodenkredit ist seit dem Hochmittelalter als wichtigstes Mittel der Geldbeschaffung bezeugt (Grundpfandrecht). In der Deutschschweiz galt wie im Reich eine grosse Vielfalt an deutschrechtlichen Bodenkreditarten unter verschiedenen Bezeichnungen (u.a. Gült) und unterschiedlichen Rechtsformen. Anders als die heutigen Grundpfandarten begründeten diese zum Teil ein Nutzungseigentum des Gläubigers am Pfand. Dagegen entsprach die römisch-gemeinrechtliche Grundpfandverschreibung der West- und Südschweiz der heutigen Hypothek.

Bodenkredite beruhten vorzüglich auf dem privaten Kredit städtischer und zunehmend auch ländlicher Geldverleiher, die auf diese Weise Kapital an Zins legten. Die Vermögen der Oberschicht bestanden nebst dem obligaten Grundbesitz zu einem guten Teil aus grundpfandversicherten Gülten oder Schuldbriefen, die als Wertpapiere vererb- und handelbar waren wie die Grundstücke selbst.

Die Aufsicht über den Bodenkredit und die Gesetzgebung lag vor 1800 beim Obrigkeitsstaat, im 19. Jahrhundert bei den Kantonen, an die 1803 das vorrevolutionäre Hypothekarwesen übergegangen war. Dessen Reform, für welche die Einführung der kantonalen Grundbücher eine wichtige Voraussetzung darstellte, wurde mit dem bankmässigen Hypothekargeschäft eingeleitet; dabei übernahm die Bank Leu in Zürich eine Vorreiterrolle. Ab 1846 gründeten die Kantone angesichts der sozialpolitischen Bedeutung eines geordneten Hypothekarwesens staatliche Hypothekarkassen, als erste die Kantone Bern, Basel-Landschaft, Thurgau, Genf, Neuenburg, Freiburg und Waadt. Über die geregelte Kreditabwicklung der Kassen und die normierte Registerpflicht setzten die Kantone die Neuordnung des Hypothekarwesens durch. Doch erst das ZGB von 1912 brachte die gesamtschweizerische Vereinheitlichung. Von den im ZGB zugelassenen drei historischen Grundpfandarten ist in der Deutschschweiz und im Tessin der Schuldbrief die Regel, der nach Abzahlung das Wiederaufstocken der beurkundeten Summe erlaubt, in der Westschweiz dagegen die Grundpfandverschreibung (Kapital- oder Maximal-Hypothek), die nach Abzahlung der Hypothek erlischt. Die Gült nach ZGB wird kaum noch bestellt.

Der Übergang von Privat- zu Bankdarlehen ging parallel zur Entwicklung des schweizerischen Bankwesens: Hypothekarkredite wurden ab 1860 sukzessive aus Spargeldern, Kassenobligationen und Obligationenanleihen gespiesen, ab 1931 auch aus Pfandbriefdarlehen der 1931 gegründeten Pfandbriefzentrale Schweizerischer Kantonalbanken und der Pfandbriefbank der schweizerischen Hypothekarinstitute (Pfandbrief). Massenweise Konkurse von privaten Hypothekarschuldnern waren in der Schweiz nur während der Krisen der 1870er und der 1930er Jahre zu verzeichnen (Agrarverschuldung, Weltwirtschaftskrise).

Die wirtschaftliche Bedeutung der Hypotheken im ausgehenden 20. Jahrhundert

Hypothekaranlagen der Schweizer Banken 1850-2005
Hypothekaranlagen der Schweizer Banken 1850-2005 […]

Das allgemein niedrige Zinsniveau der Schweiz (Geld- und Währungspolitik) begünstigte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine im internationalen Vergleich einmalige Entwicklung, die der Schweiz langfristig überaus niedrige Hypothekarzinsen, zugleich aber auch eine hohe Hypothekarverschuldung eintrug. Dabei ist der Anteil des Bankensystems am Hypothekargeschäft seit 1932 – damals wurden für Banken einheitliche Vorschriften über die Bilanzgliederung erlassen – in etwa konstant geblieben; 2000 lag er bei 85%. In den Rest teilen sich Versicherungen (8%), Pensionskassen und weitere betriebliche Vorsorgeeinrichtungen (6%) sowie wenige private Gläubiger (1%). Je gut ein Drittel der Ausleihungen mit hypothekarischer Deckung fällt auf die Grossbanken und die Kantonalbanken, rund ein Achtel auf Regionalbanken und Sparkassen sowie ein Zehntel auf die vor allem im ländlichen Raum tätigen Raiffeisenbanken. Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert war der Anteil der Privatbanken im 20. Jahrhundert bedeutungslos. In Zeiten der Mittelverknappung der Banken wirkt sich aus, dass einzelne Kantonalbanken immer noch von Gesetzes wegen zur Gewährung von Hypothekarkrediten verpflichtet sind. Banken mit hohen Anteilen des Hypothekargeschäfts an ihren Bilanzen weisen unterdurchschnittliche Bruttoerträge je Mitarbeiter aus. Dem steht – zumindest bei vorsichtiger Belehnungspraxis – ein Gewinn an Sicherheit für Banken und Kunden gegenüber. Reine Hypothekarbanken, wie sie noch im 19. Jahrhundert bestanden, gibt es nicht mehr. Trotz des in den 1970er Jahren einsetzenden Konzentrationsprozesses, in dessen Verlauf sich die Anzahl der Regionalbanken und Sparkassen zwischen 1989 und 1998 halbierte, blieben Zusammenbrüche von Instituten mit hohem Hypothekenanteil seltene Ausnahmen (1989 Spar- und Leihkasse Thun).

Die Hypothekarforderungen der Banken pro Kopf der Bevölkerung nahmen in den 1990er Jahren ab und lagen damals in der Grössenordnung von 7000 Franken. In der Niedrigzinsperiode 1999-2003 nahmen die Ausleihungen gegen hypothekarische Deckung gemäss Finanzierungsrechnung der Schweizerischen Nationalbank allerdings wieder um 15% zu. Hochgerechnet um die Anteile der übrigen Hypothekengläubiger ergibt sich folglich eine Hypothekarverschuldung von etwa 8000 Franken pro Kopf. Diese verteilt sich aber sehr ungleich über die Bevölkerung; nur knapp 40% der privaten Haushalte sind Grundbesitzer. Die bestehende Grössenordnung ist unbedenklich, da ihr eine massive Sparneigung der Bevölkerung (im langfristigen Mittel 10% der Haushaltseinkommen, ohne das Zwangssparen über die Sozialversicherungen) gegenübersteht. Insolvenzen privater Hypothekenschuldner waren eher selten; bei rückläufiger Konjunktur pflegen allerdings die Zwangsverwertungen durch Hypothekengläubiger zuzunehmen. Letztere müssen vor allem bei der Verwertung von unvorsichtig hoch fremdfinanzierten Liegenschaften an schlechten Standorten Verluste hinnehmen; auffallend gross ist der Anteil der Zweitwohnungen unter den zwangsverwerteten Liegenschaften.

Der Hypothekarkredit ist eine wichtige Säule der Unternehmungsfinanzierung vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen, die ohne besondere Sicherheiten nur beschränkt Bankkredit erhalten und wegen ihrer Kleinheit und Organisationsformen vom Kapitalmarkt ausgeschlossen sind. Der Hypothekarkredit zu produktiven und kommerziellen Zwecken enthält oft einen Risikozuschlag, wodurch er teurer wird als derjenige zur Finanzierung von Wohneigentum. Mit der Umsetzung der strengeren, 2004 in Basel vereinbarten Rating-Auflagen nehmen die Banken differenziertere Risikobeurteilungen ihrer Hypothekarschuldner vor, auch der privaten. Dies bewirkt die Abkehr von mehr oder weniger einheitlichen und veröffentlichten Zinssätzen, was wiederum Auswirkungen auf das Mieterschutzrecht haben dürfte. Die Amortisationspolitik der einzelnen Banken war immer intransparent und weist auch regionale Unterschiede auf, ebenso die Belehnungsgrenzen. 90% der Belehnungen lagen 2000 im Rahmen von zwei Dritteln des (geschätzten) Verkehrswerts der belehnten Liegenschaft, rund 8% zwischen zwei Dritteln und 80% des Verkehrswerts und nur 2% über 80% desselben.

Seit den 1970er Jahren hat sich die Zahl der angebotenen Hypothekenprodukte erheblich ausgeweitet. Neue Modelle erobern den Markt wie die Portfoliohypothek der UBS oder die Eurohypothek der Zürcher Kantonalbank, die nicht auf den traditionellen variablen, sondern auf sogenannten stabilisierten Zinsätzen basieren. Neben dem schärferen Wettbewerb unter den Banken nach der Aufhebung der regionalen Zinskartelle Ende der 1970er Jahre war dafür vor allem die zunehmende Abkehr der Sparer vom traditionellen Sparheft (dem Prinzip nach kurzfristig, de facto langfristig) bestimmend, welche die bei der Hypothekenfinanzierung bis anhin übliche Verletzung der "goldenen Bankregel" (kongruente Laufzeitfinanzierung) immer schwieriger machte. Die Belehnungsgrenzen wurden mit der zunehmend beanspruchten Möglichkeit, Ersparnisse aus der beruflichen Vorsorge für den Erwerb von Wohneigentum einzusetzen (Obligatorium in Kraft seit 1988, in der Regel Einsatz der Mittel zur indirekten Amortisation der Hypothekenschuld), aufgeweicht.

Quellen und Literatur

Die Entwicklung des Hypothekarkredits
  • E. Huber, «Die Entwicklung der schweiz. Gült zur modernen Hypothek», in Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 12, H. 3, 1919, 1-14
  • HWSVw 2, 629-638
  • HSVw 2, 654-656
  • HRG 2, 277-281
  • P. Affolter, Aspekte des bankmässigen Hypothekargeschäftes, 1985
  • H. Studer, Das Hypothekargeschäft der Schweizer Banken, 1985
  • M. Körner, Banken und Versicherungen im Kt. Luzern vom ausgehenden Ancien Régime bis zum Ersten Weltkrieg, 1987
  • C. Reymond, Le régime hypothécaire vaudois sous LL.EE. de Berne et selon le droit cantonal (XVIe-XIXe siècle), 1990
  • LexMA 5, 251 f.
Die wirtschaftliche Bedeutung im ausgehenden 20. Jahrhundert
  • R. Schwertfeger, Der Hypothekarkredit von A-Z, 1983 (31985)
  • E. Albisetti et al., Hb. des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 41987
  • Der schweiz Bankensektor, 1992-
  • E. Böhm, Übersicht der Hypothekenformen, 1999
  • Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lex. der Schweiz, hg. von M. Boemle et al., 2002
  • U. Emch et al., Das schweiz. Bankgeschäft, 62004
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler; Richard Schwertfeger: "Hypothek", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026230/2008-01-16/, konsultiert am 28.03.2024.