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Biotechnologie

Anwendungsorientierte Wissenschaft, die auf der Verbindung von Erkenntnissen aus der Mikrobiologie, Zellbiologie, Biochemie, Genetik und den technischen Wissenschaften aufbaut. Die Biotechnologie (unter Einschluss der Gentechnologie) zählt heute zu den Schlüsseltechnologien für die Zukunft.

Biotechnologische Erkenntnisse flossen bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Herstellung von industriellen Chemikalien, in die Abfallreinigung sowie die Synthese von Vitamin C ein. Eine eigentliche pharmazeutische Blüte erlebte die Biotechnologie während und nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Produktion von Antibiotika und Steroiden. Den entscheidenden Impuls in Richtung gentechnisch dominierte Biotechnologie erhielt die Wissenschaft in den 1950er Jahren mit der Entwicklung der Molekularbiologie: Sie ermöglichte die Expression eines Gens einer Art (z.B. Mensch) in einer biotechnologisch geeigneten anderen Art (z.B. Hefe). Dadurch wurden Genprodukte der Menschen wie das Insulin oder Interferon technisch herstellbar.

Die Forschung in der Schweiz hat massgebend zur Entwicklung der modernen Biotechnologie beigetragen. 1978 erhielt Werner Arber vom Biozentrum in Basel den Nobelpreis für die Entdeckung der Restriktionsenzyme, womit er in den frühen 1970er Jahren die moderne Gentechnologie mitbegründet hatte. Das erste Medikament aus der Schweizer gentechnischen Forschung (Roferon-A) wurde 1986 zugelassen. Die erste Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (Kartoffeln) in der Schweiz fand 1991 statt. Auf die bewilligte Freisetzung eines gentechnisch erzeugten Impfstoffs gegen Fuchstollwut wurde dagegen im Frühling 1995 wegen massiver Opposition verzichtet. Seit 1992 läuft das Schwerpunktprogramm Biotechnologie des Schweizerischen Nationalfonds. 1995 wandten 590 wissenschaftliche Arbeitsgruppen die Gentechnik an. Die Schweiz hat sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der industriellen Anwendung (v.a. Hochleistungsgeräte) weltweit eine Spitzenfunktion inne (Chemische Industrie).

1975 bildete die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) auf Initiative der Industrie eine Kommission für experimentelle Genetik (Kommission Arber), welche die amerikanischen Sicherheitsrichtlinien übernahm und aus welcher 1986 die Schweizerische Kommission für biologische Sicherheit in Forschung und Technik hervorging. Diese beiden Kommissionen haben seit 1977 alle biotechnologischen Projekte registriert. 1985 wurde in der Schweiz die Genmanipulation der menschlichen Keimbahn verboten. Eine eidgenössische Volksinitiative, die sogenannte Beobachter-Initiative, welche die Reproduktionsmedizin und die Gentechnik am Menschen einschränken wollte, wurde 1987 eingereicht. Bundesrat und Parlament arbeiteten einen direkten Gegenvorschlag zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie aus, der 1992 (nach dem Rückzug der Beobachter-Initiative) vom Volk mit grossem Mehr angenommen wurde. Der Bundesrat legte 1993 einen Bericht vor, wonach die Gentechnologie im Rahmen der Revision bestehender Gesetze (u.a. Lebensmittel- und Umweltschutzgesetz) geregelt werden sollte. Die im selben Jahr durch die Schweizerische Arbeitsgruppe Gentechnologie eingereichte Gen-Schutz-Initiative, welche die Gentechnik im aussermenschlichen Bereich einschränken wollte, wurde 1998 verworfen. Die grossen Basler Konzerne Novartis und Roche haben trotz der Opposition, die zum Beispiel Ciba-Geigy veranlasst hatte, ein in Basel geplantes biotechnologisches Entwicklungs- und Produktionszentrum im Elsass zu bauen, wesentliche Teile ihrer biotechnologischen Aktivitäten in der Schweiz behalten. Die raschen Fortschritte in der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung in den USA machten die Zusammenarbeit mit und Beteiligungen an amerikanischen Unternehmen für die schweizerischen Chemiekonzerne interessant: Ende 1995 betrug der so in den USA investierte Betrag 7 Mrd. US-Dollar. In der Schweiz sind ebenfalls eine ganze Reihe von Jungunternehmen entstanden. Herstellung und Anwendung von körpereigenen Wirksubstanzen (z.B. Insulin, Interferone, Erythropoietin usw.) durch die gentechnisch gestützte Biotechnologie finden allgemein breite Akzeptanz. Dagegen ist ihr Einsatz in der Landwirtschaft wie auch in bestimmten Bereichen der Fortpflanzungsmedizin umstritten. Eine im April 2000 durch das Forschungsinstitut Ipso ausgeführte Umfrage ergab, dass eine Zweidrittelsmehrheit der schweizerischen Bevölkerung den Anbau von Gentech-Pflanzen in der Schweiz ablehnte und über drei Viertel einem Moratorium für die Verwendung von Gentech-Pflanzen zustimmte. Ein Gentechnikgesetz mit den Schwerpunkten Wahlfreiheit der Konsumenten, Haftung bei Schäden und einem Moratorium für den kommerziellen Anbau von Gentech-Pflanzen in der Schweiz ist seit 2000 in Bearbeitung.

Quellen und Literatur

  • S. Ryser, Selbstkontrolle und gesetzl. Kontrolle in der Gentechnologie, 1989
  • Schriftenreihe Umwelt, 1990- (Fortsetzung von Schriftenreihe Umweltschutz)
  • D. Ammann et al., Gefahrenzone: Risiken der Gentechnologie, 1992
  • BioTeCH forum, 1995-
  • Gen-Schutz-Ztg., 1995-
Weblinks

Zitiervorschlag

Daniel Ammann: "Biotechnologie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.10.2002. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026223/2002-10-28/, konsultiert am 28.03.2024.