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Arbeitsteilung

Die von der klassischen Ökonomie Ende des 18. Jahrhunderts entworfene Theorie der Arbeitsteilung beschreibt ein Phänomen, das bereits vor der Industriellen Revolution existiert hat. Nach geltender Lehrmeinung ist eine fortgeschrittene Arbeitsteilung zwischen Menschen, Arbeitsgruppen, Unternehmen, Regionen oder Staaten sowohl Bedingung als auch Merkmal hoch entwickelter Volkswirtschaften.

Neben dem klassischen Begriff der Arbeitsteilung, der sich auf die Industriegesellschaft (nach Karl Marx auf die kapitalistische Produktionsweise, Marxismus) bezieht und eine Steigerung der Produktivität durch Rationalisierung der Arbeit bezeichnet, gilt es auch andere Aspekte der "Aufgliederung und Verteilung von Arbeit" zu beachten, namentlich die geschlechtsspezifische, die berufliche, die betriebliche, die räumliche und die internationale Arbeitsteilung.

In früheren Gesellschaften bestand vor allem eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau (z.B. zwischen der spinnenden Frau und dem webenden Mann, dem Mann vorbehaltene Viehhut in Viehzüchtergesellschaften). Die geschlechtsspezifische Aufteilung der Aufgaben veränderte sich unter dem kombinierten Einfluss von Veränderungen der Wirtschaftsstruktur und der Entwicklung kultureller Normen, welche Männern und Frauen unterschiedliche soziale Funktionen und somit eine andere Stellung auf dem Arbeitsmarkt gaben. Darauf beruhte in der Schweiz wie anderswo eine Reihe beruflicher Diskriminierungen, zum Beispiel dass Frauen in sehr traditionellen oder minder qualifizierten Tätigkeiten belassen wurden: als Gesinde, im 19. Jahrhundert in der mechanisierten Textil- und Konfektionsindustrie, später in der Nahrungsmittel- und Detailhandelsbranche, in dem im 20. Jahrhundert aufkommenden Dienstleistungssektor zum Beispiel in Büro-, Verkaufs-, Spital- und Lehrberufen.

Arbeitsteilung bedeutet ferner die Aufteilung von Arbeitsprozessen, die Spezialisierung der Berufe, Unternehmen und Berufstätigen. Sie beinhaltet die Spezialisierung sowohl zwischen als auch in den Branchen, und weist den verschiedenen Wirtschaftseinheiten (einzelnen Arbeitern, Zünften, Werkstätten, Unternehmen) genau umgrenzte Funktionen zu. Schon die mittelalterliche Tuchherstellung gibt dafür ein Beispiel: Von der Vorbereitung der Wolle bis zum Zuschneiden der Tücher teilten sich mehrere Handwerker in die Arbeit (Kämmer, Kardierer, Spinnerinnen, Weber, Färber, Walker, Scherer), auch wenn sie, wie in Genf, in derselben Tuchmacherzunft vereinigt waren. Arbeitsteilig war auch die Uhrmacherei organisiert. Zuerst in Genf, später im gesamten Jurabogen, war die Uhrenherstellung bis weit in das 19. Jahrhundert in einem komplexen System von Arbeitsschritten organisiert (den parties brisées), das auf einer zunehmend verfeinerten Gliederung der Arbeitsschritte und entsprechender Diversifizierung der Berufe beruhte (Uhrenschalen-, Zifferblatt-, Zeiger-, Federmacher usw.). Die einfacheren Werkstücke wurden auf der Landschaft hergestellt, während die Montage und die komplizierteren Arbeiten den städtischen Uhrenateliers vorbehalten blieben.

Die Organisationsform des Verlagssystems bzw. der établissage hat sich vom 16. Jahrhundert an in fast allen Bereichen frühindustrieller Produktion in der Schweiz verbreitet, obwohl es weniger eine Arbeitsteilung als vielmehr eine Aufgliederung in Aufgaben der (städtischen oder ländlichen) Heimarbeiter und der (städtischen) Verleger war, wobei Letztere den gesamten Arbeitsprozess bis zum fertigen Produkt koordinierten.

Im 19. Jahrhundert entstanden neue Spezialberufe: Die Funktion des Handelsunternehmers zerfiel in diejenigen des Unternehmers und des Händlers, der die Produkte in Europa und Übersee vertrieb; an die Stelle des Handelsbankiers trat der Privatbankier. Der organisatorische und technische Fortschritt brachte neue Aufgaben in der Planung und Herstellung wie auch im Unterhalt von Produkten mit sich. Die Qualifikationen entwickelten sich nach einer doppelten Logik: neuen Berufen und der Professionalisierung der Arbeiterberufe standen das Verschwinden oder zumindest ein Rückgang der spezialisierten Handwerke mit ihren spezifischen Fähigkeiten gegenüber.

Die technischen Arbeiten zerlegten sich in mehrere Teilprozesse. Mit der Mechanisierung und der Massenproduktion seit dem 19. Jahrhundert wurde das Fabrik-System vorherrschend, das eine zwingendere Arbeitsteilung, verbunden mit einer strengeren hierarchischen Gliederung, mit sich brachte. Diese Form der innerbetrieblichen Spezialisierung hatte zur Folge, dass die Unternehmensleitung zwecks rationeller Betriebsführung die Autonomie und Kompentenzen des einzelnen Arbeiters einschränkte (Entqualifizierung). Die technisch-organisatorische Weiterentwicklung der Arbeitsteilung führte zur "wissenschaftlichen Betriebsführung" (Taylorismus) mit einer straffen Gliederung des Arbeitsprozesses in zeitlich und aufgabenmässig detailliert umschriebene Arbeitsschritte.

Die im ausgehenden 20. Jahrhundert bestehende Tendenz, auf eine an quantitativen Zielen (wie in den 1950er und 1960er Jahren) orientierte Produktion zu verzichten, begünstigte, gefördert durch die Verbreitung von Informationstechnologien (Automatisierung, Robotisierung), eine grössere Vielfalt von Produktionsformen und Unternehmensstrukturen. In verschiedenen Branchen (Textilindustrie, Maschinenbau, diverse Dienstleistungsbereiche) wurde die Arbeit wieder vielgestaltiger (Arbeitsgruppen mit vielfältigen und unterschiedlichen Qualifikationen). Die neuen Informationstechnologien verwischten auch die nach tayloristischen Grundsätzen gestalteten Strukturen.

Die Konzepte der räumlichen und internationalen Arbeitsteilung beschreiben die wirtschaftliche Spezialisierung von Regionen bzw. Ländern auf die standortmässig günstigste Produktion. So wurde zum Beispiel die Textilverarbeitung in den Städten des schweizerischen Mittellands ab dem 14. Jahrhundert durch die Verfügbarkeit der Rohstoffe (Hanf, Flachs, Wolle) und Nahrungsmittel (Getreide, Milchprodukte) ermöglicht, eine Folge der Entwicklung des Ackerbaus im Mittelland sowie der Viehwirtschaft in Voralpen und Alpen. Es handelt sich hier um eine frühe räumliche Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen einem ländlichen Agrarsektor, der sich auf den Verkaufserlös seiner Ertragsüberschüsse stützte, und einem städtischen Gewerbesektor.

Aufgrund der langwährenden starken Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland, bedingt durch eine auf die Nahrungsproduktion bezogene Übervölkerung, wurde die schweizerische Wirtschaft schon früh in eine internationale Arbeitsteilung einbezogen, was wiederum Spezialisierungen im Industrie- und Dienstleistungssektor förderte.

Quellen und Literatur

  • D.S. Landes, L'heure qu'il est, 1987, 293-299 (engl. 1983)
  • R. Wecker, «Von der Langlebigkeit der "Sonderkategorie Frau" auf dem Arbeitsmarkt», in Verflixt und zugenäht!, hg. von M.-L. Barben, E. Ryter, 1988, 45-54
  • E. Ulich et al., Arbeitsform mit Zukunft, 1989
  • U. Witschi, «Die industrielle Arbeitswelt», in Hb. der schweiz. Volkskultur 3, hg. von P. Hugger, 1992, 1099-1124
Weblinks

Zitiervorschlag

Marian Stepczynski; Béatrice Veyrassat: "Arbeitsteilung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.01.2006, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026219/2006-01-23/, konsultiert am 29.03.2024.