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Kirchensteuer

Die Kirchensteuern sind Abgaben, welche die vom Staat dazu befähigten öffentlich-rechtlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften (oder ihre Unterverbände) aufgrund ihrer territorialen Hoheit zur Finanzierung der kirchlichen Aufgaben von ihren Mitgliedern und oft auch von juristischen Personen erheben können (Landeskirchen). Sie sind heute das wichtigste Kirchenfinanzierungsinstrument. Daneben verfügen die Kirchen über weitere Einkünfte, etwa das Kirchenopfer, Gaben von Kirchenmitgliedern oder vereinzelt noch über Gelder aus sogenannten Kultusbudgets. In einigen Kantonen (v.a. Bern, Zürich und Waadt) werden Geistliche aufgrund von historischen Rechtstiteln staatlich finanziert.

Vor der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Kirchgemeinden kannte man in den Kantonen verschiedene Finanzierungssysteme wie die freiwilligen Spenden oder die Kirchenopfer, die jeweils nach fester Gepflogenheit im Gottesdienst für ortskirchliche Bedürfnisse oder für die vom Diözesanbischof angeordneten Kollekten gesammelt wurden. Auch der kirchliche Zehnt war bis ins 19. Jahrhundert eine wesentliche Einnahmequelle. Bis zur Einführung der Steuersysteme bildete das Pfrundsystem (Pfründen) die Grundlage der Pfarrer- und Kirchenfinanzierung. Ab dem 19. Jahrhundert (manchenorts auch schon früher) wurde die Besoldung der Geistlichen durch den Staat finanziert. Die Einwohnergemeinde bezahlte unter anderem eine Entschädigung für das Läuten der Glocken.

Die öffentliche Kirchensteuer stellte ein Privileg dar, das den Kirchen kraft ihrer öffentlich-rechtlichen Anerkennung durch den Staat verliehen wurde. Viele Kantone erhoben die Kirchensteuer ab den 1870er Jahren (Zürich, Bern, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Neuenburg, Genf). So wurde die Kirchensteuer beispielsweise im Kanton Bern durch das Dekret vom 2. Dezember 1876 betreffend Steuern zu Kultuszwecken eingeführt. Vorher musste jede Berner Einwohnergemeinde entsprechend ihrer Bevölkerungszahl an die Kirchgemeinde Beiträge leisten, die sie durch ihre eigenen Steuern aufbringen musste. Eine solche Regelung setzte voraus, dass eine Gemeinde konfessionell einheitlich war. In einzelnen Kantonen erlangten die Kirchgemeinden (und Landeskirchen) erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die öffentlich-rechtliche Anerkennung und damit das Steuerrecht. Noch 1987 wurde im Kanton Wallis ausser in Sitten und fünf weiteren Kirchgemeinden keine Kirchensteuer erhoben.

Die Kirchensteuer berechnet sich in den meisten Kantonen nach dem sogenannten Grundtarif der Kantonssteuer. Der Steuersatz bzw. Steuerfuss wird zum Teil von kirchlichen Instanzen bestimmt, unter anderen von Kirchgemeindeversammlung, Kirchgemeinderat, Synoden oder gemeinsamen Kommissionen der drei anerkannten Kirchen (z.B. Kanton Genf). In Ausnahmefällen (z.B. Kanton Wallis) sind hierfür politische Instanzen zuständig. Fast in jedem Kanton bestehen derzeit andere Kirchensteuersysteme. Rechtliche Grundlage bilden die Steuergesetze oder allenfalls spezielle Kirchensteuergesetze (Bern, Genf). Die Grundsätze der kantonalen Steuern und der Gemeindesteuern gelten auch für die Kirchensteuer, die Rechtsmittel sind analog ausgestaltet. In 24 Kantonen haben die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen (reformiert, katholisch, christkatholisch, in Basel-Stadt und Freiburg zudem die israelitischen Cultusgemeinden) bzw. deren Kirchgemeinden steuerhoheitliche Befugnisse. In einigen Kantonen muss jede Kirchgemeinde obligatorischerweise eine Kirchensteuer erheben, in anderen ist sie fakultativ. Im Kanton Tessin zeigt sich eine besonders heterogene Situation: 166 Gemeinden erhalten Beiträge der politischen Gemeinde, 39 erheben eine Kirchensteuer, 20 haben keine öffentliche Finanzierung, 13 erhalten einen freiwilligen Beitrag der politischen Gemeinden und 8 erheben einen freiwilligen Beitrag der Kirchenmitglieder. Einzig in den Kantonen Neuenburg und Genf ist die Bezahlung der Kirchensteuer freiwillig (aufgrund der weitgehenden Trennung von Kirche und Staat). Insgesamt ist die Kirchenfinanzierungssituation in der deutschsprachigen Schweiz relativ homogen, während sie in der Westschweiz sehr heterogen ist.

Veranlagung und Bezug obliegen zum Teil der Kirchgemeinde, der politischen Gemeinde (so im Kanton Graubünden für natürliche Personen) oder der Staatskasse. In den meisten Kantonen werden Kirchensteuern auch von juristischen Personen erhoben (ausser in den Kantonen Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Genf, Schaffhausen und Waadt).

Quellen und Literatur

  • K. Gareis, Staat und Kirche in der Schweiz, 2 Bde., 1878
  • D. Pache, Les impôts ecclésiastiques, 1981
  • Die Kirchensteuer jurist. Personen in der Schweiz, hg. von L. Carlen, 1988
  • P. Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, 1988, v.a. 347-376
  • D. Kraus, Schweiz. Staatskirchenrecht, 1993, v.a. 113-125, 387-389
  • Die Kirchensteuern, Steuerinformationen der Interkant. Komm. für Steueraufklärung, 1999 (Eidg. Steuerverwaltung, Bern)
  • P. Gardaz, «Les communautés religieuses entre autofinancement et financement étrangers», in Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften nach schweiz. Recht, hg. von R. Pahud de Mortanges, E. Tanner, 2005, 659-677
Weblinks

Zitiervorschlag

Jakob Frey: "Kirchensteuer", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.08.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026203/2007-08-13/, konsultiert am 29.03.2024.