de fr it

Montreux

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Riviera-Pays-d'Enhaut. Die 1962 geschaffene Gemeinde erstreckt sich vom Genfersee bis zu den Voralpen (Rochers-de-Naye) und umfasst die früheren Gemeinden Montreux-Les Planches (bis 1952 Les Planches) und Montreux-Le Châtelard (bis 1952 Le Châtelard), die 1961 die Fusion beschlossen hatten. Mit der Gemeinde Veytaux bildeten sie die Pfarrei bzw. Kirchgemeinde Montreux. Ab 1846 bezeichnete der Name auch den entsprechenden Kreis (vorher Kreis Les Planches). 1215 Mustruel, deutsch früher Muchtern. 1416 200 Haushalte in den drei Gemeinden der Pfarrei; 1453 300; 1764 2103 Einwohner; 1798 2527; 1850 3181; 1900 14'144; 1910 18'800; 1950 17'417; 1960 18'478. 1990 in der Gemeinde Montreux 22'917 Einwohner (ohne die 793 Einwohner von Veytaux, das 1961 die Fusion abgelehnt hatte); 2000 22'454. Damit war Montreux bevölkerungsmässig die drittgrösste Gemeinde des Kantons.

Montreux aus der Vogelschau, Richtung Westen. Fotografie in zwei Teilen von Fred Boissonnas, um 1905 (Privatsammlung, Nachlass Sprintz Koenig, Vevey).
Montreux aus der Vogelschau, Richtung Westen. Fotografie in zwei Teilen von Fred Boissonnas, um 1905 (Privatsammlung, Nachlass Sprintz Koenig, Vevey). […]

Am Fundort Baugy, ab der Spätbronzezeit besiedelt, kamen eine römische Villa (2.-4. Jh.) und ein Gräberfeld (6.-7. Jh.) zum Vorschein. 1295 verkaufte der Bischof von Sitten die Pfarrei Montreux an Girard von Oron. 1317 wurde sie zwischen den Herren von Oron (Le Châtelard) und dem Grafen von Savoyen (Les Planches) aufgeteilt. Unter Berner Herrschaft (1536-1798) gehörte Montreux zur Vogtei Chillon (1735 umbenannt in Vogtei Vevey), 1798-2006 war es Teil des Bezirks Vevey. Eine Bruderschaft vom Heiligen Geist verwaltete die Güter des 1309 erstmals belegten und 1820 aufgehobenen Pfarreispitals sowie das Siechenhaus, das Vevey und Montreux gemeinsam besassen. Die Abtei Les Echarpes blanches wurde 1626 gegründet. Die drei Gemeinden hatten vom 19. Jahrhundert bis 1962 eine Zentralbehörde, den Kreisrat, dem vier Abgeordnete aus Le Châtelard, zwei aus Les Planches und einer aus Veytaux angehörten. Die Kirche, die Markthalle von La Rouvenaz, die Sekundarschule (Gebäude von 1872 und 1897) und die Schlachthäuser (1912) befanden sich in Gemeinbesitz. Jedes Dorf hatte eine eigene Verwaltungskommission (Interessengesellschaft) und einen Ortsvorsteher. Seit 1962 bildet ein siebenköpfiger Stadtrat die Exekutive und ein 100 Mitglieder zählender Gemeinderat die Legislative. In den 1990er Jahren waren die Sozialdemokraten, Liberalen und Freisinnigen die wichtigsten Parteien, gefolgt von den Grünen und den Christdemokraten. Zu den zentralen Problemen dieses Jahrzehnts gehörten die diffizile interkommunale Zusammenarbeit – die Realisierung des Regionalspitals Burier als Ersatz für das Spital von Montreux scheiterte –, die Wirtschaftskrise und die über dem kantonalen Durchschnitt liegende Arbeitslosenquote. Die reformierte Kirche Saint-Vincent (Pfarrei ab 1228 erwähnt) in Les Planches brannte 1476 nieder und wurde nach dem Wiederaufbau 1525 eingeweiht. Die katholische Kirche datiert von 1885, die reformierte Kirche Clarens von 1930. Eine deutschsprachige Kirchgemeinde wurde 1719 gegründet; die freikirchliche Gemeinschaft bestand 1847-1965. Montreux verfügt auch über anglikanische und schottische Kirchen und Kapellen. Eine jüdische Gemeinde bildete sich ab 1917. Die 1927 eröffnete Talmudhochschule (Jeschiwa), die erste in der Schweiz, wurde 1985 nach Jerusalem verlegt.

Plakat für das Jazz Festival 1984, gestaltet von Niki de Saint Phalle (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Plakat für das Jazz Festival 1984, gestaltet von Niki de Saint Phalle (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Haupteinnahmequelle waren zunächst Weinbau sowie Landwirtschaft und Viehzucht im oberen Teil der Pfarrei. Früh unterhielt Montreux über die Pässe Jaman und Chaude (Gemeinde Villeneuve) Beziehungen mit dem Pays-d'Enhaut. Mit den Verbesserungen des Strassennetzes im 17. Jahrhundert breitete sich Montreux zum Seeufer hin aus, später zu den hoch gelegenen Orten Caux und Les Avant. Die mit dem Aufschwung der Hotellerie einhergehende Urbanisierung im 19. Jahrhundert trieb diese Entwicklung weiter voran. 1757 erhielt das Dorf Les Planches ein Marktrecht, doch durfte es den seit 1486 bestehenden Markt von Brent nicht konkurrenzieren. 1746-1751 nahm Bern die Verbauung der Wildbäche und einen Ausbau seines Chausseennetzes vor, was Montreux zu einem Etappenort der Grand Tour machte. Reisende wie Jean-Jacques Rousseau und Lord Byron brachten der Region Ansehen. Das an der Strasse nach Italien gelegene Montreux zeichnete sich durch sein mildes Winterklima aus und wurde zum idealen Kurort für Patienten mit Atemwegserkrankungen. Die romantischen Vorstellungen ansprechende Nähe von See und Bergen machte den Ort zur – so die Fremdenverkehrswerbung ab 1890 – "Riviera", die bei den Reisenden überaus beliebt war. 1892 eröffnete Thomas Cook in Montreux eine Niederlassung seiner Reiseagentur. Die Bahnlinie über den Simplon und die Schaffung einer Schiffsanlegestelle förderten ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Entwicklung zum Tourismusort. 1850 zählte Montreux acht Hotelgebäude, 1900 schon 70. 1902 stiegen 31'473 Gäste in den Hotels ab, 1910 bereits 76'578. Der 1893 mit der Werbung für die Stadt betraute Interessenverband von Montreux initiierte das Narzissenfest (1897-1957). Im Zuge des touristischen Aufschwungs entstanden die Uferpromenade zwischen Chillon und Clarens, die Tramlinie Vevey-Villeneuve (1888) sowie die Standseil- und Bergbahnen, die vom Seeufer auf die nahe gelegenen Berggipfel führen. 1881 baute die Stadt einen Kursaal, der 1901 erweitert wurde und 1971 einem Brand zum Opfer fiel. Die 1868 eröffnete Bank von Montreux machte 1932 Konkurs. Abgesehen von dem eng mit der Hotellerie verbundenen Gewerbe (Modellschreinerei Held, Silberwaren Béard, Séchaud-Schokolade, Druckerei Corbaz) gab es in der Gegend nur wenig Industrie. Die Société romande d'électricité, 1903 aus dem Zusammenschluss zweier Unternehmen hervorgegangen, betrieb das Elektrizitätswerk Taulan. 1915 brach das Hotelgewerbe infolge des Ersten Weltkriegs zusammen und die Hotels dienten – auch noch im Zweiten Weltkrieg – als Unterkünfte für Internierte, Gasverletzte und Flüchtlinge. Die verlassenen Gebäude wurden nach und nach geschlossen, später in Wohnungen umgewandelt oder abgebrochen, um die Modernisierung der Stadt zu ermöglichen. In der Nachkriegszeit trugen das Festival der Goldenen Rose (1961), der Septembre musical (1946) und das Jazz Festival (1967) zur Wiederbelebung des Tourismus bei. Es entstanden die Tour d'ivoire (1969), ein neues Casino (1974) und ein Kongresszentrum (1973) mit dem nach Strawinsky benannten, 1993 vergrösserten Konzertsaal. Die Flurbereinigung in Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn A9 zog die Zerstörung des halben Dorfs Pertit (Châtelard) nach sich. 1989 erhielt die Stadt den Wakker-Preis des Schweizerischen Heimatschutzes für die Restaurierung der Markthalle von 1891. 1936 wurde in Montreux die Meerengen-Konferenz abgehalten, 1937 eine über die Abschaffung der Kapitulationen und die vorgesehene Einstellung der Gemischten Gerichtshöfe in Ägypten. 1996 fanden hier die Verhandlungen zwischen der griechischen und der türkischen Gemeinschaft über die Zukunft Zyperns statt.

Montreux aus der Vogelschau, Richtung Osten. Kolorierte Umrissradierung von Gabriel Lory (Père), um 1790 (Archives communales de Montreux, Clarens).
Montreux aus der Vogelschau, Richtung Osten. Kolorierte Umrissradierung von Gabriel Lory (Père), um 1790 (Archives communales de Montreux, Clarens). […]

Quellen und Literatur

  • R. Koenig, A. Schwab-Courvoisier, Vevey-Montreux photographiés par nos aïeux, 1973
  • J.-L. Mettler, Montreux, 100 ans d'hôtellerie, 1979
  • J. Morel, «Montreux-Baugy VD: la villa romaine», in JbSGUF 71, 1988, 204-208
  • A. Wyssbrod, Typologie des hôtels montreusiens 1830-1914, Liz. Lausanne, 1988
  • «Chronique archéologique», in RHV, 1991, 162-164
  • Vie juive en Suisse, Ausstellungskat., 1992, 129 f.

Zitiervorschlag

Evelyne Lüthi-Graf: "Montreux", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.06.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002617/2017-06-15/, konsultiert am 19.03.2024.