de fr it

RolleGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Nyon. Kleinstadt am Genfersee an der Strasse Genf-Lausanne. 1294 Rotuli, deutsch früher Roll. 1764 1061 Einwohner; 1803 1323; 1850 1398; 1900 2025; 1950 2677; 2000 4235.

Eine spätbronzezeitliche Seeufersiedlung wurde 1835 beim Bau der künstlichen Insel Ile de La Harpe teilweise zerstört; eine zweite aus derselben Epoche wurde in Fleur d'Eau gefunden. In La Combe brachte 1984 eine Ausgrabung einen gallorömischen Gutshof aus dem 1.-3. Jahrhundert zutage. Die Überreste des Grabens und der Ringmauer der Burg Rolle wurden 1985 freigelegt. Mittelalterliche Mauerreste in Champ de Vers könnten zur abgegangenen Ortschaft Saint-Nicolas de Ver gehört haben, deren Mühle aus Urkunden des 13. Jahrhunderts bekannt ist.

Die Stadt in der von einem unbekannten Zeichner gefertigten "Carte d'une partie du Pays de Vaud", um 1650 (Archives cantonales vaudoises, Chavannes-près-Renens, Gc 406/B; Fotografie Rémy Gindroz).
Die Stadt in der von einem unbekannten Zeichner gefertigten "Carte d'une partie du Pays de Vaud", um 1650 (Archives cantonales vaudoises, Chavannes-près-Renens, Gc 406/B; Fotografie Rémy Gindroz). […]

Die dendrochronologisch auf ca. 1264 datierte Burg Rolle diente wahrscheinlich zum Schutz der Schifflände am See. Sie war auf dem Herrschaftsgebiet der Herren de Mont erbaut worden, die hier ab 1261 die Gründung einer Stadt planten, die Aubonne und Saint-Prex konkurrenzieren sollte; der Plan blieb unausgeführt. 1291 befand sich die Burg im Besitz des Grafen Amadeus V. von Savoyen, der sie verschiedenen Geschlechtern als Lehen übertrug. Im Zuge der Rivalitäten zwischen den Grafen von Savoyen und den Herren der Waadt forcierte Amadeus V. von Savoyen 1319 die Gründung der Stadt Rolle und schloss damit die Lücke in den savoyischen Ansiedlungen am nördlichen Genferseeufer. Die Anlage der Stadt – eine grosse, parallel zum Seeufer verlaufende Hauptgasse, die eine Verbindungsgasse zwischen Hafen und Hinterland quert, sowie eine Nebengasse – folgt dem baulichen Muster der Zähringerstädte. In Rolle liessen sich die Bewohner von Saint-Nicolas de Ver nieder, einer möglicherweise gescheiterten Gründung der Herren de Mont. Der neuen Stadt, die von Anfang an mit Palisaden befestigt war, wurde ein Stadtrecht nach dem Vorbild von Moudon verliehen. Als Entschädigung erhielt Jean de Mont das Vizedominat und die Meierei sowie die Hälfte der Feuerstätten und Mühlen. 1366 wurden die Stadtbürger vom Brückenzoll über die Aubonne befreit. 1425 gewährte ihnen der Herzog von Savoyen einen Wochenmarkt, 1484 erhob er die Lehensherrschaft des Stadtherrn zur Freiherrschaft. Das Lehen Le Rosey in der Herrschaft Rolle gehörte bis Mitte des 14. Jahrhunderts den Herren von Vufflens; später ging es in den Besitz der Herren von Avenches und de Praroman über. Die Burg Le Rosey, die Claude d'Alliex, Mitglied des Löffelbunds, verliehen war, wurde 1530 und 1536 von den bernischen Truppen eingeäschert; das gleiche Schicksal war der Burg Rolle beschieden.

Unter Berner Herrschaft (1536-1798) war Rolle Teil der Landvogtei Morges. 1558 erwarb der bernische Welschseckelmeister Hans Steiger, Herr von Mont-le-Grand, die Freiherrschaft Rolle, die bis zur Französischen Revolution im Besitz seiner Nachkommen blieb. Sie umfasste das Städtchen Rolle (ohne das Lehen Les Uttins, das bis ins 18. Jahrhundert der Familie La Harpe gehörte), Tartegnin, Vinzel, Luins, die Hälfte von Essertines-sur-Rolle, einige Häuser in Begnins, die Herrschaft Vincy und Saint-Vincent (Gemeinde Gilly), Bursinel, das 1615 erworbene Schloss Le Rosey, Dully und Le Vaud. Der Gerichtshof setzte sich aus dem Kastlan, seinem Stellvertreter, einem Gerichtsschreiber und zehn Mitgliedern aus Rolle sowie den Dörfern des Gerichtsbezirks zusammen. Ein Zehnerrat verwaltete die Stadt. 1740 kaufte sie sich von einigen Abgaben und Pflichten los.

Rolle, die Vaterstadt von Frédéric-César und Amédée de La Harpe, war Ende des 18. Jahrhunderts ein Zentrum der Revolutionsanhänger; Amédée de La Harpe präsidierte hier am 15. Juli 1791 ein Revolutionsbankett. In der Helvetik 1799 erwarb die Gemeinde das Schloss und nutzte es bis 1974 als Sitz der Verwaltung. 1802 verbrannten die Bourla-Papey im Kampf um die Abschaffung herrschaftlicher Rechtstitel bedeutende Archivteile. 1798-2006 war Rolle Hauptort des gleichnamigen Bezirks.

1347 gab es in der Stadt nur die Kapelle Saint-Sépulcre, die dem zum Kloster Saint-Sépulcre in Annecy gehörenden Spital angegliedert war. Die Bewohner von Rolle besuchten den Gottesdienst in der Pfarrkirche von Perroy. 1520-1529 wurde die Kapelle Saint-Grat erbaut. 1621 folgte der Bau des Pfarrhauses und die Gründung einer eigenen Kirchgemeinde. Das heutige Gotteshaus datiert von 1789-1790. Im 17. Jahrhundert fanden viele Hugenotten in Rolle Zuflucht; 1688 gründeten sie eine Stiftung für französische Glaubensflüchtlinge (Bourse française). Die katholische Kirche Saint-Joseph wurde 1843 gebaut. Im Mittelalter befand sich ein Siechenhaus bei Saint-Nicolas de Ver; 1579 wurde es neu errichtet. Das 1861 erstellte und 1898 erweiterte Krankenhaus wurde 1935 durch das heutige Spital ersetzt (seit 1999 Groupement hospitalier de l'Ouest lémanique SA).

Ab dem Mittelalter wurden die Lehmvorkommen in Rolle für die Ziegelei von Le Rosey (1450-1905) und die Schlossziegelei (1690) genutzt. 1720-1830 lockten Heilquellen mit eisenhaltigem Wasser Genfer Kurgäste an. Im 18. und 19. Jahrhundert lag der wirtschaftliche Schwerpunkt neben der Uhrmacherei auf dem Hafenbetrieb. In der 1768 errichteten Markthalle wurden die auf dem See transportierten Güter wie Holz, Ziegel, Wein, Käse und Baumaterial gelagert. Die 1835-1841 aufgeschüttete Ile de La Harpe schützte den Hafen vor Erosion. Mit dem Bau des Bahnhofs 1858 verlagerte sich das wirtschaftliche Zentrum. Hafenquais (1818, 1835, 1967), eine Schiffsstation (1857), die Société nautique rolloise (1880) sowie ein Bootshafen (1943, 1964) erweiterten die städtische Infrastruktur. 1898-1938 verkehrte eine elektrische Strassenbahn zwischen Rolle und Gimel. 1964 wurde die Autobahn A1 Genf-Lausanne eröffnet. Zur wirtschaftlichen Entwicklung von Rolle trugen zahlreiche Produktionsbetriebe (Teigwaren, Präzisionsinstrumente) bei, während der Weinbau zurückging, aber dennoch weiterbestand (2000 8 Betriebe). 1880 gründete die Familie Carnal zwei internationale private Internatsschulen, La Combe für Mädchen und Le Rosey für Knaben, die 1975 zum Institut Le Rosey fusionierten (2008 380 Schüler). Rolle, das ein starkes Bevölkerungswachstum verzeichnete und sich zur Wohngemeinde entwickelt hatte, positionierte sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts als neues Wirtschaftszentrum in der Nähe von Genf, vor allem dank dem Rolle Business Center in Les Uttins und dem A-One Business Center, in denen lokale Unternehmen (Deppeler Zahnarztinstrumente, Nidecker Snowboards, Schenk Weinhandel) und internationale Firmen (Cadbury, Schweppes, Nissan, Yahoo) unter einem Dach vereinigt sind.

Quellen und Literatur

  • P. Farner et al., Rolle, 2007
  • P. Bissegger, «Une opération coup de poing sur La Côte: la fondation de Rolle en 1319», in Petit précis patrimonial, hg. von D. Lüthi, N. Bock, 2008, 167-179
Von der Redaktion ergänzt
  • Bissegger, Paul: Rolle et son district, 2012, S. 258-377 (Les monuments d’art et d’histoire du canton de Vaud, 7).
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Germain Hausmann: "Rolle (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.01.2013, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002606/2013-01-14/, konsultiert am 11.04.2024.