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Gült

Die Gült (mittelhochdeutsch für Schuld, Rente, Zins) war die im spätmittelalterlichen Europa entstandene Form des Grundpfands, bei der nicht der Schuldner persönlich, sondern ausschliesslich das belastete Grundstück haftbar ist. Entwicklungsgeschichtlich und sachlich war die Gült mit dem Grundpfandrecht verwandt und als sekundäre Belastung auch mit der Rente, was im italienischen (rendita fondiaria) und französischen Begriff (lettre de rente) erkennbar wird. In der Praxis kaufte der Gläubiger vom Grundstücksinhaber eine Rente (Zins), die als Grundlast auf dessen Grundstück lag und in einem Schuldtitel, dem Gültbrief, verschrieben wurde. Da der Rentenkauf nicht als Darlehen galt, liess sich mit der Gült das kirchliche Zinsverbot (Wucher) umgehen. Die Gült war in der Regel einseitig nur durch den Schuldner ablösbar, nicht aber durch den Gläubiger (ewige Gült), der jedoch mit Gülten wie mit Werttiteln handeln, sie verpfänden, verkaufen und vererben konnte. Es gab aber auch beidseitig kündbare, sogenannte ablösliche Gülten.

Vom 16. Jahrhundert an regelten die Landesobrigkeiten im Kampf gegen Betrug und Wucher den privaten Gültenmarkt, allerdings je nach Stand unterschiedlich konsequent. Insbesondere Stadtstaaten machten die Aufnahme eines Gültkredits von einer amtlichen Bewilligung abhängig. Sie verlangten die amtliche Ausstellung von Gültbriefen durch Notare oder vor Gericht und/oder deren Eintragung in ein öffentliches Gültregister, was sich gegen nichtamtliche, unter anderem von Schulmeistern aufgesetzte Gültbriefe richtete. Es wurde zudem obligatorisch, bei einer Neuverschuldung die älteren Grundstücksbelastungen anzugeben. Auf obrigkeitliche Verbote der Naturalzinse setzten sich im 16. Jahrhundert Geldzinse bei einem üblichen Zinsfuss von 5% durch. Der Sicherung der Geldanlage bzw. des Gläubigers diente unter anderem die erschwerte Ablösung nur durch Eigenmittel in bar (keine Kredite).

Anders als in Deutschland, wo die Gült ab dem 17. Jahrhundert an Bedeutung verlor, war sie vor allem in der Deutschschweiz noch im 19. Jahrhundert die meist verbreitete Form des privaten Bodenkredits. Das Grundpfandrecht, nun Sache der Kantone, blieb hinsichtlich des Gültrechts vielfältig, zum Beispiel was die Ablösbarkeit betraf: Es gab einseitig nur durch den Schuldner kündbare Verhältnisse (Uri, Schwyz, Nidwalden, beide Appenzell, Freiburg, Waadt), beidseitig kündbare mit Einschränkungen (z.B. Luzern, Zug, Obwalden, Bern) oder ohne Einschränkungen. In Kantonen mit staatlichen Hypothekarkassen, zum Beispiel Bern ab 1846, wurde die Gült mit erlaubter Kreditablösung noch vor 1900 verdrängt. Dennoch wurde sie neben der Grundpfandverschreibung (Hypothek) und dem Schuldbrief, bei dem der Schuldner persönlich haftet, als dritte Grundpfandart im schweizerischen Zivilgesetzbuch (Artikel 847-853 ZGB) verankert. Alte Gülten blieben im Umlauf, in der Innerschweiz die sogenannte altrechtliche Truckligült vor 1912 und in Appenzell Innerrhoden der Zettel, wogegen die normierte Gült nach ZGB wegen langer Ablösungsfristen und teuren Schatzungsverfahrens zu Ende des 20. Jahrhunderts kaum mehr errichtet wurde.

Quellen und Literatur

  • E. Huber, System und Gesch. des Schweiz. Privatrechts 3, 1889; 4, 1893
  • H. Rennefahrt, Grundzüge der bern. Rechtsgesch. 4, 1936
  • G. Eggen, «Die Verbreitung von Grundlast und Gült», in Schweiz. Juristenztg. 63, 1963, 285-290
  • HRG 1, 1852-1856
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Gült", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.03.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025980/2007-03-13/, konsultiert am 19.03.2024.