de fr it

Jungparteien

Unter Jungparteien versteht man die an eine politische Partei mehr oder weniger fest angebundene Organisation für jüngere Parteimitglieder oder -sympathisanten. Dabei beschränkt sich die Mitgliedschaft nicht auf Jugendliche (Jugend), sondern umfasst in der Regel Personen bis zum 35. Altersjahr. Jungparteien bekennen sich zu den Grundzielen der Mutterpartei, geniessen aber eine gewisse Unabhängigkeit. In den Entscheidungsgremien der Mutterpartei sind sie mit Delegierten vertreten und erhalten oft auch Einsitz im Leitungsausschuss.

Jungparteien waren in der Schweiz entweder primär Erneuerungsbewegungen für die Mutterpartei mit entsprechenden Auseinandersetzungen (Jungfreisinn, Jungsozialisten, Jungbauern) oder aber ein von der Mutterpartei bewusst eingesetztes Instrument für die Rekrutierung und Schulung des Nachwuchses (Junge CVP und Junge SVP). Nachdem die Jungparteien ab 1930 sehr erfolgreich neue Mitglieder geworben hatten, verloren sie nach dem Krieg rasch an Attraktivität. Der Anspruch der politischen Einflussnahme auf die Mutterpartei erlosch, und die Aktivitäten beschränkten sich auf die Beteiligung an den diversen kantonalen und lokalen Jugendparlamenten (Jugendpolitik). Erst die Politisierung ab Ende der 1960er Jahre führte zu einer eigenständigen Rolle der Jungparteien zurück (Jugendunruhen). Wegen der Konkurrenz durch neue linke Parteien sowie des Aufkommens neuer themenorientierter Bewegungen (Umwelt, Frauen, Dritte Welt usw.) konnten sie aber ihre frühere Bedeutung nicht mehr zurückerlangen.

Eine Sitzung der Zürcher und der Westschweizer Delegation der sozialdemokratischen Jugendorganisation der Schweiz (SJO) auf dem Zürichsee. Fotografie, 1916 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F 5008-Fa-065).
Eine Sitzung der Zürcher und der Westschweizer Delegation der sozialdemokratischen Jugendorganisation der Schweiz (SJO) auf dem Zürichsee. Fotografie, 1916 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich, F 5008-Fa-065). […]

Die Jungsozialisten (Juso) entstanden aus lokalen, zwar sozialistisch ausgerichteten, aber hauptsächlich auf Freizeitaktivitäten beschränkten Jugendorganisationen, die sich 1906 im Verband schweizerischer Jungburschenvereine konstituierten. Dieser war anarchistisch und zunehmend auch pazifistisch geprägt und wurde unter der Führung von Willi Münzenberg in die Mutterpartei integriert sowie 1911 in Sozialdemokratische Jugendorganisation der Schweiz umbenannt. Ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der SPS führten nach dem Ersten Weltkrieg zur Abspaltung der Kommunistischen Partei (1921), welcher sich die sozialistische Jugendpartei anschloss. Erst ab 1926 verfügte die SPS mit der Gründung der Sozialistischen Jugend der Schweiz wieder über eine nationale Jugendpartei. Kritik an der sich vom Prinzip des Klassenkampfs allmählich distanzierenden Mutterpartei führte rasch zu Disziplinierungsmassnahmen durch die SPS und auch diesmal wieder zu einem Anschluss der Jungpartei an die kommunistische Bewegung (Léon Nicoles Fédération socialiste suisse). Die 1961 unter dem Namen Vereinigung Junger Sozialdemokraten (VJS) erfolgte Neugründung verstand sich weitgehend als Nachwuchs- und Rekrutierungsorganisation und entwickelte kaum Aktivitäten. Erst die politische Radikalisierung der späten 1960er Jahre brachte eine Neubelebung und Bestrebungen, auf die politische Ausrichtung der SPS einzuwirken. Gegen aussen wurde dies 1971 mit der Liquidation der VJS und der Gründung der Schweizerischen Jungsozialisten (seit 1991 JungsozialistInnen Schweiz) manifestiert.

Nachdem bereits im 19. Jahrhundert lokale und regionale Gruppierungen das Prädikat jung vor dem Namen Liberal, Radikal, Demokratisch oder Freisinnig geführt hatten, kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts – meist als interne Opposition zu den etablierten freisinnigen Kantonalparteien – zur Gründung einer Reihe von Jungfreisinnigen Parteien. Diese waren als Sektionen in die nationale FDP integriert. Zwischen 1905 und 1909 sowie zwischen 1916 und 1920 konnte die Schweizerische Jungfreisinnige Vereinigung auf nationaler Ebene einen bescheidenen Einfluss ausüben. Die 1928 ins Leben gerufene nationale Organisation der Liberalen Jugend der Schweiz (später Jungliberale Bewegung der Schweiz) wuchs allerdings nicht aus diesen jungfreisinnigen Parteien heraus, sondern verstand sich als eigenständige Erneuerungsbewegung für das liberale Gedankengut. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich dieser Bewegung mehrere der älteren kantonalen jungfreisinnigen Parteien an. Die Bewegung nannte sich nun Jungfreisinnige Schweiz.

Auf der Grundlage der katholischen Jugendbewegung entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts lokale und kantonale politische Jungmännervereine. Nach Wahlniederlagen der Katholisch-Konservativen nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese auf Initiative des Parteisekretärs Paul Kubick gezielt gestärkt und ausgebaut. 1931 erfolgte unter dem Namen Bund der Schweizer Jungkonservativen ihr Zusammenschluss zu einer nationalen, fest in die Mutterpartei integrierten Jungpartei. Abgesehen von Spannungen in den 1930er Jahren, als sich die Jungpartei im Rahmen der Erneuerungsbewegungen für eine Totalrevision der Bundesverfassung einsetzte, blieb das Verhältnis zur Mutterpartei eng und ungetrübt. Analog zu deren Namenswechsel erfolgte 1971 die Umbenennung in Junge CVP.

Die Jungbauern (Bauernheimatbewegung), die sich der Schulung der bäuerlichen Jugend verschrieben hatten, entfernten sich in den 1930er Jahren von der Politik der BGB und bildeten eine eigene Bewegung, die sich ab 1940 zunehmend isolierte. 1968 entstand eine damals Junge Mitte genannte Junge SVP aus dem Zusammenschluss von in kantonalen Jugendparlamenten aktiven Parteifraktionen der BGB. Noch stärker als die Junge CVP war sie nicht einer Parteierneuerung, sondern der Nachwuchsschulung und -rekrutierung verpflichtet.

Quellen und Literatur

  • P. Gilg, Jugendl. Drängen in der schweiz. Politik, 1974
  • E. Gruner, Die Parteien in der Schweiz, 21977, 252-265
  • A. Gebert, Jungliberale Bewegung der Schweiz 1928-1938, 1981
  • U. Kälin, A. Frei Berthoud, "Leben heisst kämpfen": Bilder zur Gesch. der Sozialist. Arbeiterjugend Zürich, 1926-1940, 2001
  • M. Eggel, "D' Juunge wellent's wisse!": Jungparteiengründungen im Oberwallis im 20. Jh., Liz. Bern, 2007
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Jugendparteien, Jungburschen, Junge CVP (JCVP), Jungfreisinnige, Jungkonservative, Jungsozialisten

Zitiervorschlag

Hans Hirter: "Jungparteien", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.06.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025756/2012-06-13/, konsultiert am 29.03.2024.