de fr it

AkademienWissenschaften

Die Bezeichnung Akademie leitet sich von Platons Athener Philosophenschule (um 385 v.Chr.) her. Die ersten modernen Akademien der Wissenschaften wurden im humanistischen Italien des 15.-16. Jahrhunderts gegründet, die meisten andern entstanden seit dem 17. Jahrhundert (z.B. Académie française, Paris 1635; The Royal Society, London 1660; Preussische Akademie der Wissenschaften, Berlin 1700). Sie wandelten sich mit Unterstützung der Fürsten bzw. deren Nachfolgestaaten zu staatlichen Institutionen und werden bis heute staatlich finanziert.

In der Schweiz verhinderten das Fehlen einer zentralstaatlichen Instanz und Zurückhaltung gegenüber fürstlich-repräsentativen Anstalten den Aufbau einer modernen Akademie. Die Akademien in der Schweiz beruhen auf andern Traditionen: Die im 16. Jahrhundert geschaffenen Ausbildungsstätten für Pfarrer in Zürich, Bern, Lausanne und Genf, im 18. Jahrhundert als Akademien betitelt, wurden im 19. Jahrhundert zu Universitäten. Die heutigen Akademien der Schweiz aber haben ihre Wurzeln zum Teil im Vereinswesen. So entstand 1815 die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft (SNG) als gesamtschweizerischer Zusammenschluss von Wissenschaftern. Sie entwickelte sich zur Dachorganisation für die Fachgesellschaften ihres Wissenschaftsbereichs. Die Schweizerische Geisteswissenschaftliche Gesellschaft (SGG) wurde 1946 direkt als Dachorganisation ins Leben gerufen. Die 1943 gegründete Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) ist eine Stiftung der medizinischen und veterinärmedizinischen Fakultäten und der Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH).

Der Wandel in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik seit Ende der 1960er Jahre mit wachsendem Engagement des Bundes wirkte sich auch auf die Akademien aus: Seit 1983 umschreibt das Bundesgesetz über die Forschung (FG) deren Aufgaben und Zielsetzungen. Zugleich erfolgte 1985 die Umbenennung der SGG in Schweizerische Akademie der Geisteswissenschaften bzw. 1990 in Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) und der SNG 1988 in Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften (SANW); 1981 entstand als jüngste die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW). In wesentlichen Zügen den – selbst wieder unterschiedlichen – Akademien im Ausland vergleichbar, besitzen die schweizerischen Akademien doch ihre unverwechselbare Form; so erfüllen sie beispielsweise viele Aufgaben in Kommissionen und Arbeitsgruppen im Milizsystem. SAGW, SANW und SATW unterstützen als Dachvereinigungen die wissenschaftliche Tätigkeit ihrer Fachgesellschaften nunmehr mit Bundesmitteln; die SAMW bietet seit je ihre Dienste vor allem den Medizinerinnen und Medizinern in Wissenschaft und Praxis an.

Die Idee einer einzigen Schweizerischen Akademie mit den Abteilungen "Wissenschaft", "Kunst" sowie "Volk und Staat" propagierte erstmals der Schriftsteller Robert Faesi 1933-1934 und stiess mit dieser bei der SNG auf Ablehnung. 1943 wurde die Idee erneut diskutiert, diesmal von Exponenten der grossen Wissenschaftsbereiche. Man hegte die Vorstellung einer umfassenden Dachorganisation in Form eines Nationalfonds. SAGW, SAMW und SANW waren 1952 dann auch die wichtigsten Stifterinnen des Schweizerischen Nationalfonds. Um 1970 arbeitete Augustin Lombard, Präsident der SNG, ein Konzept für eine Schweizerische Akademie aus mit den bestehenden Akademien als Klassen. Es blieb Makulatur, weil es demokratisch-föderalistischer Haltung zu widersprechen schien. Schliesslich schlossen sich SAGW, SAMW und SANW 1981 zur Konferenz der schweizerischen wissenschaftlichen Akademien (CASS) zusammen, später auch mit Beteiligung der SATW, zwecks Mitarbeit in der European Science Foundation (ESF). Im Jahr 2000 wurde die Zusammenarbeit der Akademien gefestigt und neu ausgerichtet. Mit den Statuten wurde auch der Name geändert in Rat der schweizerischen wissenschaftlichen Akademien. Der CASS ist zum wissenschaftspolitischen Organ geworden; er versteht sich als Stimme und Gewissen der wissenschaftlichen Gemeinde und stellt transdiziplinäre Projekte in den Vordergrund. Nach wie vor ist der CASS Ansprechpartner sowohl nationaler wie insbesonders ausländischer und internationaler Organisationen, darunter die ESF sowie die ALLEA, der Zusammenschluss sämtlicher europäischer Akademien.

Quellen und Literatur

  • P. Erkelenz, Der Akademiegedanke im Wandel der Zeiten, 1968
  • G. Kanthak, Der Akademiegedanke zwischen utop. Entwurf und barocker Projektmacherei, 1987 (mit Bibl.)
  • The World of Learning, 512001
Weblinks

Zitiervorschlag

Beat Sitter-Liver: "Akademien (Wissenschaften)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.07.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/025746/2016-07-28/, konsultiert am 29.03.2024.