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Rekrutierung

Aushebung

Der Begriff Rekrutierung bezeichnet die Gewinnung von Personal für die Armee und bezieht sich auf die militärische Eignungs- bzw. Tauglichkeitsabklärung, die in der Schweiz häufig Aushebung genannt wird. Unter dem Aspekt der Verpflichtung wird unterschieden zwischen Wehrpflichtigen- und Freiwilligensystemen, unter dem Aspekt des Bereitschaftsgrads zwischen Präsenz- und Mobilmachungssystemen.

Für ihren Eigenbedarf an Militärpersonal setzten die Orte der Alten Eidgenossenschaft überwiegend auf das Prinzip der Verpflichtung (Dienstpflichtformen) bei gleichzeitig geringem Präsenzgrad der rekrutierten Truppen (Militärwesen). Für die fremden Dienste sowie für permanente Standeskompanien wurden Freiwillige angeworben. Bis zur Verfassung von 1874 vollzog sich die Alimentierung der eidgenössischen Truppen im Rahmen einer korporativen Wehrpflicht: Die Orte bzw. Kantone hatten ein auf Basis der Bevölkerungsgrösse bestimmtes Truppenkontingent zu stellen. Dabei kam eine erhebliche Vielfalt an Kriterien für die Rekrutierung nach Grad und Dauer der Verpflichtung, nach Freistellungsgründen (Alter, Besitz, Beruf) sowie nach den Auswahlmethoden (Los, Freikauf, Stellen eines Ersatzmanns) und der Tauglichkeitsabklärung zur Anwendung.

Eine individuelle, alle männlichen Schweizer Bürger betreffende Stellungs- und Militärdienstleistungspflicht besteht in der Schweiz erst seit 1874 (Wehrpflicht). Sie wird ergänzt durch eine individuelle Ersatzpflicht bei Untauglichkeit, den sogenannten Militärpflichtersatz. Die Schweiz stellt international einen Sonderfall dar, weil das militärische Kader mehrheitlich aus Milizangehörigen rekrutiert wird. Diese leisten mehr als die Minimaldienstpflicht und können notfalls mittels gesetzlichem Zwang zum Dienst verpflichtet werden. Die schweizerische Tradition der Rekrutierung von Eliten für Neben- und Ehrenämter wirkte über das Militär hinaus identitätsstiftend für die politische Kultur des Landes. Als Folge des hohen Beteiligungsgrads der aristokratischen und bürgerlichen Elite beim Milizkader und dank der hohen Präsenz des Militärs im Alltag der Schweizer erlangte das Wehrwesen vor allem im 20. Jahrhundert eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Dies belegen unter anderem die Feierlichkeiten am Aushebungstag, die in ländlichen Gegenden noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts üblich waren und für die Rekruten einem Übergangsritus ins Erwachsenenalter gleichkamen. So wurde erst 1992 ein ziviler Ersatzdienst für Dienstverweigerer eingerichtet, und auch die anhaltende Debatte über die allfällige Ausweitung der Militärdienstpflicht für Männer zu einer allgemeinen Dienstpflicht ist eine Folge dieser Haltung.

Bis 2003 beschränkte sich die Rekrutierung auf eine eintägige Aushebung. Hauptkriterien bildeten die physische und sportliche Leistungsfähigkeit. Bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel (u.a. veränderte Einstellung zur Armee, Rückgang der manuellen Berufe, Zunahme psychosozialer Ausfallgründe) vervielfachte sich die Zahl der Ausgemusterten, während gleichzeitig die Anforderungen (schulische und berufliche Qualifikationen, Spezialkenntnisse) an die Rekruten stiegen. Die mit der Armee XXI 2004 eingeführte, mehrtägige Rekrutierung in eigenen Rekrutierungszentren trug diesem Wandel Rechnung. Seither werden mithilfe neuer Testverfahren die psychische Diensttauglichkeit abgeklärt, das Kaderpotenzial erfasst und die Funktionszuteilung vorgenommen. Bei bedingter militärischer Tauglichkeit erfolgt während der militärischen Rekrutierung die Einteilung in den Zivilschutz. Tauglichkeit ist auch die Voraussetzung für die Zulassung zum Zivildienst von anderthalbfacher Dauer des verweigerten Militärdiensts. Frauen, die sich freiwillig zum Militärdienst melden, unterziehen sich derselben Tauglichkeitsabklärung (Militärischer Frauendienst).

Quellen und Literatur

  • Schweizer Armee, 1979-
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Werbung (militärisch)

Zitiervorschlag

Hans Rudolf Fuhrer; Karl W. Haltiner: "Rekrutierung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.12.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024637/2011-12-23/, konsultiert am 17.04.2024.