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Freischaren

Freischaren waren militärische Verbände, die ohne oder gegen den Willen der Obrigkeiten entstanden und zu kriegerischen Unternehmungen aufbrachen. Sie bildeten sich entweder spontan – oftmals anlässlich von Zusammenkünften (Fasnacht, Kirchweih) – oder wurden von einzelnen Personen organisiert. Die Quellen sprechen von «Blutharsten», «Freiharsten», «Freiheiten». Die Kriegszüge der Freischaren sind abzugrenzen von Fehden und ländlichen Unruhen; verwandt sind sie hingegen mit den freien Reisläuferzügen (Fremde Dienste).

Erscheinungsformen

Ein bewaffneter Haufen von Eidgenossen (unter einem blauen Banner mit weissem Kreuz) nimmt am 18. März 1460 an einem Kriegszug gegen den Abt von Kempten teil. Illustration von 1513 aus der Luzerner Chronik von Diebold Schilling (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern).
Ein bewaffneter Haufen von Eidgenossen (unter einem blauen Banner mit weissem Kreuz) nimmt am 18. März 1460 an einem Kriegszug gegen den Abt von Kempten teil. Illustration von 1513 aus der Luzerner Chronik von Diebold Schilling (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern).

Freischaren waren schon im Morgartenkrieg von 1315 beteiligt. Im späten 14. Jahrhundert waren sie so stark verbreitet, dass Kriege (z.B. gegen die Gugler 1375) nur teilweise mit obrigkeitlichem Aufgebot bestritten wurden. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts führten Freischaren eigenständig Kriegszüge durch (1457 Hegau, 1458 Konstanz, 1460 Kempten, 1475 Pontarlier, 1477 Saubannerzug). Nach der Schlacht von Marignano 1515 kam es nur noch selten zur Bildung von Freischaren. Ihre Tradition lebte jedoch zum Beispiel in den Bündner Wirren 1603-1652 weiter und kam in den Freischarenzügen von 1844-1845 und in den Aufbrüchen zugunsten einer Angliederung Hochsavoyens an die Schweiz 1860 ein letztes Mal zum Tragen.

Freischaren hatten unterschiedliche Ziele und Organisationsformen. Manche Freischärler wollten mit ihren kriegerischen Unternehmungen einzig das Landrecht erhalten oder – nach einer Ächtung – wieder erlangen. Andere versuchten, territoriale oder politische Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen (z.B. Eschental 1425, Pontarlier 1475, Freischarenzüge 1844-1845). Motiviert wurden die Freischärler schliesslich auch durch das Beutemachen. Freischaren zogen entweder in lockerer Verbindung mit offiziellen Truppen aus oder führten Kriegszüge auf eigene Initiative. Manche Freischaren waren sehr klein, öfters jedoch handelte es sich um grössere Verbände – im Zug nach Dijon 1513 marschierten etwa 14'000 Freischärler –, die eigene Hauptleute wählten und sich ein Banner gaben (Dijonerzug).

Bedeutung

Freischaren haben ihren Platz in der Zeit des noch nicht gefestigten Gewaltmonopols und konkurrierten demnach mit der staatlichen Obrigkeit. Durch ihre mutwilligen Auszüge zogen sie im Spätmittelalter mehrmals einzelne Orte, bisweilen die ganze Eidgenossenschaft in Kriege hinein (1425 Eschental, 1460 Thurgau, 1475 Burgunderkriege, 1499 Schwabenkrieg). Freischaren sind zudem Teil einer Kriegsform, in der Mitentscheidung des Einzelnen in der sogenannten Kriegsgemeinde sowie kollektive Führungsstrukturen im Feld selbstverständlich waren (Kriegführung). Das Freischarenwesen führte – zusammen mit dem Reislaufen – zu einem Berufskriegertum, das in manchen Schlachten die Entscheidung herbeiführte. Einzelne Freischarenführer stiegen in politische Ämter auf (Heini Wolleb in Ursern, Andreas von Beroldingen in Uri).

Dagegen versuchten die Bundesbriefe, private Gewalt zu überwinden und für die Bereinigung von Konflikten den Rechtsweg durchzusetzen. Die Tagsatzung kämpfte fast permanent gegen die Freischaren an. Der Pfaffenbrief 1370 und der Sempacherbrief 1393 verurteilten die eigenmächtige Anwendung von Gewalt und das Aufwiegeln dazu. Die Bemühungen fruchteten zunächst wenig; Freischaren wurden nach den Burgunderkriegen 1474-1476 für die Eidgenossenschaft zu einer ernsten Bedrohung, die 1481 mit dem Stanser Verkommnis mühsam eingedämmt wurde. Deshalb versuchten die eidgenössischen Orte, die Freischaren in die obrigkeitliche Politik zu integrieren und ihnen einen Hauptmann und eine offizielle Fahne zu geben. Mit der Festigung des Gewaltmonopols, dem Ausbau und der Straffung des Militärwesens in den eidgenössischen Orten und der Durchsetzung der allgemeinen Wehrpflicht verschwanden die Freischaren.

Quellen und Literatur

  • Schweizer Kriegsgesch., 3 Tl., 1915-35
  • W. Schaufelberger, Der Alte Schweizer und sein Krieg, 21966
  • E. Walder, Das Stanser Verkommnis, 1994
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans Stadler: "Freischaren", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.08.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024629/2010-08-26/, konsultiert am 28.03.2024.