de fr it

Pully

Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Lavaux-Oron, die sich vom Genfersee bis zum Jorat (Monts-de-Pully, 806 m) erstreckt und die Ortsteile Chamblandes, La Perraudettaz, Port, Rochettaz und La Rosiaz umfasst. 994 Pulliacum. 1764 626 Einwohner (141 Feuerstätten); 1798 818; 1850 1113; 1900 2339; 1950 6989; 1960 12'505; 2000 16'034.

Urgeschichte und Antike

1826 wurde bei Pierra-Portay ein neolithisches Gräberfeld mit rund 30 Bestattungen freigelegt. Von den Funden dieser Grabung sind einzig eine Silexklinge und eine Specksteinscherbe erhalten. In der Nähe von Pierra-Portay, entlang des Chemin de Chamblandes, untersuchte 1901-1910 Albert Naef 23 Gräber, die zu einer ähnlichen, zwischen 1880 und 1993 sporadisch archäologisch erfassten Anlage gehören. Die dortigen Gräber bestanden aus rechteckigen, aus je vier senkrechten Steinplatten zusammengesetzten Kästen von 1 m Länge, die durch eine fünfte Platte als Deckel abgeschlossenen waren. Die Toten waren darin auf der linken Seite liegend mit bis zum Brustkorb angezogenen Beinen und nach Osten ausgerichtetem Kopf bestattet worden. Diese sowohl für Einzel- wie auch für Mehrfachbestattungen genutzte Grabform wird seitdem als Steinkistengrab des Typs Chamblandes bezeichnet. Bis heute wurde im Gräberfeld von Chamblandes, das sich über eine Länge von rund 100 m erstreckt, 76 Gräber und über 100 Skelette gefunden. Der Friedhof aus dem mittleren Neolithikum (4300-3900 v.Chr.) enthielt als Grabbeigaben Ocker, diverse Gebrauchsgegenstände (geschliffene Steinaxt) und Schmuck (Wildschweinstosszähne, Anhänger aus Muscheln, Korallen- und Lignitperlen). Zwei Halsringe, eine Nadel, eine Dolch- und eine Löffelbeilklinge aus Bronze werden einem Grab aus der beginnenden Bronzezeit zugeschrieben. Ein 1992 entdecktes Brandgrab datiert aus der Spätbronzezeit.

In den 1970er Jahren kamen bei Arbeiten am Fuss der Terrasse des Le Prieuré genannten Gebäudes die Eckmauern einer grossen römischen Villa aus der Zeit zwischen der zweiten Hälfte des 1. und dem 4. Jahrhundert zum Vorschein. Die dazugehörende kleine Thermalanlage, ein monumentales Wasserbecken und mehrere Mauern waren schon von früheren Grabungen her bekannt. Das Herzstück des Ostflügels der Villa bildet ein mehrstöckiger, halbkreisförmiger Pavillon. Der untere Saal ist mit in situ erhaltenen Wandmalereien geschmückt, die ein Wagenrennen darstellen und aus dem ersten Viertel des 2. Jahrhunderts datieren. Fundstücke aus dem 4. und 5. Jahrhundert belegen, dass die Stätte auch während der Spätantike zumindest teilweise besiedelt war. Zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert wurden die Thermen in eine christliche Grabkirche (zahlreiche Bestattungen) umgewandelt. Nachfolgebauten wurden in karolingischer und romanischer Zeit erstellt. Bei Les Désertes ist ein Friedhof aus dem Frühmittelalter (5.-7. Jh.) nachgewiesen.

Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert

Kirche und Pfarrhaus Pully von Südosten. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, 1826 (Musée historique de Lausanne).
Kirche und Pfarrhaus Pully von Südosten. Kolorierte Aquatinta von Samuel Weibel, 1826 (Musée historique de Lausanne). […]

Im 10. Jahrhundert schenkte die burgundische Königsfamilie dem Priorat Payerne Felder und Rebberge in Pully, die es bis 1536 behielt. 1079 bekam Bischof Burkhard von Oltigen vom Kaiser Güter, die bisher Rudolf von Schwaben gehört hatten. Von da an besassen die Bischöfe von Lausanne die Gerichtsbarkeit über Pully. Die Kastvogtei hatten zuerst die Herren von Faucigny inne, dann bis 1276 die de Thoire-Villars. Zwei Amtleute, der Weibel und der Truchsess, waren für das Gerichtswesen zuständig. Die Grafen von Genf, dann die Genf-Lullin, die bis 1536 den Truchsessen stellten, waren faktisch Mitherren von Pully. Auch andere weltliche und geistliche Herren verfügten in Pully über Besitz. Bis 1555 war der Graf von Greyerz einer der grössten Grundbesitzer. 1509 vermittelten Bern und Freiburg zwischen ihm und den Leuten von Pully. Der Bischof erhob im Hafen eine Gebühr, die später von Bern eingezogen wurde. Die Markthallen wurden bis mindestens 1558 genutzt. Die Herrschaft Pully ging 1536 an Bern und an die Stadt Lausanne über; Letztere verzichtete 1717 auf ihre Rechte. Das Gebäude Le Prieuré, ursprünglich ein Hof des Priorats Payerne (Weinpresse aus dem 14. Jh.), diente den Bernern als Rebhaus und Weinkeller. Die Gemeinde ist ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert fassbar und erhielt 1368 ihre Satzung (plaict général). Sie wurde bis 1719 von einem Zwölfer-, dann von einem Elferrat verwaltet, den ein Bannerherr präsidierte. 1536-1798 gehörte Pully zur Vogtei Lausanne, 1798-2006 bildete es einen Kreis des Bezirks Lausanne.

Die vielleicht St. Mauritius geweihte Pfarrkirche aus dem 9. Jahrhundert wurde vom 14. bis 16. Jahrhundert neu erstellt und St. Germann geweiht. Sie brannte 2001 ab und wurde 2004 wieder aufgebaut. Nach der Reformation umfasste die Kirchgemeinde auch Paudex und die Filiale Belmont, die 1897 selbstständig wurde. Das Pfarrhaus von 1594 wurde 1723 neu errichtet. Die Kirche von Chamblandes stammt von 1938, jene von La Rosiaz von 1953, die katholische Pfarrei St. Mauritius wurde 1954 geschaffen.

Im 18. Jahrhundert sind entlang der Paudèze drei Mühlen belegt. Um 1830 wurde in La Rosiaz eine Brauerei gegründet (1905 von der Brasserie Beauregard SA gekauft). Die Teintureries Lyonnaises bauten am Seeufer eine Färberei, die 1873-1974 in Betrieb war. Pully lebte lange vom Weinbau, zu Beginn des 21. Jahrhunderts bestanden aber nur noch die der Gemeinde gehörenden Reben bei Pévret und Rochettaz (3,5 ha). Das Weinbauzentrum Le Caudoz ist seit 1916 der Eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Changins (heute Agroscope Changins-Wädenswil) unterstellt. Zahlreiche Pensionate verhalfen Pully ab Ende des 19. Jahrhunderts zu Ansehen. Zur Gemeindeentwicklung trugen der Bahnhof an der Simplonstrecke (1861), derjenige in Pully-Nord an der Eisenbahnlinie nach Bern (1862), das Tram nach La Rosiaz (1899) und die Schiffsanlegestelle bei. Bis in die 1950er Jahre bewahrte Pully zum Teil seinen Dorfcharakter, danach wandelte es sich zur Wohngemeinde in der Agglomeration Lausanne. Sportanlagen und Kulturstätten (1976 Schwimmbad, Museen, 1980 Théâtre de l'Octogone) sowie diverse Schulbauten (1951 und 1967 Primarschulen, 1975 Gymnasium, 1980 Sekundarschule) wurden erstellt. Die schwedische Firma Tetra Pak International SA richtete 1981 ihren Hauptsitz in Pully ein. 2000 waren mehr als drei Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung Pendler.

Quellen und Literatur

  • S. Dubuis, A. Schmutz, L'église du Prieuré, 1976
  • S. Dubuis, A. Schmutz, Les grands moments de Pully, 1978
  • P. Moinat, C. Simon, «Nécropole de Chamblandes-Pully, nouvelles observations», in JbSGUF 69, 1986, 39-54
  • B. Gindroz, J. Roll, Les communes du cercle de Pully, 1988
  • S. Reymond et al., La villa romaine de Pully et ses peintures murales, 2001
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Patrick Moinat; Catherine May Castella; André Schmutz: "Pully", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.06.2012, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002412/2012-06-01/, konsultiert am 29.03.2024.