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Impfung

Das Wort Impfung stammt aus dem Obst- und Gartenbau und meint die Veredelung von Pflanzen durch das Aufpfropfen eines Pfropfreises. Heute versteht man unter Impfung die willentliche Einführung krankheitserregenden Materials in eine Person oder ein Tier zum individuellen und kollektiven Schutz vor einer Krankheit. Impfungen zählen heute zu den wichtigsten präventivmedizinischen Massnahmen.

Die künstliche Übertragung der Pockenerreger (Pocken) fand bereits im 18. Jahrhundert auch in der Schweiz eine gewisse Verbreitung. 1798 führte Eduard Jenner die Impfung mit Kuhpocken-Lymphe (sogenannte Vaccination, von lateinisch vacca; französisch vaccination, italienisch vaccinazioni) in die Medizin ein. Innerhalb weniger Jahre fanden in Italien, Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz Impfungen statt, vorerst mehrheitlich in Waisenhäusern. Für viele Jahrzehnte blieb die Pockenschutz-Impfung die einzige wirkungsvolle Impfung, auf die sich sämtliche gesundheitspolitische Auseinandersetzungen bezogen. 1980 führte sie als bisher erfolgreichste Impfung zur Ausrottung der Pocken.

Werbung, die in der Abhandlung über die Impfung Petit manuel pratique de la vaccination, Lausanne 1903, von Emile Félix und Jules Flück erschien (Schweizerische Nationalbibliothek).
Werbung, die in der Abhandlung über die Impfung Petit manuel pratique de la vaccination, Lausanne 1903, von Emile Félix und Jules Flück erschien (Schweizerische Nationalbibliothek). […]

Ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelten Bakteriologen und Immunologen Impfungen gegen eine Reihe wichtiger Krankheiten, so gegen Tollwut (Louis Pasteur 1884), Cholera und Typhus. Gegen die Giftstoffe (Toxine) von Tetanus und Diphtherie wurden ab 1890 Antitoxine eingesetzt. Die Einführung der seit 1927 verfügbaren Impfung gegen die Tuberkulose verzögerte sich wegen eines Impfdramas, bei welchem 1930 eine Verwechslung der Seren in Lübeck zum Tod von über 70 Kindern führte. Sie fand erst ab den 1950er Jahren weitere Verbreitung. Gemeinsam mit den Tuberkulostatika trug sie wesentlich zum Rückgang der Tuberkulose in den industrialisierten Ländern bei. Obwohl sich die Wirksamkeit dieser Impfung ständig abschwächt, existiert bis heute keine andere Methode, was angesichts der jährlich weltweit 8 Mio. Tuberkuloseneuerkrankungen Besorgnis erregt. Die in den 1940er und 1950er Jahren häufig gewordene Kinderlähmung (Poliomyelitis) wurde durch die Impfung nach Jonas Edward Salk (1956) bzw. Albert Bruce Sabin (1960) stark eingedämmt. Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Kinderlähmung mit der Impfung bis ins Jahr 2000 auszurotten, wurde nur für Europa erreicht.

Der Erfolg der Pockenschutz-Impfung legte den Schritt zur gesetzlichen Impfpflicht nahe, die bis in die 1860er Jahre in einigen Kantonen mit unterschiedlicher Akzeptanz eingeführt wurde. Ab 1848 übertrug die Bundesverfassung dem Bund zwar die Kompetenz, gesundheitspolizeiliche Verfügungen bei Epidemien zu erlassen, die konkrete Durchführung der Impfkampagnen unterstand jedoch den Kantonen. 1882 kam das Impfobligatorium im Rahmen des Epidemiengesetzes zur Eidgenössischen Volksabstimmung und wurde von fast 80% der Stimmenden verworfen. Die starke Impfgegnerschaft setzte zudem um 1883 die Aufhebung des Impfzwangs in diversen Deutschschweizer Kantonen durch. Sie argumentierten in erster Linie mit gesundheitlichen Einwänden (u.a. Verursachung anderer Krankheiten, sogenannte Impfschäden.) Das Epidemiengesetz von 1886 (revidiert 1970) unterstellte die Durchführung der Impfkampagnen und die Einführung einer Impfpflicht weiterhin den Kantonen, die mehrheitlich auf Zwang verzichten. Dem Bund obliegt nur die Sicherstellung der nötigen Vorräte immunbiologischer Produkte. Die Verordnung für kostenlose Impfungen von 1976 verpflichtete die Kantone, Impfseren gegen Kinderlähmung und Tuberkulose anzubieten.

Zu den routinemässig durchgeführten Impfungen im Säuglings- und Kleinkindesalter gehören zur Zeit die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Masern (Einführung 1964), Mumps (1967) und Röteln (1970). Darüber hinaus werden Impfungen gegen Hepatitis B (1981) und Haemophilus influenzae empfohlen. Impfungen gegen Grippe, Hirnhautentzündung, verschiedene Durchfallkrankheiten oder Botulismus werden ständig verbessert. Impfungen gegen Tropenkrankheiten wie die Gelbfieber-Impfung (1935) vermindern das Erkrankungsrisiko aussereuropäischen Bevölkerungen sowie Personen auf Reisen und in humanitären Hilfswerken. Grosse Hoffnungen werden insbesondere in die Entwicklung von Impfungen gegen Malaria, Aids, Alzheimer, neu auftretende Infektionskrankheiten wie Ebola oder Sars sowie gegen verschiedene Krebsarten gesetzt.

Quellen und Literatur

  • G. Fanconi, Der Wandel der Medizin, wie ich ihn erlebte, 1970
  • M. Müller, Zwangsmassnahmen als Instrument der Krankheitsbekämpfung, 1992
  • P. Weindling, «The immunological tradition», in Companion Encyclopedia of the History of Medicine 1, hg. von W.F. Bynum, R. Porter, 1993, 192-204
  • M. Kaba, «La diphtérie à Genève à la fin du XIXe siècle», in Gesnerus 61, 2004, 37-56
Weblinks

Zitiervorschlag

Iris Ritzmann: "Impfung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.03.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/022715/2015-03-18/, konsultiert am 29.03.2024.