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Ostermundigen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Bern, bis 1982 Viertelsgemeinde der Gemeinde Bolligen, im unteren Worblental am Fuss des Ostermundigenbergs und Hättenbergs in der Agglomeration Bern gelegen. 1239 Osturmundingun, 1279 Ostermundigen, selten Ostermanigen. 1764 326 Einwohner; 1836 689; 1910 2325; 1930 3747; 1950 5339; 1960 8754; 1980 17'034; 2000 15'452.

Das ehemalige Zelgdorf Ostermundigen hatte drei Siedlungsschwerpunkte – Ober-, Mittel- und Unterdorf –, die eine einzige Rechtsame- oder Gütergemeinde bildeten, in der die 14 mittelalterlichen Lehengüter von Ostermundigen nutzungsberechtigt waren mit verschiedenen Höfen ausserhalb der Zelggemeinde wie Deisswil, Dennigkofen, Rörswil, Rothus und Wegmühle. Im 18. Jahrhundert schaffte die Bauernschaft von Ostermundigen den Zelgzwang und den allgemeinen Weidgang ab und teilte das Weideland (u.a. Moos am Lötschenbach, 1847-1848 entsumpft) auf die Güter auf. Als das Dorf 1720 und erneut 1760 auch seinen Wald am Ostermundigenberg (380 Jucharten) aufteilen wollte, wurde ihm dies vom bernischen Rat verwehrt. Da der Wald nunmehr das einzige Gemeindegut war, nannte sich die Rechtsamegemeinde ab 1789 Holzgemeinde Ostermundigen. Erst 1848 wurde der Wald aufgeteilt (ohne die Steinbrüche).

Dorf Ostermundigen und Höfe gehörten kirchlich als Viertel Ostermundigen zur Pfarrei Bolligen neben den Vierteln Ittigen, Ferenberg und Bolligen. Seit der Reformation 1528 kamen der Kirchgemeinde die kommunalen Aufgaben wie Armen-, Niederlassungs- und Schulwesen zu, die den einzelnen Vierteln überlassen wurden: In Ostermundigen war die Holzgemeinde zuständig für alle Aufgaben des Viertels Ostermundigen (z.B. 1746 erster Schulhausbau), auch als Ostermundigen 1834 Teil der Einwohnergemeinde Bolligen (im Umfang der Kirchgemeinde) geworden war. Überlastet, gab sie Aufgaben an neue Gemeinden ab, was zur komplizierten Gemeindestruktur von fünf nicht deckungsgleichen Gemeindebezirken (Holz-, Dorf-, Schul-, Viertels- und Wegbezirksgemeinde) führte. Zur besseren Verwaltung schuf man 1856 die Einwohnergemeinde des Ostermundigen-Viertels mit einem Viertels-Gemeinderat. 1872 legte man Viertels- und Wegbezirke zusammen; übrig blieb die Viertels- und Schulgemeinde Ostermundigen; erst 1945 (nach Teilung des Wegmühlebezirks) erhielt die Viertelsgemeinde Ostermundigen eine einheitliche Struktur.

Das Dorf Ostermundigen lag einst an der Transitstrasse ins Berner Oberland mit Zollhaus und Taverne im Neuhaus (1500 erwähnt; Aufhebung des Zolls 1842/1843). Seine Entwicklung ist seit dem 16. Jahrhundert von der Stadtnähe geprägt. Stadtberner Patrizier erwarben Höfe und errichteten sich Landsitze, wie das Ostermundigengut (Lindenhof, 1707 erbaut), den Landsitz Rothus (im Kern spätgotisch mit Erweiterungsbauten ab 1671) sowie den Landsitz Rörswil mit Bausubstanz vom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert entstand in der ehemaligen Steingrube eine Taunersiedlung (Steingrübli). Stadtnähe und Industrialisierung veränderten Ostermundigen nach 1850: Aus dem Bauerndorf wurde ein gewerblich-industrieller Ort mit kleinen und mittleren Unternehmen und grosser Arbeiterschaft, die jedoch, da grosse Arbeitgeber (1898-1974 Zent AG; ab 1876 Papier- bzw. Kartonfabrik Deisswil, Psychiatrische Anstalt Waldau) nicht auf Boden von Ostermundigen lagen, mehrheitlich ausserhalb arbeitete. Dies brachte die Gemeinde in Finanznot, da nach damaligem Steuergesetz Einkommen am Arbeits- und nicht am Wohnort zu versteuern waren. Die steuerschwache Gemeinde wünschte daher die Eingemeindung in Bern (Vorstösse 1913, 1919, 1954-1955) und, da Bern ablehnte, die Zentralisation (1930, 1945, 1963). Nachdem die Einwohner 1978 für eine Loslösung von Bolligen gestimmten hatten, entwickelte sich die Viertelsgemeinde 1980-1983 in mehreren Schritten zur selbstständigen Einwohnergemeinde.

Ostermundigen war ab dem 15. Jahrhundert für seine Steinbrüche bekannt, aus deren Sandstein die meisten Gebäude der Stadt Bern vor 1900 erstellt worden waren. Abgebaut wurde während 300 Jahren durch Steinhauermeister beim Hättenberg im Steingrübli (bis ca. 1780). Die Möglichkeit des Eisenbahntransports ab 1859 – damals war die Linie Bern-Thun mit der Station Ostermundigen fertig gestellt worden – führte zur industriellen Ausbeutung des grossen Bruchs am Ostermundigenberg, wo ab 1866 auch unterirdische Abbaustollen angelegt wurden, mit bis zu 250 Arbeitern. 1871 ersetzte eine gemischte Zahnradbahn als Weltneuheit die Pferdefuhr zur Bahnstation. Wegen der Konkurrenz durch Backstein und Zement ging die Nachfrage nach Sandstein nach 1900 schlagartig zurück. Die Liquidation der AG erfolgte 1907; die Kavernen wurden vermauert, die zwischenzeitlich dort angelegten Tanklager wurden später wieder aufgehoben. Die Steinbrüche wurden später wieder in kleinerem Massstab ausgebeutet (seit 1966 von der Carlo Bernasconi AG). Dienstleistung, Kleingewerbe, einige grössere Firmen (Emmi, Intersport, Unternehmungen im Holzbau) und die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Neuhaus boten 2005 ca. 6300 Arbeitsplätze an, doch nach wie vor arbeitet die Mehrheit der Erwerbstätigen auswärts (2000 78%).

Schon 1930 als "städtisch" bezeichnet, erfuhr Ostermundigen ab den 1950er Jahren infolge des starken Zuzugs eine dichte Überbauung im und um das Dorf und in den Neuquartieren (Rüti, Oberfeld) und einen Ausbau der Infrastruktur mit Kirchen (katholisch 1937, reformiert 1940), Schulhäusern (Bernstrasse, Rothus, Mösli, Rüti, Dennigkofen), Gemeindebibliothek, Musikschule, Sportanlagen, Freibad und Schiessplatz. Seit 1913 hat Ostermundigen Anschluss an die Worblental-Bahn (Stationen Deisswil, Bolligen, Ittigen, heute RBS), seit 1924 an das Tram- und Busnetz der Stadt Bern und seit 1962 an die Autobahnen A1 und A6. In Grenzberichtigungen gab Ostermundigen Gebiete an Bern (Waldau 1809), Stettlen (Papierfabrik Deisswil 1914) und Ittigen (Wegmühle 1943) ab.

Quellen und Literatur

  • K.L. Schmalz, Ostermundigen, 1983
  • E. Saurer, 250 Jahre Schule Ostermundigen, 1746-1996, [1996]
  • Z. Caviezel, Bauinventar der Gem. Ostermundigen, 2005

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Ostermundigen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000221/2010-09-21/, konsultiert am 28.03.2024.