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Muri bei Bern

Ansicht von Südosten mit Kirche und Schloss. Aquarell von Albrecht Kauw, um 1670 (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen.
Ansicht von Südosten mit Kirche und Schloss. Aquarell von Albrecht Kauw, um 1670 (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen. […]

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Bern, bestehend aus den Orten Muri und Gümligen, die auf Terrassen am rechten Aareufer liegen. Agglomerationsgemeinde und Villenvorort von Bern. 1180 Mure. 1764 446 Einwohner; 1850 1142; 1900 1341; 1950 5845; 1980 12285; 2000 12571.

Neolithische Funde im Birchiwald, bronzezeitliches Grab bei Lindenhof-Siloah, latènezeitliche Gräber mit Schmuckbeigaben bei Mettlen-Mannenried. Im Raum von Kirche und Schloss wurden Fundamente einer römischer Villa entdeckt. Die Statuetten der keltischen Göttinnen Artio (Bärengöttin) und Naria sowie die Inschrift auf dem Sockel der Letzteren lassen vielleicht auf ein gallorömisches Heiligtum der regio Arurensis schliessen. Bei Springhaus stiess man auf ein Gräberfeld des 7. Jahrhunderts, auf dem Dentenberg auf eine mittelalterliche Burgstelle. Ab dem 12. Jahrhundert sind die in Belp und auf Gerenstein sitzenden Freiherren von Montenach in Muri begütert. 1239-1245 verkauften sie dem Kloster Interlaken neben Güterbesitz auch den Kirchensatz von Muri; nach 1298 verloren sie Muri an die Stadt Bern. Von da an zählte Muri als eines der vier Kirchspiele zum erweiterten Stadtbezirk und als bernisches Niedergericht bis 1798 zum Stadtgericht.

Die Kirche in Muri (1180 erwähnt, Michaelspatrozinium, verschiedene Vorgängerbauten, u.a. Apsidensaal 11.-12. Jh.) wurde öfters umgestaltet (Chorneubau 16. Jh., Gesamtumbau u.a. 1664, 1967-1969, Turmneubau 1881, 1967). Der Kirchensatz kam mit der Reformation 1528 an Bern. Das Kirchspiel mit Muri, Gümligen und dem Weiler Kräyigen reichte mit Melchenbühl, Wittigkofen, Saali und Brunnadern bis zum Burgernziel der Stadt Bern; dieses westliche Gebiet ging 1817 an die Stadt Bern über. Heute verfügt die Kirchgemeinde Muri mit fünf Pfarrämtern über zwei Kirchgemeindehäuser und Kirchen in Muri und Gümligen.

Im Umfang der Kirchgemeinde entstand 1831/1833 die politische Gemeinde Muri bei Bern. Diese war bis 1905 bzw. 1921 in die Dorfgemeinden Muri-Kräyigen und Gümligen unterteilt, die mit eigenem Gemeindevermögen kommunale Aufgaben erfüllten. Das bäuerliche Dorf Muri, von der Aare bis auf die zweite Terrasse reichend, bildete mit den «sieben Höfen» eine Zelg- und Allmendgemeinde mit Flurpolizei (Gemeindeordnung 1608) und Schule (1679 erstmals erwähnt), doch ohne Wirtshaus (Taverne erst 1832). Der Talboden wurde ab dem 16. Jahrhundert im Gemeinwerk mittels Wehrbauten gegen Hochwasser gesichert; die Aarekorrektion (1824-1831) enthob von dieser Fron, legte der Gemeinde aber hohe finanzielle Lasten auf.

Die Nähe zu Bern und die sonnige Wohnlage machten Muri vom 16. Jahrhundert an zum begehrten Standort für Landsitze der Patrizier, denen oft Landwirtschaftsbetriebe angegliedert waren. Als die Stadt nach 1890 selbst in Richtung Muri wuchs, förderten die Gemeindebehörden die Entstehung von Villenquartieren, wofür die zu den Campagnen gehörigen Gebiete parzelliert wurden. Die Bautätigkeit begann nach der Jahrhundertwende im Thoracker; nach und nach entstanden Quartiere wie Mettlen, Villette, Mannenried, Melchenbühl und Tannacker. Der Bau von Ein- und Zweifamilienvillen und der Zuzug von Beamten und Geschäftsleuten steigerten Muris Steuereinnahmen. Steuer- und Verkehrsgunst – Muri liegt an der alten Landstrasse nach Thun sowie an den Eisenbahnlinien Bern-Thun (1859, mit Station Gümligen), Bern-Langnau-Luzern (1864/1875) und Bern-Worb (1898) – waren dem Zuzug förderlich und führten zum heutigen starken Pendlerverkehr. Finanziell gesicherter als andere Vorortsgemeinden, lehnte Muri die Eingemeindung in Bern ab (1915, 1920er Jahre). Nach der Gemeindezentralisation (1905 und 1921) wurde die Gemeinde wegen des starken Bevölkerungswachstums vor grosse Infrastrukturaufgaben (Schulhäuser, Gemeindehaus, Kanalisationen usw.) gestellt. Die sich nach 1900 ungleich entwickelnden Gemeindeteile, der Villenvorort Muri und der «Gewerbeort» Gümligen, sind durch die Eisenbahnlinien und seit 1966 durch die Autobahn ins Berner Oberland voneinander getrennt. Das Schloss Muri oberhalb der Kirche entstand im 16. Jahrhundert anstelle eines mittelalterlichen Gutshofs; der heutige Bau mit Eingangshof, Orangerie und Zythüsli inmitten eines Parks ist das Resultat verschiedener Bauetappen (Um-/Neubau nach 1650, 1758 neuer Haupttrakt, Umbau 1851-1854, 1910). Von den vielen, teils einfachen Landsitzen und Wohnstöcken (u.a. Seidenberg, äusseres Melchenbühlgut, Aarwil) blieb einzig das Multengut mit Bauten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend erhalten. Vom Mettlengut steht nur mehr das um 1780 erbaute Herrenhaus. Ab Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in bevorzugter Lage «Neolandsitze» (Villa Buchegg, La Clairière, Waldried usw.). Anfang des 21. Jahrhunderts zählte Muri zu den bernischen Gemeinde mit tiefer Steuerbelastung.

Quellen und Literatur

  • H. Müller et al., Muri bei Bern: eine Gem. – zwei Dörfer, 1993
Weblinks
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GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Muri bei Bern", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000214/2009-07-03/, konsultiert am 29.03.2024.