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Karl der Grosse

Statue des Kaisers Karl der Grosse im Kloster Müstair. Original wohl aus dem 12. Jahrhundert, im Verlauf der Jahrhunderte oftmals restauriert (Fotografie Heinz Dieter Finck).
Statue des Kaisers Karl der Grosse im Kloster Müstair. Original wohl aus dem 12. Jahrhundert, im Verlauf der Jahrhunderte oftmals restauriert (Fotografie Heinz Dieter Finck).

wohl 2.4.747, 28.1.814, Pfalzkapelle Aachen. Ältester Sohn König Pippins III. des Jüngeren und Bertradas. Ab 768 König der Franken, nach dem Tod seines jüngeren Bruders Karlmann (771) Alleinherrscher. Karl der Grosse besiegte die Sachsen (772-804), eroberte 773-774 das Langobardenreich (774 König der Langobarden) und führte 778 einen Feldzug gegen das islamische Spanien. Er erzwang 788 die Unterwerfung des Bayernherzogs Tassilo und zerschlug in mehreren Kriegszügen (791-796) das Avarenreich. Am Weihnachtstag 800 wurde Karl von Papst Leo III. in Rom als erster mittelalterlicher Herrscher des Abendlandes zum Kaiser gekrönt.

Der Kaiser überreicht Bischof Theodul von Sitten das Schwert. Miniatur des Breviers von Jost von Silenen, 1493 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-4624, Bd. 1, Fol. 295r).
Der Kaiser überreicht Bischof Theodul von Sitten das Schwert. Miniatur des Breviers von Jost von Silenen, 1493 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-4624, Bd. 1, Fol. 295r). […]

Parallel zur Ausweitung des Reichs verfolgte Karl dessen inneren Ausbau, insbesondere durch stärkere Angliederung von bisher der fränkischen Herrschaft fernstehenden Gebieten, so Churrätiens durch Einführung der Grafschaftsverfassung (806). Von Karls Hof gingen die Impulse einer Bildungsreform aus, die für die Entwicklung der Schrift (karolingische Minuskel) und der Kunst (karolingische Renaissance) entscheidend wurden, so insbesondere für die Klöster Reichenau und St. Gallen. Zu Karls Zeiten war das Gebiet der heutigen Schweiz eine königsferne Landschaft: Ein Aufenthalt in Genf (773), die Überquerung des Grossen St. Bernhards (801), eine Urkunde für Chur (772/774), eine bzw. zwei für St. Gallen (772, 780) und vielleicht die berühmte Goldkanne von Saint-Maurice sind die einzigen Zeugnisse direkter Beziehungen. Umso intensiver wurde hier das Andenken an den «Vater Europas» gepflegt, so in St. Gallen, wo Karl der Grosse als «bester aller Kaiser» galt und Notker der Stammler auf Bitten von Karls des Grossen Urenkel Karl III. dem Dicken in den «Gesta Karoli Magni» das Bild eines christlichen Kaisers schuf, das schon deutliche Züge einer Idealisierung trägt. Reich entwickelte sich die Karlstradition in Zürich: Angeregt durch die Nennung Karls des Grossen im ersten Rotulus des Grossmünsters aus dem 10. Jahrhundert wurde hier um 1150/1160 eine Fälschung auf Karls Namen begonnen und im 13. Jahrhundert vervollständigt. Karls Heiligsprechung (1165) und die Reliquientranslation nach Zürich (1233) festigten seinen Ruhm als angeblicher Begründer des Grossmünsters. Propst Heinrich Manesse nahm das Bild des thronenden Kaisers mit dem Richtschwert auf den Knien, so wie er als Statue am Grossmünster zu sehen war, in seinem Siegel auf. Nach später Tradition soll Karl der Grosse die Gräber der Heiligen Felix und Regula gefunden sowie die Stadt und die Stiftsschule (Carolinum) gegründet haben. Auch in Müstair ist Karl als Gründer des Klosters betrachtet worden. Die Karlsstatue des 12. Jahrhunderts (?) in der Klosterkirche sowie spätmittelalterliche Chartular- und Kalendereinträge bezeugen eine Karlsverehrung, die ab dem 16. Jahrhundert fest verankert ist. In Sitten wurde vom 12. Jahrhundert an die Übertragung der Grafenrechte im Wallis an den Sittener Bischof, die 999 König Rudolf III. von Burgund verfügte, Karl dem Grossen zugeschrieben. Offenbar sollte dadurch die Stellung des Bischofs gegenüber den Grafen von Savoyen gestärkt werden. Liturgischen Texte und Altarweihen bezeugen den Karlskult in der Stadt und und in der Diözese Sitten vom 13. Jahrhundert bis 1914.

Quellen und Literatur

  • Karl der Grosse, 5 Bde., hg. von W. Braunfels, 1965-68
  • M. Werder, «Das Nachleben Karls des Grossen im Wallis», in BWG 16, 1976/77, 301-476
  • D. Gutscher, Das Grossmünster in Zürich, 1983
  • R. Delort, Charlemagne, 1986
  • LexMA 5, 956-966
  • R. Kaiser, Churrätien im frühen MA, 1998
  • H. Steiner, Alte Rotuli neu aufgerollt, 1998
  • H.R. Sennhauser, «Kloster Müstair, Gründungszeit und Karlstradition», in König, Kirche und Adel, hg. von R. Loose, S. Lorenz, 1999, 125-150
  • D. Hägermann, Karl der Grosse, 2000
  • M. Kerner, Karl der Grosse – Entschleierung eines Mythos, 2000
  • R. Kaiser, «Autonomie, Integration und bilateraler Vertrag - Rätien und das Frankenreich im frühen MA», in Francia 29, 2002, 1-28
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ wohl 2.4.747 ✝︎ 28.1.814

Zitiervorschlag

Reinhold Kaiser: "Karl der Grosse", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020775/2014-11-26/, konsultiert am 19.03.2024.