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Gudo

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Tessin, Bezirk Bellinzona, seit 2017 mit Camorino, Claro, Giubiasco, Gnosca, Gorduno, Moleno, Monte Carasso, Pianezzo, Preonzo, Sant'Antonio und Sementina Teil der Gemeinde Bellinzona. Zu Gudo gehörten verschiedene Weiler, darunter Progero; das besiedelte Gebiet liegt am Bergfuss auf der rechten Seite der Magadinoebene. 1277 Gudio. 1671 100 Einwohner; 1769 150; 1850 296; 1880 390; 1888 583; 1900 373; 1950 435; 1990 501; 2000 679; 2010 769; 2016 827.

Gudo: Situationskarte 2016 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2022 HLS.
Gudo: Situationskarte 2016 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2022 HLS.

Urgeschichte

1909-1910 wurde bei Arbeiten am Flussbett des Tessins im Weiler Progero ein ausgedehntes urgeschichtliches Gräberfeld freigelegt. Die ältesten Fundstücke sind Keramikfragmente, die darauf hinweisen, dass das Gebiet möglicherweise schon in der Frühbronzezeit (17.-16. Jh.v.Chr.) besiedelt war; ausserdem fand man Grabkeramik aus der beginnenden Spätbronzezeit (13.-12. Jh. v.Chr.). Der grösste Teil der Nekropole (mit über 300 Gräbern) entstand in der Eisenzeit, vom 6. Jahrhundert v.Chr., als die Golasecca-Kultur vorherrschte, bis ins 2. Jahrhundert v.Chr. Es handelt sich fast ausschliesslich um Erdbestattungen. Die Gräber sind von Steinmäuerchen eingefasst und mit Platten oder mit rund angeordneten Steinen bedeckt; in einigen Fällen liessen inschriftslose Stelen aus Stein auf Gräber schliessen. Aus der beginnenden bzw. entwickelten Spätbronzezeit stammen Grabbeigaben in Form bikonischer, linsenartiger Urnen; typisch für die Golasecca-Zeit sind Beigaben von einem oder mehreren Keramikgefässen (Urne, Schüssel, Becher und seltener eine Kanne) zusammen mit Schmuckgegenständen aus Bronze (Fibeln, Ohrringe, Anhänger, Gürtelschnallen) und aus Bernstein (Ketten, Perlen für Ohrringe und Anhänger). Unter den Bronzegefässen findet man in Gudo einige Situlen (eimerartige Gefässe), hingegen fehlen die anderen typischen Gefässe der Golasecca-Kultur (Schnabelkannen, Zisten), die gewöhnlich am Ort hergestellt oder eingeführt wurden. Besonders bemerkenswert ist ein Becher (aus der Wende vom 6. zum 5. Jh. v.Chr.) mit eingeritzten Zeichen im Alphabet «von Lugano», das auch «lepontisches» Alphabet genannt wird.

Das Gräberfeld wurde auch in der folgenden Periode benutzt. Dies bestätigt, dass der Ort in der Latènezeit, während keltische Gruppen von jenseits der Alpen in das südalpine Gebiet und die Poebene vordrangen, ebenfalls besiedelt war. Die Grabbeigaben bestanden weiterhin aus Keramikgeschirr, dazu kamen typische Fibeln vom Latènetyp, Perlen aus Glaspaste und Bernstein, Ringe aus Bronze oder Silber und Anhänger.

Mittelalter und Neuzeit

1264 verfügten die Johanniter von Contone, die Mensa des Bischofs von Como, die Kapitel Bellinzona und Locarno und die Locarneser Adelsfamilien Muralto und Magoria über grundherrliche Rechte in Gudo. 1363 erscheinen Gudo und Progero als getrennte Gemeinden. In Progero befindet sich die romanische Kirche Santa Maria, die im 17. Jahrhundert umgebaut wurde. Hier soll gemäss Überlieferung auch ein Benediktinerkloster bestanden haben. Gudo und Sementina trennten sich 1440 von der Mutterkirche Bellinzona. Ausgrabungen in der Pfarrkirche San Lorenzo konnten 1992 einen Vorgängerbau aus dem 6.-7. Jahrhundert nachweisen: Es handelt sich um den ältesten archäologisch bezeugten Kultraum im Bellinzonese. Das heutige Gotteshaus geht auf 1615 zurück (Restaurierung 1990-2000). 1888 nahm man die Korrektion des Flusses Tessin in Angriff, was einen Anstieg der Einwohnerzahl nach sich zog. 1907 wurde die Eisenbrücke errichtet, dann folgte die Strasse, die Gudo durch die Magadinoebene mit Cadenazzo verbindet. 1932-1936 baute der Kanton in Gudo einen Landwirtschaftsbetrieb (Demanio agricolo) auf. Gudo nutzt sein Land in der Magadinoebene vor allem ackerbaulich, während sich an den Hängen um Gudo weite Rebberge ausdehnen; zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es das wichtigste Zentrum des Tessiner Weinbaus. Noch heute gehören die Weinberge zu den grössten des Kantons. 2000 arbeiteten die meisten Einwohner ausserhalb von Gudo, es wurde zum Wohnort für Wegpendler.

Quellen und Literatur

Urgeschichte
  • M. Primas, Die südschweiz. Grabfunde der älteren Eisenzeit und ihre Chronologie, 1970
  • M. Primas, «Funde der späten Bronzezeit aus den Eisenzeitnekropolen des Kt. Tessin», in ZAK 29, 1972, 5-18
  • W.E. Stöckli, Chronologie der jüngeren Eisenzeit im Tessin, 1975
  • R. Janke, «L'Età del Bronzo, Ticino e Mesolcina», in SPM 3, 1998, 46-49, 98-102
  • I Leponti: tra mito e realtà, hg. von R.C. de Marinis, S. Biaggio Simona, 2000
Mittelalter und Neuzeit
  • Gilardoni, Inventario, 215-220
  • V. Gilardoni, Il Romanico, 1967, 370-373
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Simonetta Biaggio Simona; Graziano Tarilli: "Gudo", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.01.2024, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002037/2024-01-22/, konsultiert am 29.03.2024.