Salis

Niederadelsgeschlecht (Adel) des Hochstifts Chur und Aristokratenfamilie des Freistaats der Drei Bünde aus dem Bergell mit Stammsitz in Soglio, wo 1300 erstmals ein Rudolf bezeugt ist. Wohl aus einer Familie der Führungsschicht von Como herkommend, blieb die Bedeutung der Salis im 14. Jahrhundert lokal begrenzt. 1396 stellten sie den ersten Talrichter und wurden in Notariaten im bündnerischen Süden tätig. Ausgestattet mit Grundbesitz in Chiavenna und Plurs im Veltlin pflegten sie verwandtschaftliche Beziehungen zur Elite des Herzogtums Mailand, die ihnen 1391-1544 Handelsprivilegien gewährte. Im 15. Jahrhundert etablierten sich die Salis unter den führenden Familien des Hochstifts Chur. Sie erweiterten ihren Besitz über das Bergell hinaus ins Oberengadin (Engadin) und gingen Heiratsverbindungen mit Familien des churbischöflichen Dienstadels ein, ohne dass sie als bischöfliche Herrschaftsträger besonders wichtig wurden. Ihre Blütezeit begann im 16. Jahrhundert nach der Entstehung des Freistaats der Drei Bünde. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts bildeten die überwiegend reformierten Salis neben den von Planta den mächtigsten Familienverband Graubündens. Sie leisteten im Spätmittelalter Solddienst in Norditalien und ab dem 16. Jahrhundert militärische Dienste für die europäischen Grossmächte. Von der erfolgreichsten Bündner Offiziersfamilie erreichten bis Ende des 18. Jahrhunderts ca. 30 Mitglieder den Rang eines Generals, zum Beispiel Anton von Salis-Marschlins, Simon von Salis-Zizers und Ulysses Salis-Marschlins (Offiziere). Im Veltlin stellten die Salis zusammen mit den von Planta im 16. und frühen 17. Jahrhundert die meisten Amtsleute.

Zur führenden Stellung der Salis trug deren Verbreitung über ganz Graubünden in mehreren Linien wie Samedan, Grüsch, Maienfeld, Zizers, Marschlins, Rietberg ab dem frühen 16. Jahrhundert bei. Die Stammlinie in Soglio bestand fort, Zweige bildeten sich im Veltlin, in Deutschland, Österreich und England. Während der Bündner Wirren im frühen 17. Jahrhundert gehörten die Salis meist auf Seiten der französisch-venezianischen (Venedig), selten der österreichisch-spanischen Partei zu den Hauptakteuren. Die Rivalität mit den von Planta kulminierte 1621 in der Ermordung von Pompejus von Planta-Wildenberg im Auftrag der venezianischen Partei unter den Salis-Grüsch. Nach dem Dreissigjährigen Krieg nahm der Einfluss der Familie in Graubünden und im Veltlin zu. In den Untertanenlanden besassen sie im Vergleich zur übrigen Bündner Elite den grössten Grundbesitz und das dichteste Beziehungsnetz zur ansässigen Führungsschicht. Im 18. Jahrhundert stellten sie im Veltlin die meisten Amtsleute und bauten auch ihre politische Stellung in Graubünden aus, wo sie in jedem der Drei Bünde über Einfluss verfügten. Politisch lehnten sich die Salis bis zur Revolution stärker an Frankreich an, danach an Österreich.

Doppelseite aus dem fotografischen Inventar der Vorfahren der Familie von Salis, zusammengestellt vom Churer Fotografen Carl Lang, 1884 (Privatsammlung; Fotografie Kurt Wyss, Basel).
Doppelseite aus dem fotografischen Inventar der Vorfahren der Familie von Salis, zusammengestellt vom Churer Fotografen Carl Lang, 1884 (Privatsammlung; Fotografie Kurt Wyss, Basel). […]

Mehrere führende Familien wandten sich im 18. Jahrhundert gegen die dominante Stellung der Salis in Graubünden und in den Untertanenlanden. 1794 gelang es den Bündner Patrioten, als Oppositionsbewegung diese Macht einzuschränken. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert hatten die Salis im Banken- und Speditionswesen (Transportgewerbe) in Graubünden sowie als Pächter der Landeszölle einen grossen Einfluss. Nach der Eingliederung von Graubünden in die Helvetische Republik war ihre politische Stellung als Familienverband weitgehend gebrochen. Mehrere Salis betätigten sich im 19. Jahrhundert auf kantonaler und eidgenössischer Ebene als Politiker und als Militär, zum Beispiel Johann Gaudenz von Salis-Seewis und sein Schwiegersohn Johann Ulrich von Salis-Soglio. Meta von Salis-Marschlins machte sich als Frauenrechtlerin und Jean Rudolf von Salis-Soglio als Historiker einen Namen.

Quellen und Literatur

  • Bischöfliches Archiv Chur, Chur.
  • Staatsarchiv Graubünden, Chur, Familienarchive.
  • Salis-Soglio, Nicolaus von: Die Familie von Salis. Gedenkblätter aus der Geschichte des ehemaligen Freistaates der drei Bünde in Hohenrhätien (Graubünden), 1891.
  • Salis-Soglio, Nicolaus von: Regesten der im Archiv des Geschlechts-Verbandes derer von Salis befindlichen Pergamenturkunden, 1898 (Mitteilungen des Geschlechts-Verbandes derer von Salis, 1).
  • Schweizerisches Geschlechterbuch, Bd. 1, 1905, S. 469-502; Bd. 2, 1907, S. 684-687; Bd. 3, 1910, S. 377, 667-697; Bd. 5, 1933, S. 530-534; Bd. 7, 1943, S. 453-483.
  • Sprecher, Anton von: Stammbaum der Familie von Salis, 1941.
  • Grimm, Paul Eugen: Die Anfänge der Bündner Aristokratie im 15. und 16. Jahrhundert, 1981.
  • Färber, Silvio: Der bündnerische Herrenstand im 17. Jahrhundert. Politische, soziale und wirtschaftliche Aspekte seiner Vorherrschaft, 1983.
  • Collenberg, Adolf: «Die Bündner Amtsleute in der Herrschaft Maienfeld 1509-1799 und in den Untertanenlanden Veltlin, Bormio und Chiavenna 1512-1797», in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft von Graubünden, 129, 1999, S. 1-118.
  • Planta, Peter Conradin von: «Der Bernina-Bergwerksprozess von 1459-1462 und die Bergbauunternehmungen des Johann von Salis 1576-1618», in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft von Graubünden, 130, 2000, S. 1-144.
  • Verein für Bündner Kulturforschung (Hg.): Handbuch der Bündner Geschichte, Bde. 1 und 2, 2000.
  • Giovanoli, Diego; Scherini, Letizia: Häuser und Gärten der von Salis in Soglio und Chiavenna, 2006.
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Zitiervorschlag

Peter Conradin von Planta: "Salis", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.01.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020157/2012-01-12/, konsultiert am 18.03.2024.