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Roggwil (BE)

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Aarwangen, Verwaltungskreis Oberaargau, zwischen Roth und Langeten gelegen, das gleichnamige Dorf, den Weiler Kalteherberge und Einzelhöfe umfassend. 949 Rocchonuuillare. 1764 800 Einwohner; 1850 1739; 1900 2240; 1950 3220; 2000 3600.

Verschiedene, zum Teil ungesicherte, römische Funde im Friberg (Münzen, Strassenstück), Heidengässchen (Münzen), am Hagelberg (eventuell Siedlungsreste) und in der Kiesgrube (Handmühlenplatten); unbestimmte Mauerfunde nahe der Kirche. Hochmittelalterliche Burgstelle Chülperg. Roggwil gehörte im Hochmittelalter zum Herrschaftsbezirk der Freiherren von Bechburg, von denen sich ein Zweig vermutlich Ritter von Roggwil nannte. Letztere zählten zu den ersten Donatoren des Klosters St. Urban. Durch Schenkungen und Kauf baute St. Urban Roggwil, in dem es anfänglich einen Eigenbetrieb führte, noch vor 1250 zur geschlossenen Grund- und Gerichtsherrschaft aus. Zur Bewässerung wurde die Langeten in das heutige, ostwärts zur Murg führende Bett umgeleitet. Nachdem Bern von Kyburg 1406 die Landgrafschaft Burgund erworben hatte, ordnete es 1413 im Vertrag mit St. Urban die Gerichtsrechte in Roggwil neu: Die klösterlichen Gerichtskompetenzen wurden stark beschnitten. Roggwil bildete mit Wynau fortan ein Niedergericht und unterstand dem bernischen Amt Wangen, bis es zwischen 1580 und 1590 in das Amt Aarwangen umgeteilt wurde. Die Rechte der Gemeinde auf Holznutzung in den Wäldern der Abtei wurden im 15. Jahrhundert nach Streitfällen aufgezeichnet (Urbare 1441-1480 und 1494). Die 1201 erwähnte Kirche war eine Filiale der Kirche Wynau. Erst 1664 wurde Roggwil mit Balzenwil, Gruben und Walliswil (bis 1824) eine eigenständige Kirchgemeinde. Die heutige Pfarrkirche wurde 1664-1665 erbaut, die katholische 1973 und die neuapostolische 1985.

1798 wünschte Roggwil den Übertritt zum helvetischen Kanton Aargau, wurde aber dem Distrikt Langenthal zugeteilt. 1803 kam es zum Oberamt Aarwangen (bis 1820 mit Wynau). 1798 trat es den Sängibezirk an die Gemeinde Untersteckholz ab. Im 18. und 19. Jahrhundert fand die Bevölkerung neben der Landwirtschaft auch Verdienst in der Heimweberei. Die Anschlüsse an die Bahnlinie Olten-Bern 1857 und an die Schmalspurbahn Langenthal-Roggwil-Melchnau 1917 förderten die Fabrikindustrialisierung (1862 Baumwollweberei, 1904 Ziegel- und Backsteinwerke, 1924 Maschinenfabrik). Die Landwirtschaft wurde im 20. Jahrhundert marginal; 2005 stellten der 2. und der 3. Sektor je knapp 48% der insgesamt 1269 Arbeitsplätze in der Gemeinde. Zum Baubestand des Dorfs gehören Bauern-, Gewerbe- und ab 1870 entstandene Arbeiterhäuser (in Neuquartieren wie dem Rotbrüsteliquartier); die Fabriken liegen grossteils im Industriequartier Brunnmatt. Das Wachstum der Gemeinde verlangte den Ausbau der Infrastruktur (1962 Sekundarschule, 1965 Gemeindehaus, 1985 Altersheim, 1987 kommunales Kleinkraftwerk).

Quellen und Literatur

  • Chronik der Gem. des Kt. Bern 1, 1951, 160-163
  • K.H. Flatt, Die Errichtung der bern. Landeshoheit über den Oberaargau, 1969
  • Der Amtsbez. Aarwangen und seine Gem., 1991
  • M. Fischer et al., Bauinventar der Gem. Roggwil, 1994
  • S. Kuert, Roggwil im Wandel der Zeit, 2006
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Roggwil (BE)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 24.11.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000200/2010-11-24/, konsultiert am 19.03.2024.