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JohannBernoulli

Porträt von Johann Bernoulli. Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid nach einem Ölgemälde von Johann Rudolf Huber, erschienen in J. Bruckners "Bildersaal berühmter Schriftsteller", Augsburg 1742 (Universitätsbibliothek Basel).
Porträt von Johann Bernoulli. Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid nach einem Ölgemälde von Johann Rudolf Huber, erschienen in J. Bruckners "Bildersaal berühmter Schriftsteller", Augsburg 1742 (Universitätsbibliothek Basel).

27.7.1667 (bzw. nach Gregorianischem Kalender 6.8.1667) Basel, 1.1.1748 Basel, reformiert, von Basel. Sohn des Nicolaus, Kaufmanns, Grossrats und Gerichtsherrn, und der Margarethe Schönauer. Dorothea Falkner, von Basel. Johann Bernoulli studierte in Basel Medizin (1685 Magister Artium, 1690 lic. med., 1694 Dr. med.), wurde aber gleichzeitig von seinem älteren Bruder Jacob (->) in die Mathematik eingeführt. Bernoullis Fähigkeit, schwierige mathematische und mechanische Probleme vor allem mit Hilfe der Leibniz'schen Infinitesimalrechnung verblüffend einfach und elegant zu lösen (Bestimmung der Form der Kettenlinie), verschafften ihm unter anderem 1691-1692 in Paris die Hochachtung des Gelehrtenkreises um Nicolas Malebranche. Guillaume de L'Hôpital veröffentlichte 1696 auf der Grundlage der von Bernoulli erteilten Privatvorlesungen das erste Lehrbuch der Differentialrechnung, die «Analyse des infiniment petits» (darin zum z.B. die Bernoulli-L'Hôpital'sche Regel). 1695 wurde Bernoulli auf den Mathematiklehrstuhl in Groningen berufen. Neben ersten Vorlesungen über Integralrechnung identifizierte er dort durch eine geschickte Analogie aus der Optik die Linie schnellsten Falls eines Körpers im Schwerefeld als Zykloide. Da dieses von ihm öffentlich zum Wettbewerb ausgeschriebene «Brachystochronenproblem» nur von Gottfried Wilhelm Leibniz, Isaac Newton, L'Hôpital und seinem Bruder Jacob gelöst werden konnte, war Bernoulli eine europäische Berühmtheit. Er wurde Mitglied zahlreicher Akademien (u.a. 1699 Paris, 1701 Berlin, 1712 London, 1735 St. Petersburg). 1705 übernahm Bernoulli von seinem verstorbenen Bruder den Basler Lehrstuhl, den er bis zu seinem Tod innehatte. Zu Bernoullis herausragenden mathematischen Leistungen gehören unter anderem die Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Integration rationaler Funktionen (Partialbruchmethode, Bernoulli'sche Reihe), neuer Lösungsmethoden für Differentialgleichungen (Separation der Variablen), eine erste Interpretation von Differentialgleichungen als Richtungsfelder, Beiträge zur Differentiation von Exponentialfunktionen, zur Theorie der Trajektorien, zu Hüllkurven, Evoluten, Evolventen und Epizykloiden, zur Traktrix und zu optischen Brennpunkten. In erbittertem Wettstreit mit seinem Bruder Jacob war Bernoulli am Aufbau der Variationsrechnung beteiligt. In seinen Basler Jahren wandte er sich immer mehr der Untersuchung mechanischer und astronomischer Probleme zu. Bernoulli kritisierte Newtons Behandlung des Keplerproblems, der Pendelbewegung und des Wurfs im widerstrebenden Medium, löste selbst das inverse Problem der Zentralkräfte, bestimmte die ballistische Kurve des Geschosses unter Berücksichtigung der Reibung sowie das Schwingungszentrum starrer Körper und gab eine erste analytische Fassung des Prinzips der virtuellen Geschwindigkeiten. In der Kontroverse um den Kraftbegriff (vis viva) nahm Bernoulli Stellung gegen René Descartes und für die Leibniz'sche Dynamik. Im Prioritätsstreit zwischen Newton und Leibniz ergriff Bernoulli entschieden die Partei des Letzteren. Durch seine Lehrtätigkeit – Schüler waren zum Beispiel seine Söhne Daniel (->), Johann (->) und Nicolaus (->), Pierre Louis Moreau de Maupertuis, Alexis Claude Clairaut, Gabriel Cramer, vor allem aber Leonhard Euler –, durch seine Publikationen und durch seinen Briefwechsel (ca. 3500 erhaltene Briefe) trug Bernoulli entscheidend zur Verbreitung der Infinitesimalmathematik in ihrer Leibniz'schen Form in Europa bei.

Quellen und Literatur

  • Théorie de la manœuvre des vaisseaux, 1714
  • Opera omnia, 1742
  • Commercium philosophicum et mathematicum, 1745
  • Der Briefwechsel von Johann Bernoulli, 1955-, (bisher Bde. 1-3 erschienen)
  • Die Streitschriften von Jacob und Johann Bernoulli, 1991
  • Poggendorff, Hwb. 7a, 77-79
  • DSB 2, 51-55
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 6.8.1667 ✝︎ 1.1.1748

Zitiervorschlag

Fritz Nagel: "Bernoulli, Johann", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.09.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019087/2020-09-11/, konsultiert am 19.03.2024.